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PolitikAfrika

Deutscher Afrika-Preis 2020 geht ans Horn von Afrika

19. Oktober 2020

Die somalisch-kanadische Friedensaktivistin Ilwad Elman wird mit dem Deutschen Afrika-Preis 2020 geehrt. Bundesaußenminister Heiko Maas soll den Preis der Deutschen Afrika Stiftung am 27. Oktober in Berlin übergeben.

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USA Ilwad Elman
Bild: Getty Images for BET/E. Gibson

Obwohl erst 30 Jahre alt, sei Ilwad Elman bereits eine führende Stimme im somalischen Friedensprozess und international gefragte Expertin für Konfliktlösung, begründete die Stiftung ihre Wahl Elmans aus etwa 30 Kandidatinnen und Kandidaten. 

In Somalia geboren, musste Ilwad Elman bereits als Zweijährige an der Seite ihrer Mutter aus dem Land fliehen und wuchs in Kanada auf. Ihr Vater Elman Ali Ahmed, ein Elektroingenieur, hatte im bürgerkriegsgeplagten Somalia bereits ein Rehabilitions- und Berufsbildungsnetzwerk für Kindersoldaten und Waisen aufgebaut und blieb im Land zurück.1996 wurde er ermordet.

Das Erbe des Vaters

Dennoch entschied sich die 19-jährige Elman 2010, das Werk ihres Vaters gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Schwestern vor Ort gegen alle Widerstände fortzuführen und auszubauen. Binnen zehn Jahren baute sie gemeinsam mit ihrer Mutter Fartuun Adan das Elman Peace Center auf - ein effizientes Netzwerk mit heute 172 Mitarbeitern und acht regionalen Filialen. "Ich freue mich sehr über die Anerkennung aus Deutschland", sagte Ilwad Elman der Deutschen Welle in einer ersten Reaktion. "Der Preis ist eine große Ermutigung für unser Team. Er ist wichtig, weil gerade Deutschland in vielen Projekten für uns ein verlässlicher und nachhaltiger Partner ist".

Bei ihrer Rückkehr aus Kanada 2010 fand sie sich inmitten eines zerrütteten und gescheiterten Staats wieder, der der grassierenden humanitären Krise kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Weite Teile des Landes und auch der Hauptstadt Mogadischu wurden von der fundamentalistischen Al-Shabaab-Miliz beherrscht. Ilwad Elman sah nicht nur das Vermächtnis ihres Vaters bedroht, sondern erkannte auch viele andere gravierende Fehlentwicklungen. "Gewalt gegen Frauen und Mädchen war an der Tagesordnung, Kinderehen gesellschaftlich akzeptiert. Die konservative somalische Gesellschaft tolerierte das, die politische Elite hat es sogar offen geleugnet."

Stark für Jobs und gegen Straffreiheit

Das Fundament ihres Vaters, der sich vor allem der Resozialisierung von Kindersoldaten und Bürgerkriegswaisen gewidmet hatte, baute sie gemeinsam mit ihrer Mutter gezielt aus. Ilwad Elman verantwortet unter anderem das viel beachtete Bildungsprogramm "Drop the gun, pick up the pen, ("Legt die Waffen nieder, greift zum Füller"), das bereits Tausenden Jugendlichen eine Rückkehr ins zivile Leben geebnet hat. Das Programm, das neben modernen Therapiemethoden auch kostenlose Handwerkerlehren umfasst, ist wegen seines Erfolgs und innovativer Finanzierungsmodelle mittlerweile auf Mali und die gesamte Tschadsee-Region ausgeweitet worden.

Somalia Mogadischu Elman Peace and Human Rights Centre
Elman Peace setzt sich dafür ein, Frauen bessere Perspektiven zu geben und sexuelle Gewalt zu ächtenBild: Carl de Souza/AFP/Getty Images

Mit ihrer Organisation "Sister Somalia" schuf Elman zudem die erste Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt in Somalia. Dass sich dort täglich bis zu 40 vergewaltigte Frauen melden, zeigt, wie dramatisch die Lage ist. Ihre Lobbyarbeit blieb nicht erfolglos: So verabschiedete das Kabinett 2018 zum ersten Mal in der Geschichte Somalias ein Gesetz, das sexuelle Gewalt unter Strafe stellt. Allerdings wird es seither vom Parlament verschleppt und soll aktuell durch eine deutlich abgeschwächte Variante ersetzt werden, die Kritiker als Verhöhnung der Opfer bewerten.

"Ein anderes Somalia"

Im Privaten musste Ilwad Elman vor wenigen Monaten einen besonders tragischen Schicksalsschlag hinnehmen. Im November wurde ihre Schwester Almaas unter ungeklärten Umständen in Mogadischu erschossen - angeblich von einer verirrten Kugel. Die Ermittlungen scheinen im Sande zu verlaufen, womöglich wird der Mörder nie gefasst. Dennoch hätten sich ihre Mutter und sie nach reiflicher Überlegung entschlossen, in Somalia zu bleiben, sagte Elman der DW. "Unsere humanitäre Arbeit für Frieden, Versöhnung und Chancengleichheit fortzusetzen, ist für uns der beste Weg, Almaas' Vermächtnis zu ehren". Ihr sei sehr bewusst, dass sie eine Vorbildrolle habe. "Somalia ist ein junges Land, drei Viertel der Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre. Und die meisten meiner Follower sind Mädchen und junge Frauen. Sie wollen in einem anderen Somalia leben und eine Zukunft haben".

Somalia Mohamed Abdullahi Farmajo
Ein Gesetzentwurf gegen sexuelle Gewalt wurde von Präsident Mohamed Abdullahi Farmajos Kabinett ins Parlament eingebrachtBild: Getty Images/AFP/M. Haji Abdinur

Längst ist Ilwads Expertise auch außerhalb des Horns von Afrika gefragt. Sie ist eines von zehn Mitgliedern der "Extremely Together Initiative" der Kofi Annan Foundation, die gewalttätigen Extremismus bekämpft, seit 2018 war sie zudem für zwei Jahre als jüngste Beraterin des Peacebuilding-Fonds der Vereinten Nationen tätig. Die Afrikanische Union wählte sie im gleichen Jahr zur "inspierendsten jungen Frau Afrikas"; 2019 wurde sie von den Africa Youth Awards zu den 100 einflussreichsten jungen Afrikanern gezählt, mehrfach für den Friedensnobelpreis gehandelt. 

Der Deutsche Afrika-Preis

Zu den bisherigen Ehrungen tritt jetzt die Auszeichnung durch die Deutsche Afrika Stiftung. Seit 1993 vergibt sie den Deutschen Afrika-Preis an herausragende Persönlichkeiten des afrikanischen Kontinents, die sich für Demokratie, Frieden, Menschenrechte, Kunst und Kultur, soziale Marktwirtschaft und gesellschaftliche Belange einsetzen. Wenngleich undotiert, gilt der Afrika-Preis als höchste Auszeichnung seiner Art in Deutschland. Die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger erfolgt durch eine unabhängige Jury und soll zu einem differenzierten Afrikabild beitragen. Im vergangenen Jahr wurde die kenianische IT-Pionierin und Sozialunternehmerin Juliana Rotich geehrt. Weitere Preisträger sind Botsuanas Ex-Präsident Ketumile Masira, das somalische Ex-Model Waris Dirie und der tunesische Gewerkschaftsführer Houcine Abassi. Die Deutsche Afrika Stiftung wird vom Auswärtigen Amt gefördert.

Juliana Rotich - Kenias digitale Pionierin