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Mittelmäßiger Gemeinsinn

Marcus Lütticke17. Juli 2013

Bei der Flut an Donau und Elbe in diesem Sommer wurde er noch gelobt: der große gesellschaftliche Zusammenhalt. Nach einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung liegt Deutschland jedoch nur im Mittelfeld.

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Gruppe von Studenten (Foto: Fotolia/Robert Kneschke)
Bild: Fotolia/Robert Kneschke

"Gemeinsam erfolgreich für Deutschland" hat die CDU/CSU ihr Programm zur Bundestagswahl 2013 genannt. "Das Wir entscheidet" heißt es bei der SPD. Den Zusammenhalt schreiben die deutschen Volksparteien zumindest im Wahlkampf groß.

In der deutschen Gesellschaft ist der Zusammenhalt jedoch nur durchschnittlich ausgeprägt. Das besagt zumindest eine Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung mit dem Titel "Radar des gesellschaftlichen Zusammenhalts". Besonders stark ist der Gemeinsinn demnach in den skandinavischen Ländern und Finnland, gefolgt von Neuseeland, Australien, Kanada und den USA. Weit abgeschlagen zeigen sich dagegen Lettland, Bulgarien, Griechenland und Rumänien.

Eine solch umfassende Studie wirft natürlich Fragen auf: Wie definiert man gesellschaftlichen Zusammenhalt? Und wie kann man ein so komplexes Verhalten mit wissenschaftlichen Methoden erheben und abbilden?

Studie zeigt Entwicklungen

Für die Studie haben die Wissenschaftler drei Bereiche festgelegt, die sie für maßgeblich erachten: Erstens die sozialen Beziehungen, also zum Beispiel das Vertrauen in die Mitmenschen. Zweitens die Verbundenheit mit dem Gemeinwesen, dazu gehört auch die Identifikation mit dem eigenen Land. Und drittens die Orientierung der Menschen am Gemeinwohl, also Punkte wie Solidarität und Hilfsbereitschaft.

Portrait von Stephan Vopel (Foto: Bertelsmann Stiftung)
Stephan Vopel: "Vergleichsweise langsamer Wandel in Deutschland"Bild: Bertelsmann

Neue Daten wurden nicht erhoben, die Wissenschaftler haben vielmehr bereits existierende Studienergebnisse der Jahre 1989 bis 2012 herangezogen. „Wir wollten den Zusammenhalt über einen langen Zeitraum auch zurückliegend erfassen“, sagt Stephan Vopel von der Bertelsmann Stiftung. Das sei mit einer neuen Befragung nicht möglich.

In der Entwicklung zeigt sich, dass sich Deutschland im Vergleich mit den anderen 34 untersuchten Nationen leicht verbessert hat. Besonders ausgeprägt ist bei den Bundesbürgern die Akzeptanz sozialer Regeln. Das entspricht auch dem Stereotyp eines gesetzestreuen Volkes, das vor roten Fußgängerampeln wartet, selbst wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist. Weit unterdurchschnittlich fällt dagegen die persönliche Identifikation der Deutschen mit ihrem eigenen Land aus, was wohl immer noch mit den Verbrechen des Nationalsozialismus zu tun hat, die einst von Deutschland ausgingen.

Langsamer Wandel in Deutschland

Zurückgefallen ist die Bundesrepublik laut Studie in der Akzeptanz von Diversität, also beispielsweise der Bereitschaft, sich auf Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund einzulassen. In diesem Punkt liegt Deutschland mittlerweile hinter Ländern wie Portugal oder Rumänien, aber noch vor den Nachbarländern Frankreich und Belgien.

Stephan Vopel von der Bertelsmann Stiftung betont aber, dass es sich dabei lediglich um ein Abrutschen im Ranking handelt: "Möglicherweise sind die Dinge in Deutschland langsamer im Wandel als in anderen Ländern und deshalb hat sich Deutschland im Vergleich verschlechtert.“ In absoluten Zahlen könne die Akzeptanz von Minderheiten daher sogar gestiegen sein. Genaueren Aufschluss hierüber geben die veröffentlichten Ergebnisse allerdings nicht.

Zusammenhalt ein stabiles Merkmal

Insgesamt stellt die Studie aber fest, dass es im Länderranking über die Jahre nur wenige Verschiebungen gibt. Zusammenhalt scheint also ein recht stabiles Merkmal einer Gesellschaft zu sein.

Nyhavn in Kopenhagen (Foto: Lars Halbauer)
In Dänemark ist der gemeinschaftliche Zusammenhalt besonders großBild: picture-alliance/dpa

Die skandinavischen Länder, allen voran Dänemark, sind in der Liste kontinuierlich ganz oben zu finden. Dies liegt vermutlich auch mit daran, dass die Nordländer einen besonders ausgeprägten Sozialstaat haben. Jedoch sind die USA ebenfalls recht weit oben positioniert, obwohl es hier ein großes Gefälle zwischen Arm und Reich gibt. Ein Widerspruch?

"Die tatsächliche Gerechtigkeit, also beispielsweise soziale Ungleichheit, hat für unsere Bewertung keine Rolle gespielt", so Stephan Vopel. "Für den Zusammenhalt ist es zunächst wichtig, wie die Menschen es wahrnehmen. Gesellschaften können unterschiedlich gut mit Ungleichheiten umgehen."

Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist auch für das Glücksempfinden ein entscheidender Faktor. Je mehr Zusammenhalt, desto besser, sagt hier die Studie. Und so verwundert es auch nicht, dass viele Forscher die glücklichsten Menschen in Dänemark verorten. Die Deutschen sind in puncto Glück ebenfalls nur Mittelmaß.