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Frühwarnsystem: Damit der Staudamm nicht bricht

Azin Heidarinejad
14. Dezember 2020

Weltweit sind viele Staudämme durch Erdbeben oder bauliche Mängel gefährdet. Ein deutsch-kirgisisches Forschungsteam will mit einem neuen Überwachungssystem die Schäden und Gefahren rechtzeitig identifizieren.

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China - Ablass am Drei Schluchten Staudamm
Bild: Stringer/AFP/Getty Images

Der Mensch hat sehr früh gelernt Flüsse zu zähmen und Dämme zu bauen. Die ältesten archäologischen Belege für ein Staubauwerk im heutigen Iran werden auf 8000 vor Christus datiert. Staudämme dienen seit jeher als Wasserspeicher für die Landwirtschaft und für Trinkwasserversorgung und seit Ende des 19. Jahrhunderts auch zur Stromerzeugung. 

Nach aktuellen Schätzungen gibt es weltweit mehr als 58.000 große Staudämme. Fast 24.000 davon stehen in China. Als Großstaudamm gilt ein Bauwerk mit einer Höhe von mindestens 15 Metern oder ein Staudamm, der mehr als drei Millionen Kubikmeter Wasser aufstauen kann.

Die meisten großen Staudämme wurden in den vergangenen 60 Jahren gebaut. Nach dem ersten intensiven Bauboom in den 1930-er Jahren aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Elektrizität, führte die Ölkrise in den 1970er-Jahren zu einer zweiten intensiven Bauphase von Staudämmen zur Stromerzeugung. 

Wasser stürzt aus dem Drei Schluchten Damm in China.
Der Drei-Schluchten-Staudamm in China hat eine Kapazität von 22 Milliarden Kubikmetern WasserBild: China Foto Press/imago images

Staudämme müssen sehr lange halten, üblicherweise über mehrere Jahrzehnte, idealerweise auch deutlich länger als ein Jahrhundert, sagt Marco Pilz, Erdbebenexperte am Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam.

Viele Staudämme sind gefährdet

Aber selbst ein gigantisches Gebilde aus Beton und Stahl hält nicht für ewig. Viele Staudämme sind weltweit gefährdet und befinden sich in einem schlechten Zustand. Unterschiedliche Ereignisse können Schäden anrichten: Erdbeben, Erdrutsche, Felsabstürze.  

Staudämme liegen weltweit in der Regel meistens in engen Flusstälern. Es ist also immer möglich, dass ein Erdrutsch oder Steinschlag entweder die Staumauer selbst beschädigt oder auch in den Stausee hinein fällt. Das kann einen kleinen Tsunami in dem Stausee auslösen.

Neben diesen Gefährdungen weist Geowissenschaftler Pilz auf die Gefahr der Korrosion im Bauwerk selbst hin: "Die natürliche Degeneration, das heißt die mangelhafte Instandhaltung der Staudämme“ berge ein großes Risiko. 

Bei Starkregen wird es dann oft kritisch, weil die Last auf die Dämme steigt. Abflüsse sind unter Umständen überlastet oder schlimmstenfalls verstopft. Böden weichen auf und werden instabil. Und ein Staudammbruch kann fatale Folgen für Natur und Menschen haben. 

Baumaschinen bewegen Erde nach einem Staudammbruch in Sirdarya im Jahr 2020.
Nachdem im Mai 2020 der Sirdarya-Staudamm in Usbekistan gebrochen war, mussten 70.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden.Bild: picture-alliance/AA/Presidency of Uzbekistan

Ertüchtigen, abreißen oder neu bauen? 

Kann man einen beschädigten Staudamm retten? "Solange der Staudamm nicht einstürzt, gibt es immer eine Rettung", sagt Pilz. "Aber das kann natürlich teuer sein.“

Als Beispiel führt er den Elwha-Damm im US-Bundesstaat Washington  an. Der Damm konnte nicht gerettet werden. Der Abriss war günstiger als eine Sanierung. Der Damm wurde dann aber doch nicht neu gebaut, sondern der Flusslauf, der in einem Nationalpark liegt, wurde renaturiert. 

Eine Sanierung ist meist möglich wenn die Schäden rechtzeitig erkannt werden. "Ein Staudamm ist einfach ein Bauwerk, das man wie bei einem leicht beschädigten Haus oder Gebäude mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen verstärken kann", sagt Pilz.  

Frühwarnsysteme für gefährdete Staudämme

Der Experte für seismische Gefahren am GFZ leitet das Projekt MI-DAM.  Im Rahmen dieses Projektes hat ein Forscherteam aus kirgisischen und deutschen Erdbeben-Spezialisten ein neuartiges Echtzeit-System für die Überwachung von Staudämmen entwickelt, das Schäden frühzeitig detektiert. "Das Überwachungssystem kann sagen: Es liegen gewisse Unregelmäßigkeiten in der Baustruktur vor," erklärt Pilz. 

Staudämme sind riesige Bauwerke und kritische Infrastrukturen. "Natürlich sind in allen Staudämmen weltweit Überwachungssysteme mit eingebaut," betont der Wissenschaftler des GFZ. Anders als bisherige Überwachungssysteme kombiniert MI-DAM allerdings das Kurzzeit- und Langzeit-Monitoring, das bisher oft fünf separate Teile umfasst, in einem einzigen System. 

Am Hoover Damm
Der Hoover-Staudamm zwischen Nevada und Arizona gilt als Symbol der ersten intensiven Staudamm-Bauphase. Bild: DW/C. Bergman

Test an einem gefährdeten Staudamm in Kirgisistan 

Das GFZ kooperiert schon lange eng mit dem Zentralasiatischen Institut für Angewandte Geowissenschaften (CAIAG)  in Kirgisistan. Angesichts der langen Zusammenarbeit mit Kirgisistan und weil die Erdbebengefahr in diesem zentralasiatischen Land sehr groß ist, hat das GFZ den zweitgrößten Staudamm des Landes in Kurpsai  als Standort gewählt, um die neue Methodik zu testen. 

Und dieser Damm steht stellvertretend für viele weitere: Besonders in den postsowjetischen Ländern sind Staudamm-Überwachungssysteme oft noch immer auf dem Stand der Technik, wie sie es bei der Errichtung war. "In unserem Fall sind das noch ganz klassische mechanische Überwachungen, wo man die möglichen Veränderungen visuell anschaut und nicht mit moderner Technologie arbeitet", sagt Geophysiker Pilz. 

Kirgistan | Kurpsai-Damm am Fluss Naryn
Viele Anlagen in Zentralasien wurden zu Sowjetzeiten errichtet. Etwa der Kurpsai-Damm am Naryn-Fluss in Kirgisistan.Bild: cc by Ninaras 4.0

Die Daten und Schadensprognosen werden von dem Überwachungssystem nach Berlin und Potsdam geliefert, stehen aber auch den kirgisischen Partnern zur Verfügung. Was genau beschädigt ist und welche Reparatur man ergreifen muss, liegt dann in der Verantwortung der Dammbetreiber. 

Weitere Staudammprojekte trotz Kritik 

Obwohl sie mit der Erzeugung regenerativer Energien zum Klimaschutz beitragen, stehen Staudämme auch bei Umweltschützern immer wieder in der Kritik, weil sie den Flüssen ihren natürlichen Lauf nehmen und die Natur schädigen. Dennoch werden weltweit weiterhin tausende Staudämme weltweit geplant und gebaut. In vielen Ländern hat die grüne Energie aus Wasserkraft also noch immer einen großen Stellenwert. 

Bei Neubauten geht es vor allem darum, sie so sicher zu bauen, dass Erdbeben und Erdrutsche keine tödliche Gefahr darstellen. In der Praxis müssen Statiker und Architekten aber häufig - wie bei allen seismisch gefährdeten Gebäuden -  Kompromisse eingehen und zwischen entstehenden Kosten und Nutzen abwägen. 

Für die alten Staudämme bleibt die Hoffnung, dass mögliche Schäden und Gefahren mit Hilfe von Frühwarnsystemen rechtzeitig erkannt werden, sodass die Betreiber sie rechtzeitig beseitigen können.