Deutschland souverän im Viertelfinale
26. Juni 2016Ein Jubelsprint in Richtung Mannschaftsarzt, ein vergebener Elfmeter und ein eingestellter Rekord: Für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft war das 3:0 (2:0) im Achtelfinale gegen die Slowakei ein rundum gelungener Abend. Hochverdient zieht der Weltmeister in die nächste Runde ein. Die Slowakei um ihren blassen Superstar Marek Hamsik vom SSC Neapel hatte der torhungrigen und spielfreudigen deutschen Elf so gut wie nichts entgegenzusetzen. Die Tore steuerten Jerome Boateng (8. Minute), Mario Gomez (43.), Julian Draxler (63.) bei. Der deutsche Sieg hätte noch höher ausfallen können, denn Mesut Özil vergab einen Foulelfmeter (13.). "Es gibt schon ein gutes Gefühl, wenn die Mannschaft defensiv gut steht", bilanzierte Bundestrainer Joachim Löw beim Fernsehsender ZDF. "Wir hatten immer die Kontrolle über das Spiel und haben den Ball gut laufen lassen. Es war ein ungefährdeter Sieg."
Im Viertelfinale am Samstag im Bordeaux (21 Uhr MESZ im DW-Liveticker) trifft die deutsche Elf auf den Sieger der Partie zwischen Italien und Titelverteidiger Spanien. "Wir sind nicht hergekommen, um die Vorrunde zu spielen. Wir wollen den Titel und dazu müssen wir große Gegner schlagen", gab sich Torschütze Gomez kämpferisch. "Wir sind gespannt, wer es wird. Es wird ein Highlight", erklärte Draxler.
Doc sei Dank
Wie Bundestrainer Joachim Löw angekündigt hatte, konnte der zuletzt angeschlagene Jerome Boateng spielen. Auch Youngstar Joshua Kimmich war wieder von Beginn an dabei. Die Startelf veränderte Löw nur auf einer Position: Julian Draxler rückte für Mario Götze ins Team - ein genialer Schachzug, wie sich später herausstellen sollte. Die Partie im Stade Pierre Mauroy in Lille begann schwungvoll und mit einem Sturmlauf der Deutschen, die von Beginn an ihrer Favoritenrolle gerecht wurden: In der 8. Minute schlug der Ball zum ersten Mal hinter Matus Kozacik im Tor der Slowaken ein. Boateng hatte nach einer Ecke volley aus der Ferne abgezogen und trocken unten links getroffen - sein Jubelsprint galt dem Mannschaftsarzt. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hatte den Innenverteidiger und dessen lädierte Wade pünktlich zum Achtelfinale wieder fit bekommen, und Boateng dankte es mit einem Tor. Es war in seinem 63. Länderspiel das erste für die DFB-Auswahl. "Zum Glück hat es geklappt", sagte Boateng. "Ohne die medizinische Abteilung hätte ich heute nicht spielen können, deshalb habe ich mich bedankt."
Nur fünf Minuten später hatten die Deutschland-Fans erneut Grund zum Jubeln - allerdings nur kurz: Nach einem Trikotzupfer von Martin Skrtel an Mario Gomez zeigte der polnische Schiedsrichter Szymon Marciniak auf den Elfmeterpunkt. Mesut Özil legte sich den Ball zurecht, lief an und schoss halbherzig, halbrechts und halbhoch - eine willkommene Beute für Kozacik, der keine Mühe hatte, den Ball zu parieren. Für die DFB-Elf war es der erste verschossene Elfmeter bei einer Europameisterschaft seit Uli Hoeneß im Finale 1976 gegen die Tschechoslowakei.
Klinsmann-Rekord egalisiert
Auf den Spielverlauf hatte der Rückschlag für die Deutschen jedoch keinen Einfluss: Der Weltmeister, der als Gruppensieger und als einziges Team in Frankreich noch ohne Gegentor haushoher Favorit war, bestimmte weiter die Partie. Ein wenig fühlte man sich an das dritte Gruppenspiel gegen die Nordiren erinnert - auch hier dominierte Deutschland das Geschehen fast 90 Minuten lang. Allerdings wurde danach auch die mangelnde Chancenauswertung kritisiert - ein knappes 1:0 birgt eben auch Risiken. Und so musste in der 41. Minute Manuel Neuer erstmals ernsthaft eingreifen, als nach einer Flanke des Hertha-Verteidigers Peter Pekarik Juraj Kucka das Kopfballduell gegen Kimmich gewann und den Ball in Richtung linkes oberes Eck wuchtete.
Für klarere Verhältnisse sorgte dann der deutsche Mittelstürmer Gomez mit seinem zweiten EM-Treffer bei diesem Turnier: Draxler setzte sich auf links schön durch, bediente Gomez und der schon unbedrängt zum überfälligen 2:0 ein. Mit seinem insgesamt fünften EM-Tor zog er mit dem deutschen Rekordschützen Jürgen Klinsmann gleich. "Diese Flexibilität, die wir vorne haben, ist genial. Wir müssen aber noch mehr Tore machen", bilanzierte Gomez. "Es ist nicht immer einfach vorn. Es macht einfach Riesenspaß in dieser Mannschaft."
Draxler krönt seine Leistung
Die deutsche Elf startete unverändert in die zweite Halbzeit. Die erste Chance hatten die Slowaken: Kuckas strammer Schuss in der 49. Minute stellte Neuer aber vor keine größeren Probleme. Anders sah es in der 63. Minute auf der anderen Seite aus: Wieder nach einer Ecke köpfte Mats Hummels auf Draxler, der traf aus kurzer Distanz unhaltbar per Drehschuss ins linke obere Eck - die endgültige Entscheidung. Draxler war nicht nur wegen seiner Vorlage und seines Tors überragender Mann des Spiels.
Knapp 20 Minuten vor dem Schlusspfiff gab es dann noch einmal großen Jubel: Die beiden Torschützen Draxler und Boateng durften sich schonen, dafür kamen Lukas Podolski und Benedikt Höwedes auf den Platz und wurden allesamt ausgelassen gefeiert. Wenig später durfte dann auch Kapitän Bastian Schweinsteiger Spielpraxis sammeln. "Oh, wie ist das schön", schallte es in den letzten Minuten von den Rängen. Und - so auch noch nicht oft gehört - die deutsche Nationalhymne. Der Abend in Lille stellte vor allem eines klar: Nach der mäßigen Vorrunde und dem dankbaren Gegner Slowakei geht das Turnier für die deutsche Elf erst richtig los - mit der ersten großen Hürde im Viertelfinale.
Lesen Sie hier noch einmal das Achtelfinale zwischen Deutschland und der Slowakei mit allen Höhepunkten in unserem Liveticker nach: