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Deutschland braucht 400.000 Migranten pro Jahr

23. August 2021

Deutschland braucht viel mehr Zuwanderer. Aber qualifiziert sollten sie sein, sagt BA-Chef Scheele, um den Fachkräftemangel auszugleichen.

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Flüchtlinge als Fachkräfte
Bild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Deutschland braucht aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, rund 400.000 Zuwanderer pro Jahr - und damit deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. "Aber mir geht es hier nicht um Asyl, sondern um gezielte Zuwanderung für die Lücken am Arbeitsmarkt", sagte Scheele der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag). "Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen." 

"Fakt ist: Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus"

Zu möglichen Widerständen gegen Migration sagte er: "Man kann sich hinstellen und sagen: Wir möchten keine Ausländer. Aber das funktioniert nicht." "Fakt ist: Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus", sagte Scheele. Durch die demografische Entwicklung nehme die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte im typischen Berufsalter bereits in diesem Jahr um fast 150.000 ab. 

"In den nächsten Jahren wird es viel dramatischer", sagte Scheele. Deutschland könne das Problem nur lösen, indem es Ungelernte und Menschen mit wegfallenden Jobs qualifiziert, Arbeitnehmerinnen mit unfreiwilliger Teilzeit länger arbeiten lässt - und vor allem, indem es Zuwanderer ins Land hole. Das müsse die neue Bundesregierung alles anpacken.

Detlef Scheele I Arbeitsagentur-Chef für 400.000 Migranten pro Jahr
Detlef Scheele, Chef der Arbeitsagentur findet die Transformation der Wirtschaft zu mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit weniger kritisch für den Arbeitsmarkt als die demografische Entwicklung. "Ich verstehe nicht, warum darüber niemand redet."Bild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Hilfe aus Ausland vor allem im Gesundheitsbereich

Die Corona-Krise hat das Problem zu geringer Zuwanderung von Fachkräften derweil noch verschärft: So ist im vergangenen Jahr die Zahl der Anträge auf Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse bei den deutschen Behörden um 3 Prozent auf 42.000 gesunken, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag berichtete. Das Verfahren war zum März 2020 mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz reformiert worden und soll beschleunigte Abläufe gewährleisten. 

Das Statistikamt geht wegen der pandemiebedingten Einreisebeschränkungen aber von einem gleichzeitig dämpfenden Corona-Effekt aus. Dennoch sind 2020 bundesweit 44.800 ausländische Abschlüsse als vollständig oder eingeschränkt gleichwertig zu deutschen Qualifikationen anerkannt worden. Das waren fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zwei Drittel davon (29.900) entfielen auf medizinische Gesundheitsberufe. Davon wiederum entfiel gut die Hälfte (15.500) auf Pflegekräfte. Nach Herkunftsstaaten stellten Menschen aus Bosnien-Herzegowina dabei mit 3600 die größte Gruppe vor Serbien (3400) und Syrien (3100).

Afghanistan Kabul Airport | Flüchtlinge warten auf Ausreise
Die Fachkräfte-Lücke könnten teilweise auch Menschen füllen, die aus humanitären Gründen Asyl bekommen. "In der Flüchtlingswelle 2015, das sind unsere Erfahrugnen, kamen auch Qualifizierte und viele Menchen mit höheren Bildunszielen", so Scheele in der SZ. Bild: Sayed Khodaiberdi Sadat/AA/picture alliance

Der Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der FDP-Fraktion im Bundestag, Johannes Vogel, kritisierte angesichts der Zahlen, "das kümmerliche Fachkräfteeinwanderungsgesetz" von Union und SPD werde der Bedeutung der Aufgabe bei weitem nicht gerecht. "Wir müssen endlich besser werden im globalen Wettbewerb um Talente - und brauchen dafür ein modernes Einwanderungsrecht mit Punktesystem, wie es etwa Kanada und Neuseeland schon lange vormachen."
iw/hb (dpa/Süddeutsche Zeitung)