Deutsche Konzerne auf Aufholjagd
13. Januar 2013Deutschlands Großkonzerne sind im internationalen Vergleich auf dem Vormarsch - zumindest, was den Börsenwert angeht. Fand sich im Jahr 2010 nur der Siemens-Konzern unter den Top 100 der weltweit wertvollsten Konzerne, so sind es jetzt nach Berechnungen des Handelsblatts schon fünf: Siemens, VW, SAP, Bayer und BASF.
Für Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft ist das kein Zufall: "Siemens in der Investitionsgüter- und Elektrotechnik-Branche, BASF und Bayer im Chemiebereich und VW bei den Automobilen - das sind die Traditionsbranchen, die schon jahrzehntelang die Basis des deutschen Exporterfolgs dargestellt haben", sagte Matthes im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Allerdings hatten die Unternehmen in den 90er Jahren größere Schwierigkeiten, sie mussten sich restrukturieren, und das haben sie offenbar recht erfolgreich getan."
Hoher Exportanteil
Auffallend ist: Deutschlands Konzerne, die jetzt in der Top-100-Liste auftauchen, haben im Schnitt einen Exportanteil von rund 75 Prozent. Das macht sie weniger anfällig für Konjunkturschwankungen, sagt Trudbert Merkel, Leiter Aktien Deutschland bei der Deka Investment. "Der deutsche Export hat im vergangenen Jahr ein neues Rekordniveau erreicht. Die Exporte nach Übersee haben die etwas schwächeren Exporte nach Euroland mehr als kompensiert - und das ist genau diese gute globale Aufstellung der deutschen Industrieunternehmen."
Die Exportorientierung und globale Aufstellung ist aber nur eine Ursache für den Aufstieg deutscher Konzerne im internationalen Vergleich. Bei der Handelsblatt-Liste geht es weder um Eigenkapital oder Ertragskraft der Unternehmen, sondern schlicht um den Börsenwert, also Anzahl der Aktien mal Kurswert. Und der kann sich in fünf Minuten ändern. Das haben die Banken nach der Finanzkrise 2008 leidvoll erfahren müssen. Das hat auch der finnische Handyhersteller Nokia erfahren müssen, einst wertvollster europäischer Konzern und jetzt ungefähr so viel wert wie der Düsseldorfer Waschmittel- und Klebstoffhersteller Henkel.
Investoren kommen zurück
Deutsche Aktien dagegen sind jetzt wieder gefragt, nachdem die ausländischen Investoren sie lange Zeit links liegen gelassen haben. "Die waren unterinvestiert, die wollten keine Euro-Anlagen, aber die kehren jetzt zurück", sagt Aktienstratege Merkel der DW. "Deutsche Unternehmen sind insgesamt sehr robust, wenn man das im internationalen Vergleich sieht. Das ist keine Eintagsfliege. Sie werden bei der Börsenbewertung noch weiter vorankommen."
Dafür spricht, dass deutsche Aktien immer noch chronisch unterbewertet sind, wenn man ihren Kurswert auf ihre Gewinne bezieht: "Eine BASF-Aktie ist mindestens ebenso gut wie Dupont oder Dow Chemical", so Merkel. "Es gibt überhaupt keinen Grund für so einen großen Abschlag gegenüber amerikanischen Chemieunternehmen. Und das können Sie praktisch durch den gesamten Kurszettel durchdeklinieren."
Der Computerhersteller Apple führt übrigens die Top-100 Liste des Handelsblatts an, unter den ersten zehn sind sieben amerikanische Konzerne, Volkswagen steht als wertvollster deutscher Konzern auf Platz 58. Wenn man bedenkt, dass Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ein internationales Schwergewicht ist, dann sind fünf Plätze unter den Top-100 doch recht mager.
Stärken liegen im Mittelstand
Für Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft ist das allerdings weder ein Zufall noch besonders tragisch: "Der Erfolgsfaktor der deutschen Wirtschaft ist der breite und gut aufgestellte Mittelstand. Da sind viele Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt. Sie sind Marktführer in kleinen Nischen. Sie liefern hohe Qualität, sind oft Innovationsführer." Die heimlichen Weltmeister seien es, die Deutschland groß gemacht hätten, sagt Matthes, und nicht die großen Namen wie Porsche oder Mercedes: "Sie bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, machen aber weniger Schlagzeilen."
Trudbert Merkel, Leiter Aktien Deutschland bei der Deka Investment, hat noch eine andere Erklärung, weshalb deutsche Unternehmen auf den Börsenzetteln im Vergleich zum Gewicht der gesamten deutschen Volkswirtschaft unterrepräsentiert sind: "Die Aktienkultur ist nicht besonders entwickelt ist in Deutschland. Nur sieben Prozent der deutschen Bevölkerung hat Aktien, in Amerika sind es 25 bis 30 Prozent."
Die inländische Aktionärsbasis sei so gering, dass man durchaus von einem strukturellen Handicap, einem Nachteil für den Standort Deutschland sprechen könne, so Merkel. "Gerade was Eigenfinanzierung über die Börse angeht, haben es deutsche Unternehmen ungleich schwerer. Das ist ein Punkt, über den sich auch die Politik mal Gedanken machen sollte."