Deutschland feiert die Reformation
31. Oktober 2017Die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, hat dazu aufgerufen, sich stärker und offen zum Glauben zu bekennen. In Deutschland, wo jeder Mensch in Fragen des Glaubens frei ist, sei ein Bekenntnis zum christlichen Glauben heute keine Heldentat, sagte Käßmann in einem Gottesdienst in der Wittenberger Schlosskirche, an deren Tür der Überlieferung nach Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit angeschlagen hat.
"Für Offenheit, Meinungsfreiheit und Gewaltfreiheit"
Das diesjährige 500. Reformationsjubiläum, das mit Christen aus Tansania, Brasilien, Korea, den Philippinen, Mexiko, den USA und aus ganz Europa gefeiert worden sei, habe einen ganz anderen Akzent gesetzt als die deutsch-national geprägten Jubiläen von 1817 oder 1917, resümierte Käßmann. In einer Zeit, in der rückwärtsgewandte Nationalisten neue Grenzen setzen wollten, sei dies "ein ganz besonderes, ein sehr klares Signal". Dies knüpfe an das Erbe der evangelischen Kirchen in der DDR an, "die sich für Offenheit, Meinungsfreiheit und Gewaltfreiheit stark gemacht haben," sagte Käßmann.
Sie fügte hinzu: "Es geht in einer säkularen und zunehmend multireligiösen Gesellschaft darum, die eigene Wahrheit zu bekennen, ohne anderen abzuerkennen, dass sie ihre Wahrheit gefunden haben." Wittenberg im Reformationssommer 2017, "das war ein ökumenisches, internationales Fest der Beteiligung, des interessierten Gesprächs und des respektvollen Umgangs miteinander".
Man feiere bewusst anders als in den vergangenen Jahrhunderten, sagte der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, in einem Gottesdienst in der Nürnberger Lorenzkirche. Er lobte das Reformationsjubiläum als ein "Christusfest, das unseren Blick jenseits der konfessionellen Grenzen neu auf den einen Herrn unserer Kirche richtet."
Festgottesdienst und Festakt mit Merkel
Seit Montag feiert die Stadt Wittenberg bereits ihr traditionelles Reformationsfest mit einem historischen Marktspektakel. Die heutigen Feiern in der Lutherstadt haben mit einem englischsprachigen Gottesdienst in der Schlosskirche ihren Auftakt genommen. Der Gottesdienst wurde von der Evangelical Lutheran Church in America ausgerichtet. Die Liturgie gestaltete Reverend Robert Moore, der auch Leipzigs Reformationsbotschafter in den USA ist.
In Wittenberg begann der zentrale Festgottesdienst zum 500. Reformationsjubiläum. In der weltberühmten Schlosskirche versammelten sich Vertreter aus Staat, Kirche und Gesellschaft, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sowie zahlreiche Gäste aus dem Ausland.
Auch in den Sozialen Medien wird der Reformationstag gewürdigt: Laut dem Rating-Portal Trendingdeutschland.com lag der Hashtag #Reformationstag bereits am Vormittag auf dem ersten Platz der Top-Begriffe aller deutschen Tweets bei Twitter. Und damit vor dem Hashtag #Halloween.
95 Thesen zur Reformierung der Kirche
Vor 500 Jahren hatte Martin Luther (1483-1546) der Überlieferung nach in 95 Thesen die Missstände in der Kirche seiner Zeit angeprangert und an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen. Dieses Ereignis gilt heute als zentraler Ausgangspunkt der weltweiten Reformationsbewegung, die zur Spaltung in evangelische und katholische Kirche führte.
Zum 500. Reformationsjubiläum hatten Kirche, Staat und Gesellschaft seit einem Jahr mit vielen Veranstaltungen an die von der Reformation ausgelösten Umbrüche erinnert. Der 31. Oktober ist in diesem Jahr einmalig ein bundesweiter Feiertag.
Würdigung durch Briefmarke
Der Vatikan würdigt Martin Luther 500 Jahre nach Beginn der Reformation mit einer 1-Euro-Briefmarke. Zu sehen ist dort Christus am Kreuz vor der Stadt, links daneben kniet Luther mit der deutschen Bibel, rechts vom Kreuz Philipp Melanchthon mit dem Augsburger Bekenntnis. Als eine Art "Rehabilitierung" Luthers sei die Vatikan-Marke nicht zu verstehen, sagte Mauro Olivieri, Leiter des Vatikanischen Briefmarkenamts. Es gehe vielmehr um die "Anerkennung einer Entwicklung". Die Kirchenspaltung, die Luther auslöste, sei heute zumindest in Teilen überwunden. Daher könne man positiv in die Zukunft blicken. Die Marke erscheint am 23. November.
jv/sti (epd, kna)