Deutsches Geld für großes Kino
13. Februar 2013Er ist ein Berliner. Wenigstens auf Zeit. George Clooney lebt seit ein paar Wochen in der deutschen Hauptstadt, bereitet in den nahen Filmstudios Potsdam-Babelsberg sein neues Projekt "The Monuments Men" vor. Clooney ist Darsteller, Regisseur und Koproduzent. Im März soll es losgehen. Vor Clooney war auch schon Quentin Tarantino in Berlin, drehte in Babelsberg und in Sachsen "Inglourious Basterds". Mit im Schlepptau: Hauptdarsteller Brad Pitt und Angelina Jolie - das Traumpaar brachte für einige Wochen Hollywood-Glamour an die Spree.
Die Filmprominenz aus den USA hat die deutsche Hauptstadt entdeckt, nicht nur um wie früher auf der Berlinale schnell über den roten Teppich zu huschen, sondern um zu arbeiten. Doch warum zieht Berlin die Stars geradezu magnetisch an? Kirsten Niehuus muss es wissen. Sie ist Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB). Auf den Punkt gebracht lautet ihre Antwort: Geld und Magie.
Mythos Babelsberg ungebrochen
Das Geld, das sind etwa 270 Millionen Euro aus der deutschen Filmförderung. Es sprudelt aus verschiedenen Quellen. Auf Bundesebene vergibt die Filmförderungsanstalt (FFA) über den Deutschen Filmförderungsfonds (DFFF) jährlich 70 Millionen Euro. Der Betrag wurde erst dieses Jahr um zehn Millionen Euro erhöht. Einen Antrag auf Förderung kann im Prinzip jeder Produzent stellen, der in Deutschland drehen will. Der Film sollte nur irgendetwas mit dem Land zu tun haben. Auch George Clooney hat Gelder beim DFFF beantragt. Aus gutem Grund. "Für jeden Euro, den der Produzent in Deutschland ausgibt, erhält er 20 Prozent dazu", erklärt Kirsten Niehuus. "Statt einem Euro hat er 1,20 Euro zur Verfügung. Das ist auch für Clooney oder Tarantino ein gutes Argument."
Seit der Filmförderungsfonds 2007 aufgelegt wurde, ist Deutschland für Filmproduzenten aus dem Ausland noch attraktiver geworden. Das Geld allein sei dafür aber nicht verantwortlich, glaubt Kirsten Niehuus. "Mindestens ebenso verlockend wie Fördergelder sind der Mythos Babelsberg und die Magie, die von Berlin für Kreative ausgeht. Das ist etwas, was man nicht kaufen kann." Vergangenes Jahr feierten die Filmstudios vor den Toren Berlins 100-jähriges Jubiläum. Regisseure wie Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau und Ernst Lubitsch drehten in den 1920er-Jahren in Potsdam, begründeten den Weltruf der Studios.
Lars von Trier dreht im Ruhrgebiet
Heute ist Babelsberg mit 25.000 Quadratmetern Fläche der größte Studiokomplex Europas und eines der modernsten Filmstudios dazu. Die Filmbranche bringt Geld in die Region, vor allem die umsatzstarken internationalen Großprojekte wie etwa "Operation Walküre" mit Tom Cruise oder "Der Vorleser", bei denen das Studio Babelsberg als Koproduzent auftritt. Jeder Euro Filmförderung löst das Vierfache an Investitionen in der Region aus - zum Beispiel mit Übernachtungen in Hotels. Der sogenannte Regionaleffekt liegt bei 400 Prozent und ist damit so hoch wie nirgendwo sonst in Deutschland.
Doch nicht nur Berlin und Brandenburg profitieren von Koproduktionen und großen Namen. Der dänische Regie-Provokateur Lars von Trier drehte bis November vergangenen Jahres seinen Film "Nymphomaniac" im Ruhrgebiet. Der Vorgänger "Antichrist" entstand im Bergischen Land vor den Toren Kölns. Möglich machten es von Triers deutsche Koproduzentin Bettina Brokemper und die föderale Struktur der deutschen Filmförderung. Auch die Bundesländer verfügen über Förderinstitute, etwa das Medienbord Berlin-Brandenburg oder die Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen. 200 Millionen Euro können auf diesem Weg noch einmal zusätzlich ausgeschüttet werden. Voraussetzung für eine Förderung ist der Regionaleffekt. Das heißt: Der Produzent muss das bewilligte Geld nicht nur in dem jeweiligen Bundesland ausgeben, sondern darüber hinaus auch noch Investitionen generieren.
Der Förder-Pluralismus mit insgesamt 21 regionalen Förderinstitutionen ist für den deutschen Produzenten Karsten Stöter Fluch und Segen zugleich. Mit seiner in Berlin und Leipzig ansässigen Firma "Rohfilm" hat er sich auf die Koproduktion von Independent-Filmen spezialisiert. Das von ihm mitproduzierte Nachkriegsdrama "Lore" lief gerade in den deutschen Kinos, bekam überwiegend sehr gute Kritiken. "Lore" erhielt Fördermittel aus Schottland und Australien. Gleich mehrere deutsche Regionalförderer subventionieren den Film. Stöter musste aber genau aufpassen, um in keinem Bundesland den erforderlichen Regionaleffekt zu unterschreiten. "Das ist schon ein logistischer Mehraufwand, der einem Kopfzerbrechen bereitet", sagt er. "Manchmal wäre es aus filmischen Erwägungen besser, in einem anderen Bundesland zu drehen, aber das geht dann wegen des Regionaleffekts nicht." Positiv sei hingegen, dass man im Fall einer Ablehnung durch ein Förderinstitut die Möglichkeit habe, sich bei den anderen zu bewerben.
Konkurrenz im europäischen Ausland
Diese Möglichkeit gibt es im europäischen Ausland in der Regel nicht. Beispiel Frankreich: Dort läuft alles zentral über das Centre national de Cinématographie (CNC). "Es gibt nur ein Förderinstitut, das für einen Film aber vergleichsweise viel Geld gibt", sagt Karsten Stöter. Spätestens seit der Eröffnung des neuen Filmstudios Cité du Cinéma im Vorort Saint Denis vergangenen September hat sich Paris zu ernsthafter Konkurrenz für Babelsberg entwickelt. Europaweit konkurrieren die deutschen Sudios außerdem mit London (Pinewood), Rom (Cinecittà) und Prag (Barrandov).
Kirsten Niehuus sieht die Konkurrenzsituation gelassen, auch wenn die Studios in Babelsberg im vergangenen Jahr nicht besonders gut ausgelastet waren. "Das hatte viel mit den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise zu tun“, glaubt die Medienboard-Geschäftsführerin. "Gerade für mittelgroße Budgets ist es in den USA derzeit schwierig, eine Finanzierung zu bekommen. Das meiste Geld kommt ja immer noch von privaten Investoren und den Studios, auch wenn das Projekt in Deutschland gefördert wird."
Niehuus vertraut in unsicheren Zeiten auf den guten Ruf des Studios. "Der hat sich in den USA herumgesprochen", sagt sie. Zumindest Quentin Tarantino will im Mai wieder für ein paar Wochen nach Berlin kommen. Was er dort plant, verriet der "Pulp Fiction"-Regisseur noch nicht. Ein Abstecher nach Babelsberg wäre aber angebracht. Schließlich gibt es auf dem Studiogelände mittlerweile eine Quentin-Tarantino-Straße.