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Deutschland exportiert immer mehr Waffen

Nina Werkhäuser
18. Dezember 2024

Die deutschen Rüstungsexporte sind stark gestiegen, auch in den Nahen Osten. Die evangelische und die katholische Kirche fordern strengere Regeln für die Genehmigung.

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Ein Kampfpanzer Leopard 2 auf einer Fahrt im Gelände
Der deutsche Kampfpanzer Leopard 2 ist ein ExportschlagerBild: Christoph Hardt/Panama Pictures/picture alliance

Mit mehr als 12 Milliarden Euro haben die Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte 2023 einen neuen Höchstwert erreicht. Das lag vor allem an Rüstungsexporten an NATO- und EU-Partner sowie an die Ukraine. Aber nicht nur - es gingen auch Waffen an Länder, die früher nicht oder nur sporadisch beliefert wurden. Die beiden großen Kirchen bewerten den Umgang Deutschlands mit Rüstungsexporten daher kritisch.

Die Bundesregierung sei "von ihrem erklärten Ziel einer restriktiven Rüstungsexportpolitik abgerückt", erklärte Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) am Mittwoch in Berlin. Zusammen mit Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche stellte Mutschler den jüngsten Rüstungsexportbericht der GKKE vor, der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung. 

Waffenexporte in die Golfstaaten

Der Rüstungsexportpolitik der inzwischen zerbrochenen Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP stellt die GKKE kein gutes Zeugnis aus. Das gilt vor allem für den Kreis der belieferten Staaten. Will ein deutsches Rüstungsunternehmen Waffen ins Ausland verkaufen, so muss es eine Ausfuhrgenehmigung der Bundesregierung einholen.

Diese habe in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 Exporte in "hoch problematisch Empfängerländer wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar" genehmigt, kritisierte Rüstungsexperte Mutschler. Diese müssten eingestellt werden. "Rüstungsexporte an diese Diktaturen tragen dazu bei, deren Bevölkerung im Inneren zu unterdrücken und befeuern die Hochrüstung der gesamten Region - mit negativen Folgen für die Sicherheit Israels", heißt es in dem Bericht.

Flugabwehrraketen vom Typ Iris-T des deutschen Herstellers Diehl Defence
Begehrte Waffen: Flugabwehrraketen vom Typ Iris-T des deutschen Herstellers Diehl DefenceBild: Christoph Schmidt/dpa/picture alliance

Deutschland "wichtiger Rüstungspartner Israels"

Mit den deutschen Rüstungsexporten nach Israel hat das Gremium sich intensiv auseinandergesetzt und verweist auf "Ambivalenzen in der eigenen Positionierung". Im Jahr 2023 waren die Rüstungslieferungen an Israel stark angestiegen - auf 326,5 Millionen Euro. Das war etwa zehnmal mehr als im Jahr 2022. Darunter waren 3000 tragbare Panzerabwehrwaffen und 500.000 Schuss Munition für Kleinwaffen.

Viele der Genehmigungen fielen in die Zeit nach dem Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. "Deutschland ist für Israel ein wichtiger Rüstungspartner, besonders bei Schiffen und U-Booten, die Israels Verteidigungsfähigkeit stärken", erklärte Prälat Karl Jüsten, der katholische Vorsitzende der GKKE. Das Gremium unterstreicht "die besondere Verantwortung Deutschlands für Israels Sicherheit und dessen Recht auf Selbstverteidigung". Jedoch müsse auch Israel sich an das humanitäre Völkerrecht halten. Es schreibt vor, keine zivilen Ziele anzugreifen.

Schutz der Zivilbevölkerung 

Wenn der Verdacht bestünde, dass deutsche Waffen zu schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht benutzt würden, dann dürfe die Bundesregierung keine Rüstungsexporte nach Israel genehmigen, mahnte Jüsten. "Rüstungsgüter wie zum Beispiel Panzermunition dürfen nicht nach Israel exportiert werden, solange die israelische Regierung der Sicherheit der Zivilbevölkerung in Gaza keine signifikant höhere Priorität einräumt." 

Prälat Karl Jüsten bei der Vorstellung des Rüstungsexportberichts der GKKE
Prälat Karl Jüsten bei der Vorstellung des Berichts der GKKE, der öffentlich verfügbare Informationen über Rüstungsexporte zusammenstellt und bewertetBild: Christian Ditsch/epd

Deutsche Rüstungslieferungen nach Israel waren schon mehrfach Gegenstand nationaler und internationaler Gerichtsverfahren. Wegen der Waffenlieferungen an Israel warf Nicaragua Deutschland Beihilfe zum Völkermord in Gaza vor und reichte Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein. Ende April wiesen die Richter den Eilantrag ab, der einen sofortigen Stopp der deutschen Rüstungsexporte nach Israel gefordert hatte.

Gerichtsentscheidungen zu Rüstungsexporten nach Israel

Gescheitert sind auch mehrere Anträge vor deutschen Gerichten, Export-Genehmigungen von deutschen Rüstungsgütern nach Israel zu unterbinden. Zuletzt lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am 16.12.2024 den Eilantrag eines Palästinensers aus Gaza ab. Nach Ansicht der Gerichts bietet das deutsche Außenwirtschaftsrecht - die rechtliche Grundlage für die Exportgenehmigungen - "keinen Schutz für Ausländer im Ausland". Der Antragsteller sei also gar nicht befugt, gegen die Rüstungsexporte vorzugehen. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Bundesregierung die Ausfuhrgenehmigung "leichtfertig und in willkürlicher Art und Weise" erteilt hätte, argumentierte das Gericht. Vielmehr habe sie von Israel eine Zusicherung eingeholt, "gelieferte Rüstungsgüter im Einklang mit dem Völkerrecht zu verwenden".

Kurswechsel bei Exporten in die Türkei

Kritisch bewertet das GKKE auch die gestiegenen Waffenlieferungen an die Türkei. In diesem Jahr hat die Bundesregierung bereits Rüstungsexporte an die Türkei für mehr als 230 Millionen Euro genehmigt - so viel wie seit 2006 nicht mehr. Seit dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien 2016 hatten die jeweiligen Bundesregierungen Anfragen aus der Türkei überwiegend restriktiv gehandhabt. Von diesem Kurs ist die von Bundeskanzler Olaf Scholz geführte Regierung abgewichen, was sich unter anderem in Exportgenehmigungen für Torpedos und Lenkflugkörper aus deutscher Produktion ausdrückte. Bei seinem Besuch in Istanbul im Oktober nannte Scholz es "selbstverständlich", dass der NATO-Partner Türkei deutsche Rüstungsgüter erhält.

Bundeskanzler Olaf Scholz schüttett dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Istanbul die Hand
Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in IstanbulBild: Khalil Hamra/AP Photo/picture alliance

Auch für NATO-Partner gelte, dass Waffen nicht geliefert werden dürfen, wenn sie für Kriegshandlungen oder die Verletzung von Menschenrechten eingesetzt werden, argumentierte Mutschler. Bei den Einsätzen der Türkei an der Grenze zu Syrien und zum Nordirak handele es sich "um völkerrechtswidrige Angriffe insbesondere auf die Kurdengebiete", auch auf zivile Ziele. "Das ist die Grundlage dafür, dass wir auch diese Rüstungsexporte sehr kritisch sehen."

Kein Gesetz, wenig Transparenz

Dass sie die Bilanz der Ampel-Regierung beim Thema Rüstungsexporte negativ bewertet, macht die GKKE noch an zwei weiteren Punkten fest: Weder habe sie das angekündigte Gesetz zur Kontrolle der Rüstungsexporte verabschiedet noch sich um eine transparente und zügige Berichterstattung über die erteilten Exportgenehmigungen bemüht. Diesbezüglich sei sie sogar hinter die von Kanzlerin Angela Merkel geführte Vorgängerregierung zurückgefallen. Tatsächlich verabschiedete das Kabinett den Rüstungsexportbericht für 2023 ebenfalls erst am 18.12.2024 - nach Ansicht der Kirchen viel zu spät.

Nina Werkhäuser Reporterin