Deutschland ringt um Föderalismusreform
16. Dezember 2004Der deutsche Föderalismus steht auf dem Prüfstand. Dabei geht es aber nicht etwa grundsätzlich um die Struktur des Landes. Das Ziel der angestrebten Föderalismusreform ist vielmehr, politische Entscheidungsprozesse einfacher, schneller und transparenter zu machen. So ist es jedenfalls der Föderalismuskommission aufgegeben, die vor einem Jahr ihre Arbeit aufnahm.
Es wird Zeit
Das Unterfangen der Kommission ist längst überfällig, meint Ferdinand Kirchhoff, Föderalismusexperte an der Universität Tübingen. "Wir brauchen die Föderalismusreform dringend, weil Bund und Länder im Gesetzgebungsverfahren, im Finanzierungsverfahren sehr eng miteinander verflochten sind", sagt er. "Es muss jeweils ein Bundesorgan und ein Organ der Länder beteiligt werden. Und das führt dazu, dass die Verantwortung sich verwischt, und dass auch teilweise nichts mehr entschieden wird."
Unter dem Vorsitz von SPD-Chef Franz Müntefering und dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber hat das 32-köpfige Gremium denn auch nach Wegen gesucht, das Nebeneinander von Bund und Ländern besser zu organisieren. Das ist nämlich von einer etwas paradoxen Entwicklung gekennzeichnet. So haben einerseits die Landesparlamente Kompetenzen verloren, aber andererseits sind die Landesregierungen über den Bundesrat immer stärker an der Bundesgesetzgebung beteiligt. Inzwischen brauchen mehr als 60 Prozent aller Bundesgesetze zwingend die Zustimmung der Länder - nämlich alle, die von den Ländern ausgeführt werden müssen oder in ihre Finanzen eingreifen.
Abstimmungsprobleme
Die Zunahme der Zustimmungspflicht zeigt laut Kirchhoff einen klaren Trend. "Im Laufe der letzten 50 Jahre sind viele Kompetenzen, die an sich den Ländern zustanden, langsam zum Bund gewandert", so der Föderalismusexperte. "Wir haben ein Zentralismusproblem, und der Bundesstaat könnte das natürlich am besten so lösen, wenn die Länder Kompetenzen hätten, dass sie vor Ort bürger- und sachnäher entscheiden könnten."
In diesem Punkt ist die Kommission zu einer Einigung gekommen. Die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze soll auf 30 bis 40 Prozent gesenkt werden. Im Gegenzug sollen die Länder zusätzliche eigene Gesetzgebungskompetenzen erhalten. Das gilt, wenn es nach den Bundesländern geht, etwa für den Bildungsbereich. Sie wünschen sich die alleinige Zuständigkeit in der Hochschulpolitik. Da sperrt sich bislang allerdings der Bund. Er will weiterhin bei der Zulassung, den Abschlüssen und der Qualitätssicherung die Vorgaben liefern.
Bildung, Polizei, Europa
Uneins sind sich Bundes- und Ländervertreter auch beim Thema Umwelt. Hier will der Bund die zentrale Verantwortung, während die Länder wünschen, in einzelnen Bereichen von den Bundesgesetzen abweichen zu können. Bei der Vertretung deutscher Interessen bei der Europäischen Union beharrt der Bund auf sein alleiniges Sagen, die Länder wollen weiterhin Zustimmungsrechte. Und bei der Inneren Sicherheit schwebt dem Bund die Ausweitung der Kompetenzen des Bundeskriminalamtes vor, die Länder wollen ihre eigenen Polizeibehörden indessen nicht beschneiden.
Konfliktstoff gibt es also nach wie vor genug, wenn die Föderalismuskommission am Freitag (17.12.) zu ihrer planmäßig letzen Sitzung zusammentritt. Und die Debatten verlaufen längst quer zu den Parteigrenzen. Da geht es um das Beamtenrecht und die Besoldung der Staatsdiener, die in Länderkompetenz und eben nicht mehr nach bundeseinheitlichen Vorgaben geregelt werden soll; oder es geht um besondere finanzielle Leistungen für die Neuen Bundesländer, die manche von ihnen im Grundgesetz verankern wollen.
Schulterklopfen
"Es kann ja nur einen Durchbruch geben, wenn alle Länder sich einigermaßen zufrieden fühlen", gab Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis bereits zu bedenken. "Und da gibt es immer noch sehr große Unterschiede zwischen kleinen Ländern und großen, Ost, West, Nord, Süd. Und wenn wir das diese Woche schaffen, dann können wir uns aber selber gratulieren."
Das dann möglicherweise fertige Paket bedarf noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat - jeweils mit Zweidrittelmehrheit, da es sich um eine Verfassungsänderung handelt.