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Soja, Software und Sandalen

Jan D. Walter13. Mai 2013

Mit wenigen Überseeländern pflegt Deutschland wirtschaftlich so enge Bande wie mit Brasilien. Das Schwellenland will sich nun vom Rohstofflieferanten in eine Industrienation verwandeln - auch mit deutschem Know-how.

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VW-Bulli-Karosserien im Werk in Sao Bernardo (Foto: Volkswagen do Brasil) Alle Bilder zugeliefert von Carlos Albuquerque
Bildergalerie Brasilien 60 Jahre VWBild: Volkswagen do Brasil

Das wäre eine Frage für die TV-Quizshow "Wer wird Millionär?": Wann eröffnete das erste deutsche Großunternehmen eine Niederlassung in Brasilien? Die richtige Antwort: 1895. Es war der Elektrokonzern Siemens, der diesen für damalige Verhältnisse abenteuerlichen Schritt wagte. Es folgte der Chemiekonzern BASF, der 1911 seine erste Vertretung ebenfalls in Rio de Janeiro eröffnete. Vor 60 Jahren dann wagte der Autobauer Volkswagen diesen Schritt. Das Unternehmen gründete in São Paulo seine erste ausländische Niederlassung und wurde so zum Trendsetter.   

Viele weitere Unternehmen siedelten sich danach in der Finanzmetropole São Paulo an und trugen dazu bei, dass die lateinamerikanische Metropole zum größten Standort deutscher Industrieunternehmen außerhalb der Bundesrepublik wurde. "Deutsche Unternehmen leisten seit mehr als 100 Jahren einen fundamentalen Beitrag zur Industrialisierung Brasiliens", sagt Oliver Döhne, Brasilien-Repräsentant der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing GTAI.

Heutiges Siemens Werk in Brasilien
Siemens war der erste deutsche Konzern in BrasilienBild: presse

Stiefsohn aus Südamerika

Dennoch liest man in der deutschen Wirtschaftspresse eher wenig vom "grünen Riesen", wie Brasilien auch genannt wird. Es scheint, als sei das Land das Stiefkind unter den anderen so genannten "BRIC-Staaten" Russland, Indien und China. Doch der Schein trügt. "Brasilien ist einfach schon so lange präsent, China und Indien dagegen sind absolute Newcomer", erklärt der Berliner Volkswirt Manfred Nitsch. Er verweist auf das spektakuläre Pro-Kopf-Wachstum in den asiatischen Ländern: "In China waren es rund zehn Prozent bei stagnierender Einwohnerzahl, in Brasilien weniger als fünf Prozent bei einer schnell wachsenden Bevölkerung."

Noch gehören Rohstoffe wie Eisenerz, Soja, Fleisch und Kaffee zu den wichtigsten Exportprodukten des aufstrebenden Schwellenlandes. Deutschland hingegen liefert nach Brasilien chemische Produkte und Stahl sowie Güter aus den traditionellen Sparten Automobil- und Maschinenbau. Doch Brasilien exportiert mittlerweile auch Zivilflugzeuge, Autos, Busse und Software nach Europa. 

Rafael Haddad, Geschäftsführer des Brazil Boards im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), betont das herausragende Interesse für Brasilien: "Brasilien ist das einzige Land, dem die deutsche Wirtschaft ein eigenständiges Unternehmergremium widmet", erklärt er. Beim Jahr "Deutschland + Brasilien 2013-2014", wie das Austauschjahr offiziell heißt, ist deshalb erstmals der BDI Hauptorganisator.

Handel mit den Nachbarn

Trotz der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Deutschland und Brasilien und der ausgeglichenen Handelsbilanz zwischen den beiden Ländern unterscheidet sich die Bedeutung für die jeweilige Volkswirtschaft: Mit gut einem Prozent Anteil am deutschen Außenhandel lag Brasilien 2012 auf Platz 21 unter Deutschlands Handelspartnern. Umgekehrt hatten in den vergangenen Jahren rund fünf Prozent aller brasilianischen Exporte Deutschland zum Ziel - Rang vier hinter China, den USA und dem Nachbarland Argentinien.

Für Haddad vom Brazil-Board des BDI liegt das vor allem an zwei Dingen: "Deutschland hat in der Europäischen Union wirtschaftlich sehr starke Nachbarländer, zu denen praktisch keine Handelsbarrieren bestehen. Außerdem sind viele deutsche Unternehmen in Brasilien selbst tätig, sodass hier eine Verbindung besteht, die nicht in die Handelsbilanz einfließt." Rund zehn Prozent der industriellen Wertschöpfung Brasiliens gehen nach Schätzungen der Außenhandelskammer auf deutsche Unternehmen zurück.

Karte auf denen die Standorte eingezeichnet sind. Quelle: GTAI

Neue Direktinvestitionen in neue Branchen

Nachdem das deutsche Engagement in Brasilien während der Privatisierungsphase in den 1990er-Jahren etwas abgeflaut war, hat es seit einigen Jahren wieder an Fahrt aufgenommen: "Seit 2010 haben sich rund 200 neue Firmen hier angesiedelt", berichtet Oliver Döhne aus der GTAI-Niederlassung in São Paulo. Nach seinen Angaben beschäftigen in Brasilien nunmehr 1400 deutsche Unternehmen rund 250.000 Menschen. Sie sind nicht nur in den klassischen Exportbranchen präsent, sondern auch in den Bereichen Medizintechnik, Sicherheit und erneuerbare Energien.

Bildnummer: 58910518 Datum: 12.12.2012 Copyright: imago/blickwinkel Destillationstuerme eines Chemiewerks, Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Wesseling distillation towers of a chemical plant, Germany, North Rhine-Westphalia, Wesseling BLWS321159 xdp x0x 2012 quer
Der brasilianische Chemiekonzern Braskem betreibt ein Werk im rheinischen WesselingBild: imago/blickwinkel

Mittlerweile fließen aber auch Direktinvestitionen von Brasilien nach Deutschland. So übernahm 2011 der brasilianischen Stahlproduzent CSN die Stahlwerk Thüringen GmbH. Und das Chemieunternehmen Braskem betreibt Werke im rheinischen Wesseling bei Köln und in Schkopau in Sachsen-Anhalt.