Mesale Tolu fordert Freilassung und Freispruch
11. Oktober 2017"Ich fordere meine Freilassung und meinen Freispruch", sagte Tolu am ersten Verhandlungstag vor dem Gericht in Silivri bei Istanbul. "Ich habe keine der genannten Straftaten begangen und habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen", so die 32-Jährige laut ihrer Verteidigung.
Tolu gehört zu 18 Angeklagten, denen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen werden. Ihr drohen nach Angaben ihrer Anwältin Kader Tonc bis zu 20 Jahre Haft. Tolu kritisierte, dass sie seit mehr als fünf Monaten ohne Urteil in Istanbul in Untersuchungshaft gehalten werde. Auch ihr Ehemann sei in Untersuchungshaft.
Gewaltsame Festnahme
"Deswegen lebt mein Sohn, der eigentlich in den Kindergarten gehen müsste, seit fünf Monaten mit mir im Gefängnis", sagte sie. Der Junge ist mit seiner Mutter im Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy untergebracht. Die aus Ulm stammende Journalistin mit türkischen Wurzeln kritisierte zudem die Umstände ihrer Festnahme am 30. April, als Anti-Terror-Polizisten ihre Wohnung in Istanbul stürmten. "Die Spezialeinheit der Polizei hat nicht nur die Waffe auf meinen Sohn gerichtet, sondern sie haben mich auch noch vor den Augen meines Kindes gewaltsam festgenommen."
Wie Tolus Anwältin Ezgi Gungordu mitteilte, lasten die Ankläger der Journalistin unter anderem die Teilnahme an Gedenkfeiern für Aktivisten an, die in Syrien ums Leben gekommen sind. Belastet wird Tolu zudem von einem anonymen Zeugen.
Tolus Vater kritisiert Bundesregierung
Die Bundesregierung fordert die Freilassung Tolus und zehn weiterer Deutscher, die derzeit in der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert sind. "Vor allem muss es jetzt schnell gehen, damit Mesale Tolu möglichst bald frei kommt und wieder nach Deutschland zurück kehren kann", sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel der "Bild"-Zeitung. Die Bundesregierung tue weiterhin "alles, um Mesale Tolu auch in dieser schwierigen Phase den Rücken zu stärken." Tolus Vater Ali Riza Tolu sagte vor Prozessbeginn, er sei "enttäuscht" von der Bundesregierung. Er habe sich mehr Einsatz für seine Tochter erhofft.
Die Linken-Fraktionsvize Heike Hänsel, die nach eigenen Angaben die Verhandlung als einzige Bundestagsabgeordnete vor Ort beobachtet, bezeichnete das Verfahren gegen Tolu als "Schauprozess". Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, sagte, es sei zu befürchten, dass die Inhaftierten in der Türkei kein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren erwarte. In weiten Teilen der türkischen Justiz herrsche ein "Klima der Angst".
uh/myk (dpa, afp, epd)