Deutsche Unternehmen auf Terrorliste
19. Juli 2017Die besagte Liste der vermeintlichen Terrorunterstützer soll dem Bundeskriminalamt (BKA) schon vor vier Wochen zugestellt worden sein. Das berichtet die Wochenzeitung "Die Zeit" in ihrer am Donnerstag erscheinenden Ausgabe.
Demnach stehen auf der Liste die Namen von 68 Unternehmen und Einzelpersonen, die im Verdacht stehen sollen, Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen zu haben. Dieser wird vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan als Drahtzieher hinter dem versuchten Putsch vor einem Jahr vermutet.
Weltkonzerne und Imbissbuden
Wie die "Zeit" berichtet, stehen auf der Liste unter anderem die Weltkonzerne Daimler und BASF, aber auch ein Spätkauf-Imbiss sowie eine Dönerbude in Nordrhein-Westfalen.
Das Innenministerium wollte den Bericht am Mittwoch nicht bestätigen. Die türkische Seite stelle aber regelmäßig Informationen zur Verfügung, sagte ein Sprecher. Dabei gehe es um normale Straftaten, aber auch um die Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen. Dann werde auch geprüft, ob gelistete Personen gefährdet seien.
Neben dieser offiziellen Reaktion werde die Liste in Berliner Regierungskreisen jedoch als "absurd" und "lächerlich" bezeichnet, heißt es in der "Zeit" weiter. Das BKA habe die türkischen Behörden um weiterführende Informationen gebeten, bislang aber keine Antwort erhalten.
Für die Unternehmen könne die Erwähnung auf einer schwarzen Liste aber trotz dünner Beweislage unangenehme Folgen haben. Möglich seien öffentliche Brandmarkung, Boykottaufrufe oder sogar rechtliche Probleme, schreibt die "Zeit".
Der Ton verschärft sich
Der Verdacht der Terrorunterstützung gegen deutsche Firmen ist eine weitere Verschärfung des seit Wochen schwelenden Konflikts zwischen der Türkei und Deutschland.
Anfang Juli hatte Staatspräsident Erdogan gesagt, Deutschland habe 4500 Akten mit Angaben über angebliche Gülen-Anhänger erhalten. Er forderte, dass diese "Terroristen" an die Türkei ausgeliefert werden müssten. "Solange Sie das nicht tun, wird die Türkei Deutschland als Land ansehen, das Terroristen schützt", sagte er in der "Zeit".
Deutsch-türkische Wirtschaftsbeziehungen kriseln
Der politische Streit belastet zunehmend die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Allein im ersten Quartal 2017 brachen die deutschen Exporte in das Schwellenland gegen den Trend um acht Prozent auf 5,1 Milliarden Euro ein, obwohl die deutschen Ausfuhren weltweit insgesamt um 8,5 Prozent zulegten.
Die Importe aus der Türkei stagnierten bei knapp vier Milliarden Euro, während die Einfuhren nach Deutschland insgesamt um zehn Prozent zulegten.
Insgesamt sind 7000 deutsche Firmen in der Türkei vertreten. Kein anderes Land hat so viele Unternehmen vor Ort. Doch immer neue Anschläge, der gescheiterte Putsch vor einem Jahr mit der anschließenden Verhaftungswelle und Menschenrechtsverletzungen vonseiten der Türkei wie im Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel oderder jetzt festgenommenen Menschenrechtler haben dazu geführt, dass viele Unternehmen ihr Türkei-Geschäft auf den Prüfstand stellen. "Sie verlassen zwar nicht das Land, aber sie investieren nicht neu", erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag schon im Frühjahr.
Hinzu kommt, dass immer weniger Touristen Urlaub in der Türkei machen. Nach dem Rekord mit 5,6 Millionen deutschen Besuchern im Jahr 2015 sank die Zahl auf vier Millionen im vergangenen Jahr. Dieser Trend setzte sich nach Angaben des Deutschen Reiseverbands im ersten Halbjahr 2017 fort. Die Tourismusbranche ist für die Türkei sehr wichtig, sie machte 2015 rund 13 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.
mak/qu (dpa, rtr, zeit.de)