Deutsches Engagement in Zentralafrika
10. April 2014"Vor zwanzig Jahren hat die internationale Gemeinschaft Ruanda im Stich gelassen", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei einem Besuch in Zentralafrika am 6. April. "Das Risiko ist groß, dass den Zentralafrikanern heute das gleiche Schicksal droht." Mehr internationale Polizisten und Soldaten für Zentralafrika fordert Ban schon seit langer Zeit.
Denn seit einem Putsch im März 2013 versinkt das Land im Chaos. Rund 6000 Soldaten der Afrikanischen Union (AU) sowie 2000 französische Soldaten sind inzwischen in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz und bemühen sich, den Konflikt in dem 4,6 Millionen Einwohner zählenden Land einzudämmen.
Die EU-Überbrückungsmission EUFOR RCA soll diese Truppen übergangsweise entlasten. An dem Einsatz beteiligt sich auch Deutschland. Der Bundestag stimmte der deutschen Beteiligung an der EU-Mission in Zentralafrika am Donnerstag (10.04.2014) zu: Mit bis zu 80 Soldaten soll Deutschland die zwischen 800 und 1000 Mann starke europäische Truppe unterstützen können. Der UN-Sicherheitsrat gab ebenfalls am Donnerstag grünes Licht für die Entsendung von 10.000 Soldaten und 1800 Polizisten. Eine knapp 12.000 Mann starke Blauhelmtruppe soll für Frieden und Stabilität im Land sorgen.
Der EU-Einsatz und deutsche Schlüsselfähigkeiten
Der Einsatz der EU in Zentralafrika ist das Ergebnis eines schleppenden Prozesses. Wochenlang war keine Einigung in Sicht, nachdem die EU-Außenminister den Einsatz europäischer Truppen in Zentralafrika am 20. Januar beschlossen hatten. Vier Truppenstellerkonferenzen gab es bis Mitte März, doch die europäischen Nationen hielten sich bei der Bereitstellung von Soldaten und Transportmitteln zurück. Weil sich mit Georgien letztlich ein Land, das nicht zur EU gehört, bereit erklärte, ein Kontingent von 150 Soldaten zu stellen, kam man der gewünschten Zahl von 1000 Soldaten deutlich näher. Die europäischen Truppen sollen Teile der Hauptstadt und den Flughafen sichern. Ein UN-Mandat erlaubt den Soldaten, "alle erforderlichen Maßnahmen" zum Schutz von Zivilisten zu ergreifen.
Der deutsche Beitrag beläuft sich vor allem auf die Bereitstellung von Kapazitäten für den Lufttransport. Dafür sollen zwei Transportflugzeuge vom Typ Antonow angemietet werden. Falls notwendig, übernimmt ein deutsches Lazarettflugzeug den Transport von Verwundeten. Eine Handvoll Stabssoldaten soll außerdem in den Hauptquartieren der Mission im griechischen Larissa und in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui zum Einsatz kommen. Eine Beteiligung Deutschlands mit Kampftruppen hat die Bundesregierung kategorisch ausgeschlossen.
Nur ein symbolischer Beitrag?
Ein falsches Signal gegenüber den europäischen Partnern, kritisiert der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat. Mit der Festlegung "keine Kampftruppen" habe Deutschland seinen eigenen Spielraum eingeengt: "Es ist wichtig, sich von Anfang an der Operationsplanung zu beteiligen. Das bedeutet aber auch, vorab Einschränkungen im nationalen Alleingang zu vermeiden und diese vor allem öffentlich zu verkünden, noch bevor der Planungsprozess abgeschlossen ist", so der General a.D. Hinzu komme die Wirkung auf die europäischen Partner: "Unsere Verbündeten werden auf Dauer nicht akzeptieren, dass wir zwar ihre Soldaten an den Einsatzort und die Verwundeten wieder nach Hause fliegen, aber uns an dem eigentlichen Einsatz selbst nicht beteiligen."
"Ich denke, dass es trotz der bescheidenen personellen Beteiligung ein deutliches Signal für eine Verantwortungsübernahme der Deutschen im Rahmen europäischer Sicherheitspolitik ist", sagt die Politologin Yvonne van Diepen von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Deutschland konzentriert sich auf seine Schlüsselfähigkeiten und die liegen auf der Basis von strategischen Lufttransporten Verwundeter und nicht zwangsläufig in einem effektiven Einsatz von Waffengewalt."
Die Erwartungshaltung gegenüber Deutschland sei generell groß, erklärt Michael Gahler, Mitglied der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. "Wenn es um EU-Engagement geht, dann wird von vielen Partnern erwartet, dass wir zumindest den Einsatz bringen, den wir auch finanziell in der EU bringen."
Finanziell beteiligt sich Deutschland bereits indirekt an dem Einsatz der Afrikanischen Union in Zentralafrika. Die Bundesregierung ist größter Geber für den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), aus dessen Mitteln auch die sogenannte African Peace Facility bezahlt wird. Aus dieser werden wiederum Missionen der Afrikanischen Union mitfinanziert.
"Wir haben Möglichkeiten zu helfen", hatte Entwicklungsminister Gerd Müller gesagt, als er sich als erstes deutsches Regierungsmitglied Mitte März bei einem Besuch in Bangui selbst ein Bild von der Lage gemacht hatte. In der Folge nahm die Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit mit der Zentralafrikanischen Republik nach über zehn Jahren wieder auf. Zudem stellte Deutschland 8,5 Millionen Euro für Soforthilfemaßnahmen bereit und will Flüchtlinge aus Zentralafrika in der Demokratischen Republik Kongo mit weiteren 1,5 Millionen Euro unterstützen.
Warten auf die Europäer und die Blauhelme
Die Soforthilfe wird im Land bitter benötigt: Hunderttausende sind auf der Flucht. Aus der Gesamtbevölkerung von 4,6 Millionen Menschen sind 2,5 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Doch bis mehr als die rudimentäre Hilfe greifen kann, muss erst Frieden im Land herrschen.
Dabei soll nun übergangsweise auch die europäische Mission helfen. Die Truppen sollen die bereits im Land befindlichen Soldaten verstärken, denen eine mögliche Schwächung bevorsteht. Die Regierung des Tschads hat angekündigt, ihre an der Mission der AU beteiligten Truppen - etwa 850 Soldaten - abzuziehen. Die Vereinten Nationen hatten den Soldaten aus dem Nachbarland vorgeworfen, 30 zentralafrikanische Zivilisten getötet zu haben. Spätestens innerhalb von fünf Tagen könnten die deutschen Stabsoffiziere im Hauptquartier der Mission in Bangui eintreffen, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.
Ursprünglich sollte die Mission bereits ab Ende März in Afrika operieren. Doch nach Angaben von Diplomaten dürften noch Wochen vergehen, bis sie voll einsatzfähig ist. Und auch die Blauhelme werden ihre Mission nicht vor September beginnen.