Deutsche im Irak entführt
29. November 2005Das Auswärtige Amt bestätigte, dass Susanne O. aus Glonn im bayerischen Kreis Ebersberg seit Freitag vermisst werde. Die 43-jährige Archäologin sei seit vielen Jahren im Irak tätig und spreche fließend Arabisch. Sie wurde zusammen mit ihrem Fahrer im Irak von Unbekannten verschleppt. Ein entsprechendes Video der Entführer sei dem ARD-Büro in Bagdad übergeben worden. Darin forderten die Geiselnehmer die Bundesregierung auf, die Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung einzustellen. Ansonsten werde die Geisel getötet. Laut ARD gibt es für die Erfüllung der Forderungen eine zeitliche Einschränkung. Welche Gruppe hinter der Entführung steckt, ist offen.
Die Bundesregierung werde alles in ihrer Macht Stehende für die Sicherheit der Geiseln tun, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vor einem Treffen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice in Washington. "Wir werden mit Umsicht und Vorsicht vorgehen", fügte er hinzu. Steinmeier appellierte an die Täter, die Geiseln freizulassen und in sichere Obhut zu bringen.
Krisenstab im Auswärtigen Amt
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Entführer eindringlich zur Freilassung ihrer Geiseln aufgefordert. "Alle Bemühungen der Bundesregierung sind darauf gerichtet, die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen und das Leben der Betroffenen zu schützen", sagte Merkel in einer kurzfristig angesetzten Stellungnahme. Die Regierung verurteile die Tat aufs Schärfste und setze sich mit aller Kraft für die Freilassung der Deutschen und ihres Fahrers ein.
Der frühere Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung, Bernd Schmidbauer (CDU), rechnet mit Lösegeldforderungen. Bereits seit dem Wochenende arbeitet ein Krisenstab in Berlin unter der Leitung des krisenerfahrenen Staatssekretärs Klaus Scharioth. Sollte es sich tatsächlich um eine politisch motivierte Tat handeln, wäre damit erstmals auch Deutschland in das Visier irakischer Terroristen geraten.
Video dem ARD-Büro in Bagdad übergeben
In der am Montagabend der ARD übergebenen Videoaufzeichnung, von der die "Tagesschau" ein Standbild zeigte, ist eine Frau zu sehen, die neben einem ebenfalls am Boden hockenden Mann kniet. Rechts von den Geiseln stehen zwei vermummte und mit automatischen Gewehren bewaffnete Männer; links ein ebenfalls vermummter Mann mit einer Panzerfaust. Den Geiseln sind die Augen verbunden. Die Frau trägt einen wahrscheinlich deutschen Ausweis an einer Kette um den Hals.
Deutschland im Irak nur wenig engagiert
Im Irak wurden seit dem Ende des Krieges im April 2003 weit mehr als 100 Ausländer entführt, bisher aber keine Deutschen. Im vergangenen Jahr waren zwei deutsche Grenzschutzbeamte als vermisst gemeldet worden, aber wie sich später herausstellte, gerieten sie auf dem Weg von Amman nach Bagdad nahe der Stadt Falludscha in einen Hinterhalt und wurden getötet. Deutschland ist nicht am Irak-Krieg beteiligt gewesen und hat auch keine engeren politischen Kontakte zur Regierung in Bagdad. Es werden lediglich irakische Polizisten von deutschen Experten außerhalb des Landes ausgebildet. Ansonsten beschränken sich die Beziehungen beider Länder auf wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit.
Am Wochenende waren im Irak vier weitere westliche Ausländer von Unbekannten verschleppt worden. Dabei handelte es sich um zwei kanadische, einen amerikanischen und einen britischen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, wie ihre Regierungen bestätigten. Die vier Helfer hatten sich am Samstag in einer als gefährlich geltenden Gegend von Bagdad aufgehalten. (stl/arn)