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Deutsche Regierung plant strengere Sicherheitsgesetze

Marcel Fürstenau, Berlin8. Juli 2006

Trotz friedlicher WM und ungeachtet aller BND-Affären und -Skandale will die Bundesregierung die Macht der Geheimdienste stärken. Die Opposition kritisiert die Pläne.

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Überwachung soll ausgedehnt werdenBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Die große Koalition aus Sozialdemokraten und Union (CDU/CSU) plant, die zeitlich befristeten Anti-Terror-Gesetze zu verlängern und die Befugnisse der Geheimdienste auszuweiten. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll nach der parlamentarischen Sommerpause ins Parlament eingebracht werden. Auslöser für das 2002 in Kraft getretene Terrorismus-Bekämpfungsgesetz, wie es offiziell heißt, waren die Terror-Anschläge auf das World Trade Center in New York. Wenige Monate später erhielten die Verfassungsschützer unter anderem Zugriff auf Daten von Fluggesellschaften, Banken sowie Post- und Telekommunikationsunternehmen.

Sollten die Pläne der Regierung und der sie tragenden Fraktionen im Bundestag verwirklichlicht werden, was angesichts der Mehrheitsverhältnisse wahrscheinlich ist, hätte das zwei wesentliche Folgen: Die bis Ende dieses Jahres befristeten Anti-Terror-Gesetze würden um fünf Jahre verlängert. Zudem profitierten davon künftig neben dem Verfassungsschutz der Bundesnachrichten-Dienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD).

Verfassungsschutz Bericht 2005 Wolfgang Schäube
Bundesinnenminister Wolfgang SchäubleBild: AP

Europaweit verdeckt arbeiten

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble rechtfertigt die Pläne auch mit dem bisherigen Verlauf der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, die er gerne mit Hilfe der Bundeswehr geschützt hätte. Dazu wäre allerdings eine Verfassungsänderung nötig gewesen: "Auch wenn wir in den letzten Wochen glücklich darüber sind, dass in Sachen Sicherheit alles gut gelungen ist, darf das ja nicht heißen, dass wir uns nicht mehr um Sicherheit kümmern. Sondern, dass wir den Schluss ziehen, auch in Zukunft das Menschen mögliche zu tun, damit wir alle friedlich, sicher und fröhlich zusammenleben können."

Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, sollen deutsche Nachrichtendienste künftig Personen im so genannten Schengener Informations-System (SIS) zur europaweiten verdeckten Registrierung ausschreiben können. Zudem sollen die Auskunftspflichten von Banken, Post- und Telekommunikationsunternehmen sowie Fluggesellschaften gegenüber den Nachrichtendiensten zur Anti-Terror-Bekämpfung auf "verfassungsfeindliche Bestrebungen" im Inland ausgeweitet werden.

Eingriff in Grundrechte

Der Opposition gehen diese Pläne zu weit, auch den Grünen, die vor fünf Jahren als Regierungspartner der Sozialdemokraten die geltenden Anti-Terror-Gesetze ermöglicht hatten. Der Parlamentarische Geschäftsführer, Volker Beck, verteidigt diese Entscheidung gegen den Vorwurf, die Grünen hätten der Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten den Weg geebnet: "Wir haben ausdrücklich gesagt, bestimmte Eingriffe in Grundrechte kann man rechtfertigen, wenn sie der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dienen, angesichts der Gefährlichkeit, über die wir hier reden."

Was die amtierende Koalition jedoch plane, sei ein "sicherheitspolitischer Dammbruch", weil die Gesetze nicht mehr nur auf den internationalen Terrorismus zielten. Becks Fraktions-Kollege Wolfgang Wieland befürchtet, die Ausweitung der geplanten Gesetze auf verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland werde die Kontrolle der Geheim-Dienste weiter erschweren: "Was wir immer sehen, und das muss man vor Augen haben, ist das Eigenleben der Geheimdienste und wie sehr sie immer über ihre Grenzen hinausgehen - gerade weil die Kontrolle so schwierig ist."

Wieland wirft der Koalition zudem vor, die Anti-Terror-Gesetze nicht seriös evaluiert, also auf ihre Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit hin überprüft zu haben. Es seien keine Sachverständigen oder Menschenrechts-Gruppen gehört worden. Die Ergebnisse blieben unter Verschluss. Diesen Vorwurf erhebt auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen, Jörg van Essen. Der FDP-Politiker kritisiert zudem internationalen Daten-Missbrauch. Dabei habe doch gerade erst der Europäische Gerichtshof auf die Unrechtmäßigkeit der Übermittlung von Fluggast-Daten an die USA hingewiesen.

Essen prüfen

Das hatte unter anderem dazu geführt, dass Ess-Gewohnheiten der Passagiere kontrolliert wurden: "Die Gründe, warum sie ein bestimmtes Essen wählen, können tausendfach sein. Und deshalb sind sie kein Hinweis beispielsweise darauf, dass Sie einer terroristischen Vereinigung angehören oder nicht. Und daher ist eine ernsthafte Prüfung angezeigt. Und nicht das, was wir schon vorausgesagt haben: das weitere Verlängern der Gesetze, ohne dass man Änderungen vornimmt. Das kann nicht die richtige Antwort sein."

Bessere Antworten verspricht sich die Opposition von einer Anhörung im Bundestag. Auch rechtliche Schritte gegen die geplanten neuen Anti-Terror-Gesetze werden nicht ausgeschlossen.