Eine besondere Beziehung
14. Mai 2018Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind von besonderer Art. Sie werden immer geprägt bleiben von der Shoah, dem Massenmord von Nazi-Deutschland an sechs Millionen Juden. Und doch hat sich das Verhältnis seit 1965, dem Jahr der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen seitens der Bundesregierung beeindruckend entwickelt. Für die frühzeitige Aussöhnung steht vor allem David Ben Gurion (1886-1973). Trotz Holocaust stritt der erste Ministerpräsident Israels für die Sichtweise auf das "andere Deutschland". Ben Gurion und der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer trafen sich nur zweimal - 1960 und 1966 - und doch wirkten beide Staatsmänner fast wie ferne Freunde.
Die ersten offiziellen Gespräche zwischen der Bundesrepublik und Israel begannen schon 1952. Zunächst ging es um ein Wiedergutmachungsabkommen, dann gab es geheime Kontakte für deutsche Waffenlieferungen an Israel. Als das im Spannungsgebiet Nahost 1964 bekannt wurde, war die Aufregung groß. Letztlich war es aber der letzte Anstoß für die Aufnahme der vollen diplomatischen Beziehungen 1965.
Mahnungen wegen des Siedlungsbaus
Das Verhältnis und die Solidarität wurden durch gemeinsame Gedenktage und Besuche deutscher Regierungsvertreter gestärkt. Helmut Kohl reiste in seinen 16 Jahren als Bundeskanzler aber nur zwei Mal nach Israel. Ganz anders Angela Merkel: Bisher besuchte sie Israel sechs Mal. Allerdings werden ihre Reisen seltener. Das könnte auch an Benjamin Netanjahus zunehmend rechts-nationalistischem Regierungskurs liegen. Die Kanzlerin und ihre Regierungen betonen stets das Existenzrecht Israels. Angesichts der israelischen Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten sprechen sie sich aber immer wieder für eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israelis und Palästinenser aus.
Jeder neue israelische Siedlungsbau wird von Mahnungen aus Deutschland begleitet, die gespannte Lage im Land nicht weiter zu belasten. Im Sommer 1994 zog Martin Kobler, heute Botschafter in Pakistan, als erster ausländischer Diplomat nach Jericho ins Vertretungsbüro der Bundesrepublik Deutschland. Die damalige Hoffnung auf eine Friedensdividende für beide Seiten erfüllte sich aber nicht.
Besondere Verantwortung Deutschlands
In Israel genießt Merkel trotz der Meinungsunterschiede in der Palästinenserfrage hohe Wertschätzung. 2008 sprach sie als erste ausländische Regierungschefin überhaupt in der Knesset: Auf Deutsch, der Sprache der Täter. Im deutschen Parlament sprach von der israelischen Seite nur der Staatspräsident Schimon Peres (1923-2016). Er war als Zeitzeuge in der jährlichen Gedenkstunde des Bundestages zum Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Völkermords eingeladen.
In ihrer historischen Knesset-Rede 2008, wirkte die Bundeskanzlerin sichtlich berührt, als sie die Worte sprach: "Gerade an dieser Stelle sage ich ausdrücklich: Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar."
Merkels Worte werden bis heute immer wieder zitiert, aber in Deutschland auch kritisiert. Denn deutsche Soldaten im Nahen Osten, und sei es nur als UN-Blauhelme auf dem Golan, will man sich hierzulande nicht vorstellen. Gerade angesichts der aktuell hoch angespannten Lage zwischen Israel und dem Iran mag wohl niemand laut weiter denken, was diese Verantwortung gegenüber Israel beinhalten könnte.
Israel als Apartheids-Regime?
Die Beziehungen zu Israel sind für deutsche Politiker immer ein höchst sensibles Terrain. Als besonders gut galten sie unter dem Grünen-Außenminister Joschka Fischer. 2001 hielt er sich zu politischen Gesprächen in Tel Aviv auf, als ein palästinensischer Terroranschlag an der dortigen Strandpromenade 21 Tote forderte. Noch Stunden danach versuchte Fischer zwischen der israelischen Seite und Palästinenser-Chef Arafat in Gaza zu vermitteln.
Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erlebte dagegen diplomatische Spannungen. 2016 sagte Regierungschef Benjamin Netanyahu kurzfristig ein Treffen ab, als Gabriel schon in Israel landete, weil der deutsche Außenminister sich auch mit Vertretern von regierungskritischen Organisationen treffen wollte. Ein paar Jahre zuvor hatte Gabriel, damals noch als SPD-Vorsitzender, Hebron besucht und anschließend Israel als ein "Apartheids-Regime" bezeichnet. Der israelische Siedlungsbau in den Palästinensergebieten sorgt stets für Meinungsverschiedenheiten. Im vergangenen Jahr wurden deshalb bilaterale Regierungskonsultationen abgesagt. Jetzt, im 70. Jahr der Staatsgründung Israels sollen sie in Jerusalem nachgeholt werden.
Zwei-Staaten-Lösung als Ziel
Deutschland neuer Außenminister Heiko Maas, ebenfalls von der SPD, bemüht sich um diplomatisches Fingerspitzengefühl. Kurz nach seinem Amtsantritt flog er nach Israel und zeigte Sensibilität in Bezug auf die historische Dimension der deutsch-israelischen Beziehungen. Aber auch er steht in der aktuellen Politik vor einem Spagat: "Eine friedliche Zukunft für das jüdische und demokratische Israel können wir uns nach wie vor nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung vorstellen, sagte er in einer Pressekonferenz und setzt damit den Kurs seines Amtsvorgängers Gabriel in der Sache fort.
In Deutschland vermisst man derzeit Signale, die auf einen friedlichen Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern hindeuten. Dabei ist Deutschland seit längerem nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner für Israel und lieferte wiederholt U-Boote nach Israel. Es gibt zahlreiche gemeinsame Forschungsvorhaben. Doch die politische Beziehung bleibt nicht ohne Spannungen.