Deutschland gedenkt Hitler-Attentäter
20. Juli 2014Für Ursula von der Leyen war es eine Premiere. Bei demtraditionellen Rekruten-Gelöbnis am 20. Juli war die Verteidigungsministerin erstmals Hausherrin. Auf dem Paradeplatz des Bendlerblocks, dem Berliner Dienstsitz des Verteidigungsressorts, legten 457 Rekrutinnen und Rekruten aus allen Teilstreitkräften ihren Eid ab. Bei strahlendem Sommerwetter gelobten die Soldaten der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.
Gewissen und Gehorsam
Das Datum ist ein zentrales Ereignis für die Bundeswehr. Zu Ehren des Widerstands gegen Adolf Hitler und das nationalsozialistische Regime legen die Rekruten an jedem 20. Juli traditionell ihr Gelöbnis ab. Damals hatte eine Gruppe von Offizieren und Zivilisten um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg versucht, Hitler mit einer Bombe zu töten. Das Attentat im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" im heutigen Polen überlebte Hitler leicht verletzt. Der geplante Umsturzversuch unter dem Decknamen "Operation Walküre" schlug fehl. Neben von Stauffenberg wurden in der Folgezeit rund 200 weitere Mitstreiter hingerichtet oder in Konzentrationslagern ermordet.
Von der Leyen würdigte in ihrer Rede die Angehörigen des Militärischen Widerstands vom 20. Juli 1944. Stauffenberg und die Männer und Frauen um ihn hätten erkannt: "nicht der Blinde Gehorsam, nicht das Nichtstun, nicht das Abwarten war das Gebot der Stunde, sondern das Widerstehen, das Handeln, die Tat", sagte von der Leyen. Die Haltung der Widerständler finde sich auch in der Gelöbnisformel wieder, die die Rekruten aussprechen. "Wir alle müssen jederzeit bewusst sein: Recht und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit, sondern Werte, die wir alle hüten und schützen müssen."
Exkurs ins politische Tagesgeschäft
Einen kurzen Verweis auf das politische Tagesgeschäft ließ sich die Verteidigungsministerin mit Blick auf die aktuellen Ereignisse nicht nehmen: "Die Werte die ich angesprochen habe, verbinden uns mit unseren engsten Partnern und Verbündeten, denen wir nach den Tiefen von Diktatur und Krieg unseren Weg in den Kreis der Demokratien zu verdanken haben". Gerade in Zeiten, in denen Vertrauen enttäuscht wurde, "sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass wir vor allem anderen zu einer Wertegemeinschaft gehören", betonte von der Leyen. Ein Wink vor allem an den Verbündeten und strategischen Partner USA,. Das deutsch-amerikanische Verhältnis hatte zuletzt unter der NSA-Affäre und dem Spionageverdacht durch US-Geheimdienste Schaden genommen.
Gastredner: Stauffenberg-Sohn
Nach dem gescheiterten Attentat verhängten die Nationalsozialisten die Sippenhaft über die Familien der Attentäter. Frauen, Kinder über 15 Jahre, Eltern und Geschwister wurden ins Gefängnis oder ins Konzentrationslager deportiert. Die jüngeren Kinder kamen in ein Heim im Harz. So auch Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, der älteste Sohn des Hitler-Attentäters. Als sein Vater hingerichtet wurde, war Berthold zehn Jahre alt.
Beim Gelöbnis sprach der inzwischen 80-jährige Generalmajor a.D. als Gastredner zu den Rekruten. Der Verhaltensmaßstab der den Soldaten davor bewahre, in "der Unmenschlichkeit der Kriegswirklichkeit selbst zum Unmenschen zu werden", sei das Gewissen, sagte von Stauffenberg. Die Rekruten hätten heute, genau wie er bei seinem Gelöbnis im Mai 1956, das Glück, nicht vor solche "existenziellen Gewissenskonflikte" gestellt zu sein. "Unsere Verfassung und unsere von uns gewählten Politiker sind Garant dafür, dass sie keine Aufträge erhalten und ausführen müssen, die gegen unser und das internationale Recht verstoßen."
Gauck spricht im Ehrenhof des Bendlerblocks
Das Gelöbnis ist ein Teil der Feierlichkeiten, mit denen in Deutschland des Widerstands gegen Hitler und das nationalsozialistische Regime gedacht wird. Während einer traditionellen Feierstunde im Ehrenhof des Bendlerblocks hatte Bundespräsident Joachim Gauck am Mittag einen Kranz niedergelegt - an der Stelle, an der Claus Schenk Graf von Stauffenberg hingerichtet wurde.
Man gedenke am 20. Juli nicht nur des militärischen Widerstands gegen Hitler, sondern ehre stellvertretend auch alle anderen, "die widerständig waren oder die unter den Folgen aufrechten Widerstands zu leiden hatten", sagte Gauck in seiner Festrede. Im Beisein führender Vertreter der Bundesregierung, des Parlaments, der Länder und der Kirchen sowie von Soldaten und Angehörigen der Widerständler unternahm Gauck einen "Brückenschlag ins Heute": Der Tag erinnere uns daran, mutig zu unseren Werten zu stehen und uns nicht mitschuldig machen, wenn anderen Unrecht geschieht, sagte Gauck. "Wir haben eine Wahl zwischen Handeln und Untätigkeit, zwischen Reden und Schweigen."