Deutsche Inflationsrate steigt im Juni auf 6,4 Prozent
29. Juni 2023Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juni nach drei Rückgängen in Folge erstmals wieder gestiegen. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 6,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Im Mai war die Inflationsrate auf 6,1 Prozent gesunken, im April auf 7,2 und im März auf 7,4 Prozent. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten für diesen Monat mit einem Anstieg auf 6,3 Prozent gerechnet. Von Mai auf Juni erhöhten sich die Lebenshaltungskosten um 0,3 Prozent.
"Die im Vorjahresvergleich gemessene Inflation wäre im Juni deutlich gefallen und nicht gestiegen, wenn vor einem Jahr nicht der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket eingeführt worden wären", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Die Juni-Zahlen unterbrechen nur den Abwärtstrend der Inflation, markieren aber noch nicht sein Ende."
Ökonom: "Anstieg sollte nicht überbewertet werden"
Das sieht auch Ökonom Salomon Fiedler von der Berenberg Bank so: "Während die Inflation natürlich weiterhin viel zu hoch ist, sollte dieser Anstieg nicht überbewertet werden", sagte er. Haupttreiber seien Basiseffekte aufgrund der zeitlich begrenzten staatlichen Hilfsmaßnahmen - insbesondere 9-Euro-Ticket und Tankrabatt.
Die Bundesregierung hatte von Juni bis August 2022 wegen der infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine stark gestiegenen Energiepreise einen Tankrabatt eingeführt, der Benzin und Diesel billiger machte. Zugleich wurde für 90 Tage im ÖPNV ein Ticket für neun Euro pro Monat eingeführt, dessen Nachfolger - das Deutschlandticket - mit 49 Euro deutlich teurer ist.
Nahrungsmittel, Dienstleistungen und Energie sind Preistreiber
Energie kostete im Juni durchschnittlich 3,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (Mai: plus 2,6 Prozent) Prozent. Nahrungsmittel verteuerten sich zwar mit 13,7 Prozent erneut deutlich, allerdings nicht mehr so stark wie im Mai mit 14,9 Prozent. Dienstleistungen kosteten im Schnitt 5,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (Mai: plus 4,5 Prozent).
Für die zweite Jahreshälfte rechnen die meisten Analysten mit einer Entspannung bei den Preisen. So dürften sich die gesunkenen Preise für Gas und Öl "zunehmend auch in den Strompreisen widerspiegeln", sagte BayernLB-Chefökonom Jürgen Michels. "Über den Sommer rechnen wir auch mit einem stärkeren Rückgang der Lebensmittelpreise."
Experten rechnen mit Entspannung
Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt es strikt ab, im Kampf gegen die Inflation die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder in anderen Bereichen zu senken - wie etwa in Spanien geschehen. "Ich bin nicht Ihrer Meinung, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer die Inflation dauerhaft bekämpft. Man muss sie später wieder anheben, dann geht es wieder nach oben", sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger". "Deshalb sage ich ausdrücklich: Das ist nicht der Weg, wie das funktioniert." Die Regierung versuche vielmehr, Lieferketten wieder zu sichern und die Energiepreise zu senken.
Die seit Monaten hohe Teuerung ist eine Belastung für Verbraucher. Sie zehrt an ihrer Kaufkraft, die Menschen können sich für einen Euro weniger leisten. "Nach wie vor hohe Inflationsraten knabbern spürbar an der Kaufkraft der Haushalte und verhindern, dass der private Konsum seinen positiven Beitrag leisten kann", sagte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl. Der Privatkonsum ist eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur.
Weniger Konsum in Deutschland
Die Furcht vor einer weiter steigenden Inflation und vor einer Rezession in der Wirtschaft - also einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung - ließ die Stimmung der Verbraucher in Deutschland der GfK zufolge zuletzt wieder sinken.
Nach einer Mitte Juni veröffentlichten Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentralen schränken sich viele Menschen wegen hoher Preise ein. Beim Energieverbrauch sparen demnach 76 Prozent nach 78 Prozent bei der Erhebung vor einem Jahr. Mit Besuchen in Bars und Restaurants halten sich zurzeit 61 Prozent zurück nach zuvor 53 Prozent. Bei Urlaub und Reisen sparen demnach 56 Prozent nach zuvor 50 Prozent.
ul/dk (rtr, dpa)