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Energie aus Wind

1. August 2011

Vor der Nordseeinsel Borkum beginnt Ende August der Bau eines weiteren deutschen Offshore-Windparks. Der Seewind soll die von der Politik beschlossene Energiewende vorantreiben. Doch bisher weht eher ein laues Lüftchen.

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Windpark Baltic 1 (Foto: EnBW)
Bild: EnBW/Mathias Ibeler

Sechzig Meter lange Rotorblätter an gewaltigen Masten, die aus den Wellen ragen, liefern eindrucksvolle Fernsehbilder. Windparks auf hoher See sind das Aushängeschild der deutschen Energiewende. Sie sollen bis 2030 mehr Strom liefern, als derzeit alle Atomkraftwerke zusammen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Bisher gibt es nur in der Ostsee einen kommerziellen Windpark namens "Baltic 1". In der Nordsee sind zwei Anlagen im Bau, nämlich "Bard Offshore 1" und "Borkum West 2", für den Ende August der Grundstein gelegt wird. Zudem ist in der Nordsee seit einem Jahr das Versuchsfeld "Alpha Ventus" in Betrieb.

Zwar zählt Deutschland zu den weltweit führenden Herstellern und Nutzern von Windenergieanlagen - gemeinsam mit Spanien produziert man über die Hälfte des europäischen Windstroms, doch hinken die Deutschen bei den Offshore-Windparks hinterher.

Die Investoren hielten sich bei den teuren Projekten zurück, weil die Politik sie eher irritiere als ermutige, beklagte der Chef des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers, Ende Juli in Berlin. Wer zunächst einmal den Wiedereinstieg in die Kernenergie entscheide, dann einige Wochen später das Gegenteil, dann die Energiewende und die Beschleunigung ankündige, klagt Albers, "dann aber restriktive Instrumente in die Debatte bringt - das ist nichts, was unserer Branche gut tut und gut getan hat".

Windräder des Offshore-Windparks "alpha ventus" (Foto: dapd)
Meer plus Wind plus Wellen gleich jede Menge EnergieBild: AP

Fünf-Milliarden-Kredit statt Kürzungen

Inzwischen hat die Regierung aber die ursprünglich geplante Kürzung bei der Vergütung von Windstrom ad acta gelegt. Ein neues Gesetz soll dafür sorgen, dass Baugenehmigungen künftig schneller erteilt werden. Daneben hat der Staat für den Bau von 26 schon genehmigten Windparks im Meer günstige Kredite in Höhe von fünf Milliarden Euro versprochen. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spielt die Windenergie beim Übergang zu den erneuerbaren Energien die Hauptrolle. "Schwerpunkt des zukünftigen Ausbaus soll die Windenergie an Land und auf See sein", verkündete sie in ihrer Regierungserklärung am 9. Juni im Bundestag.

Für die Windkraftwerke auf hoher See sprechen der stärkere Wind und die geringeren gesellschaftlichen Konflikte, für Windparks im Binnenland eher die niedrigeren Kosten. 2010 erzeugten die knapp 22.000 modernen Windräder in Deutschland sechs Prozent des Stroms, und zwar fast ausschließlich an Land. Zwar spricht die Regierung viel lieber über die geplanten großen Windkraftwerke in Nord- und Ostsee, aber derweil schießen auch an Land die Windräder wie Pilze aus dem Boden. Parallel dazu wächst der Widerstand von Bürgerinitiativen. Sie beklagen die "Verspargelung" der Landschaft, Schattenwurf durch die Rotoren, nervende Geräusche und des Nachts blinkende Positionslichter.

Rotoren über den Baumwipfeln

Rapsfeld in Schleswig-Holstein mit Windrädern(Foto: dpa)
Rapsfeld in Schleswig-Holstein - manchen stört das WindradBild: dpa

Neuerdings, da Windräder bis zu 200 Metern Höhe technisch möglich sind, sollen sie auch in Wäldern aufgestellt werden, wie in der Gemeinde Wandlitz, einem traditionellen Naherholungsgebiet der Berliner. Keine gute Idee, findet Jana Radant, Vorsitzende der dortigen Bürgerinitiative "Hände weg vom Liepnitzwald!" Rund um den klaren Liepnitzsee stehen alte Buchenwälder, deren Bestand nur noch vier Prozent des deutschen Waldes ausmacht. "Die Bürgerinitiative ist nicht gegen Windräder an sich, sie ist gegen Windräder in schützenswerten Wäldern", sagt die promovierte Philosophin.

In vielen Gegenden Deutschlands sehen Naturschützer nicht nur die Bäume gefährdet. Weil die Rotoren die weitgehend unerforschten Luftschichten über den Baumwipfeln durcheinanderwirbeln, seien Zugbahnen und Brutstätten von Vögeln und Fledermäusen gefährdet. Das Bundesamt für Naturschutz rechnet mit einem Flächenverbrauch bis zu einem Hektar pro Windrad-Baustelle. Rund zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen für Windparks geeignet sein, heißt es beim Bundesverband Windenergie, 65 Prozent des Stroms könnten eines Tages aus der Kraft des Windes kommen.

Wer A sage, müsse auch B sagen, appellierte Kanzlerin Merkel bei der Eröffnung des Ostseewindparkes "Baltic 1" an die Kritiker: "Wenn wir das Zeitalter der erneuerbaren Energien schnell erreichen wollen, dann müssen auch alle bereit sein, ihren Beitrag dazu zu leisten."

Schallschutz für die Schweinswale

Windpark Borkum - Tripod-Fundamente (Quelle: DOTI GmbH)
Noch stehen die Fundamente für den neuen Windpark an LandBild: DOTI GmbH

Noch scheint nicht entschieden, wo die Masse der neuen Windräder künftig tatsächlich stehen wird: an Land oder im Meer. Die Politiker fürchten viel Ärger an Land und eröffnen Windparks lieber auf hoher See - ohne Bürgerproteste. Die Industrie baut - wegen der niedrigeren Kosten - derzeit lieber an Land, zumal in Deutschland für die Errichtung von Windrädern im Meer besonders strenge Anforderungen gelten. Deshalb liegen die bestehenden und geplanten deutschen Offshore-Anlagen meist außer Sichtweite weit vor der Küste. Weil Tierschützer Gehörschäden bei den in der Nordsee heimischen Schweinswalen fürchten, werden die Bauherren des neuen Windparks "Borkum West" beim Einrammen der Fundamente sogar "Schallschutzwände" in Form von Schleiern aus Luftblasen erproben: Unter Wasser wird in 60 bis 70 Meter Abstand um den einzurammenden Pfahl ein mit Druckluft befüllter Schlauch gelegt, aus dessen Düsen Blasen aufsteigen. Dies werde den Lärm bei den Rammarbeiten streuen und dämpfen, teilte das federführende Unternehmen Trianel mit. Trianel mit Sitz in Aachen ist ein Gemeinschaftsunternehmen von unabhängigen Stadtwerken. Der Energiehändler und Stromerzeuger wird von mehr als 100 kommunalen Energieversorgern getragen.

Autor: Bernd Grässler
Redaktion: Henrik Böhme