Kameruns Frauen kämpfen für den Frieden
30. November 2023Es ist das Beginn eines neuen Schuljahres in Kamerun. Hier, im Norden, in einem Dorf Namens Mokolo, strömen Schüler und Schülerinnen in die Klassenräume. Auch Anwältin und Frauenrechtsaktivistin Marthe Wandou ist da, um mit den Klassen zu sprechen.
Wandou ist Mitglied der "Ersten Nationalen Frauen-Konvention für Frieden in Kamerun", die sich für eine Lösung des Konflikts in Kamerun einsetzt. Für ihre Bemühungen verleiht die Deutsche Afrika Stiftung der Frauen-Konvention den diesjährigen Afrika-Preis 2023. Die Bewegung setzt sich zusammen aus 77 Frauenorganisationen und -netzwerken, die alle 10 Regionen und das gesamte Spektrum der Frauen in der kamerunischen Gesellschaft vertreten.
Mehrere Krisen im Land
Kamerun ist von Krisen zerrissen: Seit 2017 kämpfen Separatisten-Gruppen für die Unabhängigkeit der englischsprachigen Gebiete im Nordwesten und Südwesten des Landes. Mindestens 6000 Menschen sind nach Angaben der International Crisis Group in dem Konflikt gestorben, die Vereinten Nationen schätzen, dass mehr als 700.000 Menschen im eigenen Land vertrieben wurden. Zusätzlich verübt die islamistische Boko-Haram-Miliz im Norden Anschläge, im Osten Rebellen aus der benachbarten Zentralafrikanischen Republik. Wer leidet, sind vor allem Mädchen und Frauen.
Die Frauen-Konvention fordert unter anderem einen sofortigen Waffenstillstand und die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Regierung und Separatisten. Frauen sollten an den Verhandlungen beteiligt werden. Auch die psychosoziale Betreuung von Kriegsopfern muss ihrer Ansicht nach gefördert werden.
Neben ihrer Arbeit für die Konvention engagieren sich die Frauen in vielen verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Drei von ihnen nehmen den Preis stellvertretend in Empfang.
Marthe Wandou liegen vor allem die Schülerinnen am Herzen: Nicht alle Eltern lassen ihre Mädchen in Kamerun zur Schule gehen. "Mein Traum ist es, dass jedes Mädchen und jeder Junge die Möglichkeit hat, bis zu dem Niveau zur Schule zu gehen, das sie wollen", so Wandou.
Ein großes Problem: Kinderehen. Nach Angaben von UNICEF werden mehr als 30 Prozent der kamerunischen Mädchen vor dem Alter von 18 Jahren verheiratet. Wandou versucht, Mädchen und junge Frauen zu überzeugen, wieder zur Schule zu gehen oder einen Beruf zu erlernen. Aber dafür muss sie erst die Eltern für sich gewinnen. "Aus kulturellen Gründen sagen die Leute, dass ein Mädchen, das zur Schule geht, keine gute Frau sein kann", erzählt Wandou.
Der Kampf gegen Boko Haram
Nicht nur kulturelle und religiöse Werte schränken die Frauen ein, sondern auch die Bedrohung durch Boko Haram. Die 21-jährige Aisha wurde 2016 mit ihrer gesamten Familie von der islamistischen Terrorgruppe verschleppt und gezwungen, einen Kämpfer zu heiraten. "Frauen werden grundlos geschlagen und ständig vergewaltigt", erzählt sie der DW. "Einige heiraten, um wenigstens ein Minimum an Schutz zu haben, ansonsten gibt es dort nichts, was einer Ehe im eigentlichen Sinne des Wortes ähnelt. Alle Boko-Haram-Kämpfer haben das Recht, mit jeder Frau im Lager Sex zu haben. Frauen werden so vergewaltigt, dass sie nicht mehr laufen können. Wenn ihr Mann stirbt und sie nicht innerhalb von 24 Stunden bereit sind, einen anderen Mann zu heiraten, werden sie sofort enthauptet."
Aisha gelang es, mit ihrem Baby aus dem Lager zu fliehen. Dank Wandou erhielt sie psychosoziale Hilfe und finanzielle Unterstützung - und kann jetzt ihr eigenes Geschäft führen. "Es ist wichtig, dass wir schwierige Erfahrungen hinter uns lassen und Hoffnung und Mut schöpfen, um das Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen," so Wandou.
Esther Omam: Den Kreislauf der Unterdrückung durchbrechen
Im Südwesten Kameruns hat Esther Omam im Fischerdorf Debundscha für einen Tag eine mobile Klinik eingerichtet. Auch sie wird stellvertretend den Preis entgegennehmen. Sie und ihre Nichtregierungsorganisation Reach Out Cameroon bieten jede Woche tausend Menschen kostenlose medizinische Versorgung.
Für viele ihrer Patienten ist es der einzige Zugang zu medizinischer Versorgung: Kämpfe zwischen Separatisten und der Armee haben Gesundheitszentren zerstört. "Die Versorgung mit Medikamenten für Menschen, die mit HIV und AIDS leben, ist völlig zusammengebrochen", so Omam. "Die Menschen können nicht ohne Weiteres ein Gesundheitszentrum aufsuchen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie zur Zielscheibe werden."
Seit mehr als 20 Jahren leistet Omam humanitäre Hilfe. "Die Frauen sprechen mit mir über die Notwendigkeit von Wasserzugang, einer sicheren Ausbildung. Ich habe unter denselben Dingen gelitten. Deshalb ist es für mich befriedigend zu wissen, dass wir Leben berühren und verändern." Indem Esther Omam Frauen hilft, kleine Unternehmen zu gründen, will sie den Kreislauf von Armut und Unterdrückung durchbrechen.
Sally Mboumien: Kampf für das Recht auf reproduktive Gesundheit
Zurück im Norden Kameruns setzt sich Sally Mboumien mit ihrem Frauenteam der Organisation Common Action for Gender Development für die Rechte von Frauen und Mädchen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit ein. In der Stadt Bamenda bietet Mboumien, ebenfalls Mitglied der Frauen-Konvention, Gespräche an und hilft Opfern sexueller Gewalt.
Da sie selbst in dieser Region aufgewachsen ist, kennt Mboumien die Herausforderungen. "Sie haben nicht einmal einen Gesundheitsdienst, der ihnen bei den Themen hilft. Die Frauen haben das Gefühl, dass sie wirtschaftlich betrogen werden, dass sie um ihr Wohlbefinden betrogen werden, dass sie keine körperliche Autonomie haben und dass sie keine Führungsrolle haben. Sie sind Opfer zahlreicher Formen von Missbrauch und Gewalt."
Kameruns Frauen an die Spitze
Seit 2015 arbeitet Mboumien daran, junge Frauen auszubilden und zu inspirieren, in ihrer Gemeinschaft aktiv zu werden. So auch Dorin Nkwai, Jugendaktivistin. ''Heutzutage findet man kaum noch Mädchen in Führungspositionen. Selbst wenn sich bewirbt, sagen sie einfach: Nein, wir können kein Mädchen einstellen. Und warum? Weil sie bald in den Mutterschaftsurlaub gehen muss, weil sie heiraten wird."
Für Mboumien ist es Teil der Lösung für die Krise in Kamerun, Frauen und Mädchen in Spitzenpositionen zu bringen.
Der Afrika-Preis gilt als renommierteste Auszeichnung Deutschlands für verdienstvolle Afrikaner und Afrikanerinnen, die sich aus Sicht der Jury für Demokratie, Frieden, Menschenrechte, Kunst und Kultur, wirtschaftliche Entwicklung, Wissenschaft und Gesellschaft engagieren. Zu den früheren Preisträgern gehören Botsuanas Ex-Präsident Ketumile Masire, die somalische Frauenrechtlerin Waris Dirie, Bioinformatiker Professor Tulio de Oliveira aus Südafrika und der Virologe Dr. Sikhulile Moyo aus Botsuana.
Die DW ist Medienpartner des Deutschen Afrika-Preises.