Deutsche Schüler werden langsam besser
3. November 2005Die Bildungsanstrengungen seit der ersten Pisa-Studie zeigen in Deutschland erste Früchte. Seit 2000 konnten 15-jährige Schüler in den meisten Bundesländern ihre Leistung zum Teil deutlich verbessern. Nach wie vor bestehen aber erhebliche Leistungsabstände zwischen den Ländern, große Leistungsunterschiede unter den Schülern sowie eine starke Koppelung zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen. Das geht aus dem zweiten Ländervergleich von Pisa für das Jahr 2003 hervor, den Studienleiter Manfred Prenzel und die Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag (3.11.2005) in Berlin vorstellten.
Demnach liegen nur noch wenige Bundesländer in mehreren Teilbereichen unter dem OECD-Durchschnitt, so etwa Bremen, Hamburg und Berlin. Sieben Länder liegen in allen Kompetenzbereichen im Durchschnitt oder darüber. Bayern, das schon vor drei Jahren Klassen-Primus war, schaffte den Anschluss an die Pisa-Weltspitze. Bei den erstmals erhobenen Problemlösungskompetenzen liegen fast alle Länder im oder sogar über dem internationalen Durchschnitt. Berichte, nach denen das Schulsystem bei der Bildungsgerechtigkeit im Vergleich zum ersten Test deutlich schlechter geworden sei, wies Prenzel energisch zurück. Er bemängelte vor allem die hohe Zahl leistungsschwacher Schüler. Ihr Anteil liegt zwischen 12 und 30 Prozent. Nach seinen Angaben führt auch Sitzenbleiben nicht zu besseren Leistungen. Entscheidend sei hingegen frühzeitige individuelle Förderung schwacher Schüler.
Einwandererkinder benachteiligt
"Die vorgelegten Befunde zeigen, dass der Anteil der Schüler, die am Ende der Pflichtschulzeit in den untersuchten Kompetenzbereichen schwache Leistungen aufweisen, nach wie vor zu groß ist", sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Johanna Wanka, bei der Vorstellung der Studie. Die Förderung Schwacher bleibe die größte Herausforderung für die kommenden Jahre. Gemessen an internationalen Maßstäben sei der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungskompetenz nach wie vor zu hoch.
Bei der Beziehung zwischen Migration und Bildungschancen zeigt die Studie ein differenziertes Bild. Als besonders beunruhigend bewertet die KMK, dass Schüler, die in Deutschland in der jeweils ersten Generation von Zuwandererfamilien geboren wurden, über die niedrigsten durchschnittlichen Kompetenzen verfügen. Laut Studie zeigt sich hier, dass die Beherrschung der deutschen Sprache eine grundlegende Voraussetzung für Bildungserfolg ist.
"Es fehlen Visionen"
Die Reform der deutschen Schulen geht nach Worten des OECD-Bildungsexperten Andreas Schleicher langsamer voran als in anderen Industrienationen. "Die Dynamik ist in vielen Ländern stärker ausgeprägt", sagte der PISA-Koordinator der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Donnerstag am Rande einer Bildungstagung in Frankfurt am Main. Die deutsche Bildungspolitik sei "reaktiv". Es fehlten "die großen strategischen Visionen" wie etwa beim PISA-Sieger Finnland. Dennoch sei er optimistisch. Vor allem sei die Bereitschaft zu Veränderungen in den Schulen groß. Schleicher: "Darauf kommt es letztlich an." Die erfolgreichen PISA-Staaten hätten meist Ganztagsschulen und verteilten die Schüler deutlich später als nach der vierten Klasse auf die verschiedenen Schulformen.
Die hohe Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft eines Schülers könnte nicht länger hingenommen werden, sagte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). Der PISA-Bericht mache aber auch deutlich, dass "Verbesserungen möglich sind." Gemeinsam hätten Bund und Länder einiges erreicht. Die Ergebnisse zeigten, dass Bund und Länder auch künftig gemeinsame Verantwortung für die Bildung tragen müssen.
Elternrat fordert bessere Lehrerausbildung
Der Bundeselternrat fordert forderte eine bessere Ausbildung der Lehrer. An den Schulen gebe es zu wenig Lehrer, "die so qualifiziert in Diagnostik ausgebildet sind, dass es ihnen möglich ist, die Schüler in ihren Kompetenzen zu erkennen und entsprechend zu stärken und zu fördern", sagte der Vorsitzende des Bundeselternrates, Wilfried Steinert, am Donnerstag in der ARD.
Die Abkürzung PISA steht für "Programme for International Student Assessment". 41 Nationen hatten an dem weltweit größten Schulleistungstest der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Frühjahr 2003 teilgenommen. Bei den jetzt zur Diskussion stehenden Ergebnissen geht es um die deutsche Sonderauswertung der Testergebnisse und um einen vertieften Bundesländer-Vergleich. (stu)