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Nicht nur Whale-Watching: auch Deutschland hat viel Walfang-Erfahrung

24. Juni 2010

Schon im 17. Jahrhundert zogen deutsche Walfänger ins Nordmeer. Im 20. Jahrhundert wurde Deutschland sogar kurzfristig drittgrößte Walfangnation der Welt. Das lag auch an der Fettkrise nach dem Ersten Weltkrieg.

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Ein Buckelwal springt aus dem Wasser (dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa
Das historische Bild zeigt den Walfang um 1700 vor Spitzbergen (Foto: www.schmidt-fluke.de)
Walfang vor SpitzbergenBild: www.schmidt-fluke.de

Die Holländer waren die ersten, die im 17. Jahrhundert Walfang-Expeditionen nach Spitzbergen unternahmen. Auch Deutsche von den norddeutschen Küsten und Inseln, die als gute Navigatoren bekannt waren, heuerten bei ihnen an. Später wurden auch deutsche Schiffe zum Walfang ausgerüstet. Damals jagte man die Meeresriesen am Rand des Eises in der Arktis.

Die Fangtechnik blieb Jahrhunderte lang gleich. Man ruderte den Walen auf Fangbooten hinterher und stieß Harpunen mit Leinen in die riesigen Körper. Die Wale zogen ihre Fangmannschaften hinterher. "Wenn der Wal erschöpft war, konnte man sich mit der Leinenverbindung heranziehen, und dann wurde das Tier mit etwa zwei Meter langen Lanzen erstochen", erzählt der deutsche Walfang-Historiker Klaus Barthelmess. "Das war eine blutige Angelegenheit, die sich selten in weniger als 20 bis 30 Minuten erledigen ließ."

Tausende gingen auf Walfang-Tour

Der Walfanghistoriker Klaus Barthelmess zeigt im Deutschen Meeresmuseum in Stralsund ein aus einem Wal-Knochen im 19. Jahrhundert angefertigtes Cribbage-Brett. Cribbage entstand im England des 17. Jahrhunderts und ist bis heute eines der beliebtesten Kartenspiele der englischsprachigen Welt (lmv)
Historiker Klaus Barthelmess mit einem aus Wal-Knochen angefertigten SpielbrettBild: picture alliance / dpa

Historiker Barthelmess hat viele Zeugnisse der deutschen Walfang-Zeit studiert und gesammelt. Er geht davon aus, dass der Walfang gerade auf den friesischen Inseln sehr beliebt war: "Wenn Onkel, Vater und andere auf Walfang wollten, dann wollten die Jungs natürlich auch mit. Sie fingen dann teilweise schon im Alter von 11 Jahren an, auf Walfang zu fahren."

Einige tausend Jungen und Männer, so schätzt man heute, zogen damals von Deutschland aus zum Arktis-Walfang. Dabei konnte die Jagd auf Wale manchmal auch sehr gefährlich werden.

"Mann über Bord"

Hamburger Walfänger in der Arktis (Foto: Sammlung Klaus Barthelmess)
Hamburger Walfänger in der ArktisBild: Walfangsammlung Klaus Barthelmess

Walfang-Geschichten wurden häufig über Jahrhunderte hinweg überliefert. Eine "Mann über Bord"-Geschichte von 1660 zum Beispiel wurde noch im 18. Jahrhundert in einem Bericht über die "Jagd auf den großen Fisch" ausführlich nacherzählt: Wie der Harpunier Jakob kenterte, weil der auftauchende Wal mit dem riesigen Kopf sein Boot zertrümmerte und wie der Walfänger auf den Schwanzansatz des Walfischs geschleudert wurde. Laut Bericht wurde der Harpunier gerettet, der Wal bei einer späteren Jagd doch noch getötet.

Bis heute gibt es auf den Nordsee-Inseln wie Föhr, Borkum und Amrun Gräber deutscher Walfänger, Zäune aus Walkiefern und andere Erinnerungsstücke.

Großes Interesse an Wal-Produkten

Schaubild eines Wals mit Beschreibung sämtlicher Produkte, die aus dem Tier gewonnen werden konnten (Foto: Hannes Grobe)
Was alles aus einem Wal gemacht werden kann

Obwohl die deutsche Walfängerei im 19. Jahrhundert zurückging, blieben deutsche Unternehmer am Walfang interessiert. Denn Wal-Produkte fanden immer noch guten Absatz. Historiker Barthelmess berichtet, dass sich Deutsche in den 1860er und 70er-Jahren auf einer Walfangstation in der Nähe des Nordkaps engagierten, wo die moderne Walfangtechnologie mit Fangdampfern und Harpunenkanonen entwickelt wurde.

Steinzeug-Topf mit blauer Aufschrift Margarine (Foto: Walfangsammlung Klaus Barthelmes)
Margarine enthielt bis zu 70 Prozent gehärtetes WalölBild: Walfangsammlung Klaus Barthelmess

Auch im 20. Jahrhundert, nach der Fett-Versorgungskrise des Ersten Weltkriegs, trugen die Deutschen stark zur Jagd auf die Wale bei. "Die Deutschen waren schon in der Weimarer Zeit die weltgrößten Importeure von Walöl aufgrund der sehr starken Margarine-Industrie in Deutschland", so Barthelmess. "Die zweite starke Nachfrage kam von der Seifenindustrie für Waschmittel und dergleichen, da war die Düsseldorfer Firma Henkel einer der wichtigsten Nachfrager."

Als die Norweger im Sommer 1935 die Wal-Ölpreise beinahe verdoppelten, fiel dann die Entscheidung, eigenen Walfang unter deutscher Flagge aufzunehmen.

Drittgrößte Walfang-Nation

Sieben deutsche Flotten gingen von 1936 bis 1939 auf Walfang in der Antarktis, auch die Firma Henkel rüstete Schiffe aus. Deutschland wurde zur drittgrößten Walfangnation der Welt. In diesen drei Vorkriegsjahren wurden rund 18.000 Wale von deutschen Fangschiffen erlegt oder auf deutsche Rechnung gefangen und verarbeitet.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Walfang-Schiffe dann fürs Militär beschlagnahmt.

Deutsche Walfänger unter fremder Flagge

Gefangene Wale vor Panama-Fangschiffen - unbekannter Photograph (Foto: Walfangsammlung Klaus Barthelmess)
Walfang in den 1950er-JahrenBild: Walfangsammlung Klaus Barthelmess

Nach Kriegsende 1945 gab es keine Walfängerei mehr unter deutscher Flagge, wohl aber deutsche Walfänger, die für den griechischen Reeder Aristoteles Onassis auf Walfang gingen. Rund 22.000 Wale verarbeiteten sie in den 1950er-Jahren auf dem Walfangmutterschiff Olympic Challenger unter Panamaflagge.

Einige Deutsche halfen auch später noch beim Aufbau der Walfängerei in Chile und Peru mit.

Vom Walfang zum Whale-Watching

Heutzutage kennen die Deutschen Walfang nur aus einem anderen Zusammenhang. Deutsche Umweltaktivisten engagieren sich gegen den Walfang, Tierschützer protestieren gegen brutale Fangmethoden. Die meisten Deutschen lernen Wale nur noch beim Whale-Watching im Urlaub kennen.

Auch diese Wahlbeobachtung ist übrigens nicht etwas ganz Neues: 1966 paddelte wochenlang ein verirrter weißer Pottwal durch den Rhein und begeisterte die Menschen. Sie nannten den Wal Moby Dick und freuten sich außerordentlich, als das verirrte Tier zurückfand in die Freiheit im offenen Meer.

Autorin: Andrea Grunau

Redaktion: Kay-Alexander Scholz