Deutschland und Vietnam holen die Bäume zurück
9. September 2005Wer arm ist, kann es sich oft nicht leisten, nachhaltig zu leben - wer aber seine Umwelt und seine natürlichen Ressourcen zerstört, läuft Gefahr, die eigene Armut zu vergrößern - ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. "Das Ziel Nummer 7 betrifft den Norden, also die Industriestaaten gleichermaßen", sagt Peter Christmann vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. "Wir sind genauso verpflichtet wie die Länder des Südens, die Entwicklungsländer, an unseren Produktions- und Lebensweisen etwas zu ändern, damit die globale Umwelt erhalten bleibt."
Vietnam mit eigenen Zielen
Allerdings ist Ziel Nummer 7 auch nicht leicht zu erreichen: Zu viele Interessenkonflikte erschweren oft nachhaltiges und umweltschonendes Wirtschaften - in Nord und Süd. Beispiel Vietnam: Das selbstbewusste Land am Mekong hat seine eigenen Millenniumsziele entwickelt, die Vietnam Development Goals. Die Strategie zur Armutsbekämpfung soll nach dem Willen der Regierung in Hanoi mit einer Wachstumsstrategie verknüpft werden. Bis zum Jahr 2020 will der Reisexporteur Vietnam sogar Industriestaat werden.
Doch wer langfristig Wachstum will, der muss auch seine Natur schützen, warnt Laslo Pancel, der als Forstexperte für die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Hanoi tätig ist. "Man sollte sehr vorsichtig darauf achten, was Vietnam an Ressourcen hat. 32 Prozent der Fläche ist Wald und 70 Prozent der Bevölkerung leben im ländlichen Raum", erklärt er. "Und von der Bevölkerung im ländlichen Raum sind 90 Prozent unter der Armutsgrenze, sodass es durchaus Sinn macht, die Förderung dieses Sektors zu betreiben." Nur wenn die Natur in den Provinzen intakt sei und es Einkommensmöglichkeiten für die Bauern gebe, könne Landflucht verhindert werden, sagt Pancel.
Besser leben mit Bäumen
Beispiele für lohnende Umweltprojekte in Vietnam gibt es schon. Eines davon ist das Wiederaufforstungsprojekt der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau in den Provinzen
Bac Giang, Quang Ninh und Lang Son. Diese Provinzen waren in der Vergangenheit besonders stark von Entwaldung betroffen. Die meisten Haushalte der Region können von der
Landwirtschaft allein nicht leben - das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt nur rund 160 Dollar, etwa die Hälfte des Landesdurchschnitts.
Wer sich aber am Aufforstungsprojekt beteiligt, steigert seine Einkommenschancen. Als Startkapital bekommen die Bauern kostenlos Pflanzgut und Dünger. Sie erhalten langfristige Nutzungsrechte an staatlichem Forstland, frischen die Wälder mit standortgerechten Bäumen auf und bewirtschaften sie. Für die gute und regelmäßige Pflege werden sie mit Pauschalbeträgen entlohnt, die auf so genannte grüne Sparbücher fließen. Das Geld wird verzinst und über einen Zeitraum von acht Jahren ausbezahlt.
Bessere Ernte als Nebeneffekt
Und es gibt noch weitere Vorteile für die Bauern, erläutert Klaus Müller von der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der das Projekt vor Ort begleitet: "Darüber hinaus können sie dann nach vier, fünf Jahren die ersten Produkte von dem Baum ernten. Das sind Früchte, das ist Harz, das ist die Rinde, die Zimtrinde. Da gibt es schon Einnahmequellen." Nach neun oder zehn Jahren folge der erste Holzeinschlag – "gezielt, nicht, dass dann alles abgeholzt wird".
Das Beeindruckende ist nach Müllers Ansicht, "dass die Bauern merken, dass über die Aufforstung hinaus zusätzlicher Nutzen da ist - dass sie zum Beispiel statt einer plötzlich zwei Reisernten haben." Der Grund: Die Aufforstung verbesserten den Wasserhaushalt. Umweltschutz trägt so ganz direkt zu mehr Einkommen bei.