Gute Integration, schlechte Integration
25. August 2017Multikulti ist gescheitert, findet Ruud Koopmans. Der niederländische Soziologe und Migrationsforscher macht eine Rechnung auf, die Anhänger der deutschen Willkommenskultur nicht gerne hören werden. In seinem frisch erschienenen Buch "Assimilation oder Multikulturalismus" kommt er zu dem Ergebnis, dass schlechte Integration von Muslimen nicht vorrangig die Folge von Diskriminierung der Mehrheitsgesellschaft ist, sondern von der fehlenden Bereitschaft der Einwanderer, sich zu assimilieren.
Fordern, nicht nur fördern
Koopmanns Forderung: Die Vergabe von Rechten an Zuwanderer solle stärker von Leistungen abhängig gemacht werden. Zum Beispiel ein eigenes Einkommen, Sprachkenntnisse und natürlich Straffreiheit zum Preis eines dauerhaften Bleiberechts. Der Einwanderungsexperte hat die sehr unterschiedliche niederländische und deutsche Integrationsrealität erforscht und verblüffende Ergebnisse zu Tage gefördert.
Deutschlands Nachbar fordert von seinen Einwanderern wenig. Die niederländische Staatsangehörigkeit gibt es vergleichsweise zügig, die Sprachanforderungen sind gering, die doppelte Staatsangehörigkeit kein Problem. In Deutschland ist die Idee solch großzügiger, bedingungsloser staatlicher Vorleistungen immer noch weit verbreitet, schreibt Koopmanns in einem Beitrag für die FAZ im Juni. Tatsächlich aber wird eine andere Integrationspolitik betrieben. Jedenfalls ganz anders als in den Niederlanden. Mit klar besseren Resultaten für Deutschland im Vergleich zu den stets gefeierten Integrationsweltmeistern aus dem Nachbarland.
Deutschland integriert besser als die Niederlande
Migranten sind in Deutschland zwar doppelt so häufig arbeitslos und sozialhilfeabhängig wie Menschen ohne Migrationshintergrund, doch in den Niederlanden sind viermal so viele ohne Arbeit und zehnmal so viele leben von Sozialhilfe. Auch verlassen deutlich mehr Migrationskinder die Schule ohne Abschluss in den Niederlanden im Vergleich zu Deutschland. Passend dazu auch die besseren Ergebnisse Deutschlands in der Kriminalitätsstatistik und beim Thema Ghetto-Bildung in den Städten.
Befunde wie diese passen zur aktuellen Bertelsmann-Studie, die Deutschland insbesondere für den Arbeitsmarkt eine gute Integrationsleistung im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern bescheinigt. Dies gilt ausdrücklich für die Periode vor der Flüchtlingskrise. Demnach wachsen 73 Prozent der in Deutschland geborenen Kinder mit muslimischen Eltern mit Deutsch als erster Sprache auf. Gewachsen ist auch der Bildungsgrad der Migrantenkinder.
Das Kopftuch als Hürde zum Arbeitsplatz
80 Prozent der Deutschen geben der Studie zufolge an, nichts dagegen zu haben, Nachbar von muslimischen Einwanderern zu sein, so der Direktor der Bertelmann-Stiftung, Stephan Vopel im DW-Gespräch. Größere Probleme mit der Akzeptanz haben Deutsche mit den Muslimen, die ihre Religiösität im Alltag offen zu erkennen geben. Kopftuch tragende Frauen haben es demnach besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt, so Vopel. Obwohl 60 Prozent der 4,7 Millionen Muslime in Deutschland Vollzeit arbeiten, sind es vor allem die frommen Muslime, die schlechtere Vermittlungs- und Akzeptanzchancen in der Arbeitswelt haben.
Das kann auch Boris Palmer bestätigen. Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen schert regelmäßig aus dem Konsens seiner flüchtlings- und einwanderungsfreundlichen Partei aus. Entgegen der Mehrheitsmeinung seiner Partei warnt Palmer immer mal wieder vor einer Überforderung der Gesellschaft bei der Flüchtlingsaufnahme. Vor allem befürwortet er die Abschiebung bei abgelehnten Asylbewerbern. Integration hält er insbesondere bei Muslimen, die die Stellung der Frau anders bewerten, den Umgang mit Schwulen und Lesben in Deutschland nicht kennen und andere Kleidungstraditionen öffentlich zeigen, für sehr schwierig, sagte er im DW-Interview.
Palmer erlebt in seiner Stadt einen „Kulturbruch", wie er es nennt. Wer als Migrant aus seinem familiären Umfeld gerissen wurde, habe keine guten Chancen, die Schule in der Fremde zu meistern. Ein Problem vor allem für junge Männer die, so Palmer, dann nicht selten im Botanischen Garten der Stadt auftauchen und ihr Geld mit Drogenverkauf verdienen. Aussagen wie diese passten lange nicht in den politisch-gesellschaftlichen Mainstream. Inzwischen hat die mitunter naiv-positive Grundstimmung gegenüber Flüchtlingen durch reale Erfahrungen eine Korrektur bekommen. Was trotz aller Integrationserfolge nicht gut funktioniert, zeigt das Beispiel des sogenannten Maghreb-Viertels in Düsseldorf.
"Analyseprojekt Casablanca" in Düsseldorf
Der Stadtteil Oberbilk, direkt hinter dem Hauptbahnhof, gilt als "Klein-Marokko". Hier leben schon seit längerem Nordafrikaner, die mit vielen kleinen Läden und Cafés eine Heimat im Kleinformat geschaffen haben. Seit Öffnung der Grenzen im Herbst 2015 hat sich der Anteil aller nach Deutschland gekommenen Nordafrikaner besonders in Nordrhein-Westfalen konzentriert. 80 Prozent von ihnen kamen hierher, sehr viele nach Düsseldorf.
Seit der Kölner Silvesternacht 2015, in der hunderte junge, männliche Nordafrikaner Frauen und Mädchen vor dem Kölner Dom sexuell belästigt hatten, zeigt die Düsseldorfer Polizei Dauerpräsenz in "Klein-Marokko". Lange war das Viertel ein Kriminalitätsschwerpunkt. Marokkanische Ladenbesitzer, die schon lange in Düsseldorf sind, hatten selbst die Polizei alarmiert. "Die wollen nicht arbeiten", so ein alteingesessener Landsmann. "Die sehen, dass sich ein Paar auf der Straße küsst, sie trinken Alkohol, den sie nicht gewöhnt sind, und werden dann aggressiv."
Allein in 2016 wurden 2.500 Tatverdächtige bei Großrazzien registriert. Es ging um mehr als 4.000 Straftaten. Inzwischen hat sich die Lage und die Atmosphäre beruhigt, doch das Beispiel Düsseldorf zeigt, wie verschieden die Analysen zum Integrationsgrad von Einwanderern in Deutschland ausfallen. Allein deshalb, weil Alt-Einwanderer, Kriegsflüchtlinge, Armutszuwanderer, Muslime, Christen und Nicht-Religiöse kaum vergleichbar sind in ihrem Integrationswillen und ihrer Assimilierungsfähigkeit.