Deutschland im Schuldensumpf
21. Mai 2010Offiziell hat Deutschland knapp 1,8 Billionen Euro Schulden. Jede Sekunde kommen 4500 Euro hinzu. Der Verschuldungsgrad liegt bei 77 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Erlaubt sind nach EU-Konvergenzkriterien 60 Prozent.
Doch auch diese Zahlen sind schöngefärbt, meint Bernd Raffelhüschen, Finanzexperte und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Uni Freiburg: "Die Staatsschulden sind Ansprüche von denjenigen, die diese Titel an ein zukünftiges staatliches Budget halten. Und genau so sehen wir die Rentenversicherung auch, als Anspruch an ein zukünftiges Rentenversicherungsbudget." Das bedeute, dass man alle Nettoansprüche an die sozialen Sicherungssysteme zu den Staatsschulden hinzu zähle. "Denn das sind natürlich Schulden, die man heute macht, die aber nirgendwo verbrieft sind", so Raffelhüschen weiter.
Schuldenbremse auch für Europa
Wenn man diese Ansprüche zu den Staatsschulden addiert, ergibt sich eine gigantische Zahl von knapp acht Billionen Euro. Die Gesamtschulden würden sage und schreibe 314 Prozent des BIP ausmachen. Kann es sich Deutschland da überhaupt leisten, anderen EU-Ländern unter die Arme zu greifen? "Man findet unter den Blinden immer noch Leute, die vielleicht ein bisschen Schattierung sehen", sagt Raffenhüschen und fordert die Installierung einer Schuldenbremse auch für Europa: "Wir brauchen die Haushaltsdisziplin auf europäischer Ebene, denn wenn wir zusammenstehen in den Schulden, dann müssen wir auch zusammenstehen in der Kontrolle."
Eine Schuldenbremse ist bisher nur in Deutschland gesetzlich verankert. Demnach wird dem Bund ab 2016 und den Ländern ab 2020 die Aufnahme neuer Schulden verboten. Diese Bremse müsste viel früher eingeführt werden, meint Finanzexperte Raffelhüschen, denn der deutsche Staat lebe seit Jahren über seine Verhältnisse: "Wir hatten im Jahr 2008 im Grunde die größten Steuereinnahmen in der Geschichte der Bundesrepublik gehabt und mit dem höchsten aller möglichen Steueraufkommen sind wir nicht mal in der Lage, unseren Haushalt auszugleichen. Das spricht Bände."
Medien tragen zur Hysterie bei
Die Bedienung der Bundesschuld ist bereits der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt. Zudem wirken hohe Schulden wachstumshemmend, "weil sie nämlich Investitionen nicht erlauben in dem Sinne, als dass der Staat Kapital dem Kapitalmarkt entzieht, das normalerweise investiv verwendet worden wäre. Und insofern ist Staatsverschuldung eine Wachstumsbremse."
Trotz der Schuldenmisere in Deutschland und Europa warnt Raffelhüschen vor Hysterie. Den Medien wirft er Panikmache vor: "Wir haben keinen Weltuntergang und das muss man sich ganz klar machen." Die Medien hätten bereits den Weltuntergang bei Lehman Brothers beschworen und einen weiteren bei der Finanzmarktkrise. Das alles sei Unfug. "Die Welt geht nicht unter, aber die Großzügigkeit könnte der Vergangenheit angehören, die der Fiskus den Bürgern gegenüber angelegt hat."
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Monika Lohmüller