Deutschland als wichtiger Beitragszahler der UN
23. Oktober 2005Die beiden deutschen Staaten wurden spät in die Weltorganisation aufgenommen - erst 1973. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland ein "Feindstaat" für die UNO, deren Gründung 1945 eine Reaktion auf die Verwüstungen des Krieges war. Später verhinderte die Teilung Deutschlands den Beitritt. Erst die Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) öffnete beiden deutschen Staaten die Tür zur UNO: Im so genannten Grundlagenvertrag von 1972 verständigten sich BRD und DDR darauf, dass jeder der beiden Staaten international für sich selbst sprechen dürfe.
Zwei deutsche Staaten in der UNO
Damit war ein wichtiges Hindernis aus dem Weg geräumt. Zuvor nämlich hatte die Bundesrepublik darauf bestanden, der einzige legitime deutsche Staat zu sein und international den Alleinvertretungsanspruch zu haben. Deshalb hatten die westlichen Alliierten - die USA, Großbritannien und Frankreich - etwas dagegen, beide deutsche Staaten in die UNO aufzunehmen. Die Sowjetunion wiederum hätte die alleinige Mitgliedschaft der BRD nicht akzeptiert. Auf diese Problematik ging der bundesdeutsche Außenminister Walter Scheel in seiner ersten Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen ein: "Verstehen Sie, warum wir zögerten, den Schritt in die Vereinten Nationen zu tun? Es ist schmerzlich, der politischen Realität der Teilung des eigenen Landes ins Auge zu sehen. Wir befürchteten, ein solcher Schritt könnte den Eindruck erwecken, als resignierten wir. Als hätten wir die Hoffnung auf Einheit aufgegeben. Wir machten uns Sorge, die Schranken zwischen den Menschen in Deutschland könnten durch die Mitgliedschaft beider Teile noch höher werden."
Kein Ort für Deutschlandpolitik
Innerhalb der Weltorganisation gingen die beiden deutschen Staaten zwar distanziert miteinander um, aber sie trugen ihre grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten bewusst nicht nach New York. Bundeskanzler Willy Brandt zerstreute in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung im September 1973 entsprechende Befürchtungen: "Wir sind nicht hierher gekommen, um die Vereinten Nationen als Klagemauer für die deutschen Probleme zu betrachten oder um Forderungen zu stellen, die hier ohnehin nicht erfüllt werden können." In der UNO setzte sich die Bundesrepublik vor allem für die Förderung der Menschenrechte, die Armutsbekämpfung und die Friedenssicherung ein. Außenminister Walter Scheel sagte im Jahr des Beitritts, 1973: "Sie werden uns immer dort finden, wo es um die internationale Zusammenarbeit geht, um die Bewahrung des Friedens und um die Rechte des Menschen. Wenn wir etwas aus eigener bitterer Erfahrung gelernt haben, so ist es dies: Der Mensch ist das Maß aller Dinge."
Mehr Verantwortung
Für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland wurden die Vereinten Nationen - ebenso wie die NATO und die Europäische Gemeinschaft - ein wichtiger Stützpfeiler und ein Forum für die Zusammenarbeit mit den westlichen Verbündeten. 17 Jahre lang waren zwei deutsche Staaten Mitglied der UNO, bis nach der Wiedervereinigung 1990 die Mitgliedschaft der DDR erlosch. Das geeinte Deutschland setzte im Wesentlichen die UN-Politik der Bundesrepublik fort, ergänzt durch eine machtpolitische Komponente: Aus der Bereitschaft, international mehr Verantwortung zu übernehmen, resultierte die Forderung nach einem größeren Mitspracherecht. So wurde Deutschland nicht nur zum drittgrößten Beitragszahler, sondern setzte erstmals auch Soldaten in einer UN-Friedensmission ein: 1993 in Somalia.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1994 in einem Grundsatzurteil die rechtlichen Hürden aus dem Weg geräumt hatte, übernahm Deutschland in vielen UN-mandatierten Friedenseinsätzen eine wichtige Rolle, etwa in Afghanistan. Im September 2003 erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York: "Im Bewusstsein unserer eigenen Geschichte nehmen wir unsere Verantwortung für eine kooperative Friedenspolitik wahr. Wir tun das mit wirtschaftlichen, politischen und humanitären Mitteln. Aber wir übernehmen auch, Seite an Seite mit unseren Partnern in der NATO und in der EU, militärische Verantwortung dort, wo das zur Sicherung des Friedens und zum Schutz der Menschen unumgänglich ist. Mehr als 9.000 Angehörige der deutschen Streitkräfte und der deutschen Polizei sind heute in internationalen Friedensmissionen im Einsatz."
Vorerst kein deutschen Sitz im Sicherheitsrat
Mit ihrem Engagement in Friedensmissionen und den hohen Beitragszahlungen begründete die Bundesregierung ihren Anspruch auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Als UN-Generalsekretär Kofi Annan eine grundlegende Reform der Vereinten Nationen anstieß, sah die Bundesregierung die Chance für einen deutschen Sitz gekommen und schloss sich mit den anderen Anwärtern Japan, Brasilien und Indien zu einer "Lobby-Gruppe" zusammen. Nationale Interessen und Machtkalkül waren der Grund dafür, dass die 191 UN-Mitglieder die Chance auf eine Reform des Sicherheitsrates im Herbst 2005 verstreichen ließen. Auf dem UN-Gipfel im September wurden zwar einige Reformen angeschoben, der Umbau des Sicherheitsrats aber vorerst auf Eis gelegt. Außenminister Joschka Fischer gab die Hoffnung aber nicht auf: "Diese Reform ist notwendig, und dazu gehört auch die Reform des Sicherheitsrates. Ein europäischer Sitz ist nicht erreichbar, und insofern werden wir hier unsere Bemühungen aufrechterhalten. Es wird länger dauern, als manche gehofft hatten, es wird meines Erachtens dennoch ein kürzerer Zeitraum sein, als andere befürchten."