Deutschland zu geizig für Klimaschutz?
16. September 2019Wird Deutschland seine Klimaschutzziele bis 2030 und damit seinen Anteil am Pariser Klimaschutzabkommen erfüllen? Die Ziele für 2020 werden verfehlt, das steht fest. Damit sich dieses Debakel nicht wiederholt, will die Bundesregierung am Freitag ein Klimaschutzgesetz vorlegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sind sich einig: Es muss groß werden.
"Nichts tun ist nicht die Alternative", hat Merkel kürzlich im Bundestag gesagt. Zwar werde der Klimaschutz viel Geld kosten. Ihn zu ignorieren, werde aber noch teurer werden. Finanzminister Scholz gibt dem Thema auch eine wirtschaftliche Dimension. Deutschland müsse technologischer Vorreiter im Klimaschutz werden. Mit den richtigen Maßnahmen könne das Land gleichzeitig ein wirtschaftliches Hochtechnologieland bleiben, gute Arbeitsplätze und unverändert Exporterfolge haben.
"Wir können das, weil wir die wirtschaftlichen Möglichkeiten dafür haben und die Ingenieure", so Scholz nach einer Sitzung des SPD-Vorstands am Montag. Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer ergänzt: "Stellen wir die Weichen richtig, dann kann Klimaschutz mittelfristig besser sein als jedes Konjunkturprogramm."
Wem nützt es?
Die Kanzlerin und ihr Vize haben aber jeder für sich auch ganz persönliche Gründe, warum sie sich so für den Klimaschutz engagieren. Angela Merkels politische Karriere neigt sich dem Ende zu. Wie wird man sich dereinst an sie erinnern? An eine Kanzlerin, die es nicht geschafft hat, dass Deutschland seine selbstgesteckten Klimaziele erreicht? Oder wird Merkel als Klimakanzlerin in die Geschichtsbücher eingehen?
Olaf Scholz will SPD-Vorsitzender werden und seine Partei in der Regierung mit CDU und CSU halten. Das wird nicht einfach in einer Partei, die mehrheitlich gegen die Fortsetzung der großen Koalition ist. Scholz hat den Verbleib in der GroKo daran geknüpft, dass ein großes Klimapaket vorgelegt wird. Damit könnte er in der SPD punkten und die Parteispitze erobern.
Viele einzelne Maßnahmen zum Paket schnüren
Was die Bundesregierung im Einzelnen vorlegen wird, ist bislang nur in Grundzügen bekannt. Es werde ein "Instrumentenmix" sein, kündigt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) an. "Wir werden ein Programm aus ganz verschiedenen Maßnahmen beschließen, die aber alle in die gleiche Richtung lenken, nämlich CO2 zu reduzieren."
Zentraler Baustein werde die CO2-Bepreisung für den Verkehr und die Gebäude sein. Wer in neue Fenster, ein neues Dach oder eine neue Heizung investieren und sein Haus damit klimafreundlicher machen will, darf sich also wahrscheinlich auf einen Steuernachlass und eine Abwrackprämie für Ölheizungen freuen.
Der größte Brocken ist die Verkehrswende
Sieben Millionen Elektroautos will die Bundesregierung auf die Straße bringen. Käufer sollen mit einer Kaufprämie von mehreren tausend Euro gelockt werden. Außerdem sollen viele Millionen zusätzlicher Ladestationen gebaut werden. Grundsätzlich soll mehr Verkehr auf die Schiene verlagert werden.
Die Bahn soll über eine geringere Mehrwertsteuer für Tickets günstiger gemacht, der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut werden. Die CDU will die Abgabe auf Flugtickets auf knapp 15 Euro verdoppeln. Außerdem soll die Mautpflicht für den Güterlastverkehr in Deutschland auf alle Straßen ausgeweitet werden.
Wie teuer ist Treibhausgas?
Während die Union bei der CO2-Bepreisung aber auf den Handel mit Emissionen und damit auf eine marktwirtschaftliche Lösung setzt, fordert die SPD höhere Energiesteuern. "Wer die Umwelt stärker verschmutzt als diejenigen, die sie schonen, muss dafür in Zukunft einfach mehr bezahlen", fordert die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer. "Wer die Umwelt schont, muss davon auch finanziell profitieren."
Die Sozialdemokraten pochen darauf, dass die Klimawende auch für Geringverdiener machbar sein muss. "Wir wissen um die Angst der Leute vor teuren und schnellen Veränderungen", so Dreyer. Deshalb werde die SPD dafür sorgen, "dass es dabei sozial bleibt und gerecht zugeht".
An anderer Stelle sparen, oder Schulden machen?
Einerseits erwartbar hohe Kosten, auf der anderen Seite sollen die Bürger möglichst wenig belastet werden. Wie passt das zusammen? "Zur Wahrheit gehört dazu, dass Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist, das gilt für den Bundeshaushalt und für die Bürgerinnen und Bürger", warnt Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Für 2020 hat er einen ausgeglichenen Bundeshaushalt geplant, der keine neue Verschuldung vorsieht. Aber ist das zu halten?
Durch einen CO2-Preis, höhere Ticketabgaben bei Flügen oder eine höhere Kfz-Steuer gebe es zusätzliche Einnahmen. Dadurch entstehe ein Handlungsspielraum, "der größer ist, als man denkt", so Scholz, der bei seinen Rechnungen auch den Koalitionspartner im Blick hat. Die Union will die "schwarze Null" auf keinen Fall opfern, auch nicht für den Klimaschutz. Deshalb debattiert man in der CDU hart, wie teuer er eigentlich werden darf. Zur Not müsse im Bundeshaushalt an anderer Stelle gestrichen, also eingespart werden, heißt es aus der CDU-Spitze. Das allerdings dürfte mit der SPD nicht zu machen sein.
Die Schuldenbremse reformieren?
Während Olaf Scholz offiziell noch zur "schwarzen Null" steht, hätte eine Mehrheit in der SPD gegen neue Schulden nichts einzuwenden. Zumal ein ausgeglichener Haushalt gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Seit 2011 ist im Grundgesetz zwar verankert, dass Deutschland nicht mehr über Gebühr neue Schulden machen darf. Allerdings gibt es einen Spielraum von 0,35 Prozent des BIP, also der Wirtschaftskraft. Das wären momentan rund zwölf Milliarden Euro neue Schulden jährlich. Bei der Finanzierung des Klimapakets wäre das sicherlich hilfreich.
Selbst aus der Wirtschaft werden inzwischen Forderungen laut, nicht um jeden Preis an der schwarzen Null festzuhalten. Die Grünen wollen sogar noch einen Schritt weiter gehen. Die Schuldenbremse, wie sie jetzt bestehe, stamme aus einer Zeit, in der politische Handlungsfähigkeit durch hohe Zinsen eingeschränkt gewesen sei, argumentiert der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck und fordert eine Anpassung der deutschen Schuldenbremse an die europäischen Stabilitätsvorgaben. Das würde dem Staat zwischen 30 und 35 Milliarden Euro jährlich an zusätzlichem Spielraum geben", rechnet Habeck vor.