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Politik

Deutscher Tweet verletzt japanischen Stolz

Martin Fritz aus Tokio
13. August 2021

Ultrarechte in Japan sehen sich 76 Jahre nach Kriegsende bei einer Twitter-Debatte über die Schuldfrage nicht im gleichen Boot wie Deutschland. Dagegen protestieren Chinesen und Koreaner im Netz. Martin Fritz aus Tokio.

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Japan Tokio Yasukuni Schrein Gedenken Kriegsende Rechtsaktivisten
Ultrarechte in Japan vor Yasukuni-Schrein (Archiv) Bild: Reuters/K. Kyung-Hoon

Mit einer Einschätzung zu den Gemeinsamkeiten von Japan und Deutschland im Zweiten Weltkrieg hat die deutsche Botschaft in Japan eine heftige Debatte auf Twitter ausgelöst. Zum 76. Jahrestag des Abwurfs einer Atombombe auf Nagasaki am 9. August 1945 twitterte die deutsche Botschaft auf Japanisch: "Hirshima und Nagasaki stehen sinnbildlich für den Wahnsinn des Atomkriegs. Es war ein Krieg, der durch deutschen und japanischen Nationalismus und Militarismus ausgelöst wurde." 

Danach trafen die Reaktionen fast im Sekundentakt ein. Binnen vier Tagen sammelte der Tweet über 12.500 Likes, 7600 Retweets und 2300 Kommentare ein und gehörte damit zu den Posts mit den meisten Reaktionen auf dem Twitter-Konto der Botschaft.

Lautstarke Ultrarechte

Viele Kommentare verfassten japanische Neo-Nationalisten, die sogenannten "Internet-Rechten", auf Japanisch "Netto Uyoku" genannt. Auf Twitter, dem wichtigsten sozialen Medium in Japan, attackieren diese Ultrarechten China und Korea, oft mit rassistischem und fremdenfeindlichem Unterton, leugnen japanische Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg wie die Zwangsprostitution und das Nanking-Massaker von 1937 mit mindestens 200.000 Toten innerhalb von sieben Tagen und verteidigen Japan gegen jede ausländische Kritik.

An dem deutschen Tweet stieß vielen dieser Internet-Rechten sauer auf, dass die Botschaft Deutschland und Japan auf dieselbe Stufe in der Frage der Kriegsschuld gestellt hatte. "Spricht die Botschaft so oberflächlich über Krieg?", monierte der Nutzer "Moudan". Der User "Sweetened Tee" gestand Deutschland zu, dass es seine "Kriegssünden" zugegeben habe. "Aber die Behauptung, dass Japan im selben Boot saß, ist uninformiert und unhöflich." 

Teils fielen die Reaktionen emotional aus, teils kamen inhaltliche Argumente. "In Japan gab es keinen Holocaust wie bei den Nazis. Tun Sie uns nicht in einen Topf. Stellen Sie das richtig und entschuldigen Sie sich", schrieb der Nutzer "Ladybug" , der sich in seinem Twitter-Statement als "Japan-Liebhaber" beschreibt. In die gleiche Kerbe hieb der Nutzer "Kotamama", der laut seiner Selbstdarstellung "das schöne Japan wiedererlangen möchte": "Jedes Land hat seine eigenen komplexen Umstände. (...) Japan wurde in den Krieg gezwungen. Unsere Umstände sind anders als (die von Deutschland)." 

Der Nutzer "Nepuun", der nach eigenen Angaben "Korea nicht mag", unterstrich die verschiedenen Vorgeschichten der beiden Länder: "Das Kaiserreich Japan und Nazi-Deutschland unterscheiden sich. Deutschland litt unter den Reparationszahlungen des Ersten Weltkrieges und beging den Holocaust." Dagegen habe Japan Krieg geführt, damit es keine Kolonie werde, schrieb Nepuun. Der Hintergrund: Die japanische Rechte begründet Japans Kriegseintritt damit, dass der Westen es von Rohstoffquellen abschneiden wollte.

Hiroshima-Video von Außenminister Maas

Die deutsche Botschaft in Tokio zeigte sich von der Kommentarflut wenig überrascht. Denn ihre Aussage über Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg hatte schon vor einem Jahr eine große Debatte auf Twitter verursacht. Zum 75. Jahrestag der Hiroshima-Atombombe am 6. August 2020 postete die Botschaft ein Video von Außenminister Heiko Maas mit japanischen Untertiteln. Darin erklärte Maas: "Die Welt darf nie vergessen, was in Hiroshima und wenige Tage später in Nagasaki geschehen ist und weshalb: Strahlung, Tod, Krankheit, Elend - all das waren die Folgen eines von Nationalismus und Militarismus angefachten Kriegs, entfesselt von Deutschland und Japan." Seine Aussagen hatte Maas auch unter dem Eindruck eines persönlichen Besuchs in Hiroshima im November 2019 verfasst.

Der damalige Video-Tweet der Botschaft erntete bereits zahlreiche Kommentare. Die heftigen Reaktionen damals wie heute haben Deutschlands Diplomatie jedoch nicht irritiert. Die Bundesregierung stehe zu einer Politik der offenen und kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, verlautete aus dem Auswärtigen Amt. "Dass dies in bestimmten Momenten zu teilweise kontroversen Debatten führt, trägt zu einer solchen offenen Auseinandersetzung bei und ist ein Ausdruck der Stärke einer pluralistischen Gesellschaft", hieß es gegenüber der Deutschen Welle.

Koreaner und Chinesen schalten sich ein

Wie zur Bestätigung fiel die Twitter-Debatte diesmal tatsächlich weniger einseitig aus. In den ersten Stunden waren schätzungsweise 60 Prozent der Reaktionen negativ und 40 Prozent positiv. Und während im Vorjahr die japanischen Internet-Rechten weitgehend unter sich blieben, meldeten sich diesmal Chinesen und Koreaner vermehrt zu Wort.

"Kennt Japan seine Geschichte wirklich nicht? Japan war der 'Nazi von Asien' im Zweiten Weltkrieg", schrieb der Nutzer "NineW" auf Chinesisch. Ein anderer Chinese mit den Usernamen "Func" wunderte sich über die japanische Abwehrhaltung: "Deutschland erkennt zumindest seine Fehler an, aber Japan wähnt sich weiterhin in der Opferrolle?" 

Der koreanische Nutzer "Kust" dankte der deutschen Botschaft für ihre klare Aussage: "Hoffentlich erkennt und reflektiert Japan seine Verantwortung für den Krieg so wie Deutschland." Auf Koreanisch hob der Nutzer "Yuekuee" ebenfalls einen Unterschied zwischen Deutschland und Japan hervor: "Deutschland wurde vergeben und respektiert, weil es seine Geschichte nie vergessen hat. Dagegen haben andere Nationen offensichtlich ihre schmutzige Geschichte vergessen."