Flüchtlingshelfer sind motiviert
5. August 2016"Jedes Orchester, jedes Theater stellt uns Karten zur Verfügung. Man sagt uns: Wir wollen was mit Flüchtlingen machen", berichtet die Helferin einer Stuttgarter Flüchtlingsinitiative in einer jetzt veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung. Für Flüchtlingshelfer eigentlich eine erfreuliche Sache. Gleichzeitig ist es ein Dilemma, das viele Ehrenamtliche kennen: Jemand stellt eine Tüte mit aussortierten Winterklamotten in Größe XXL vor die Tür. Doch wer sortiert diese, wäscht und verteilt sie am Ende? Gebraucht werden vor allem Menschen, die sich längerfristig engagieren, heißt es in der Studie - und professionelle Unterstützung.
Im Frühjahr dieses Jahres fragte die Bertelsmann-Stiftung in 17 verschiedenen Kommunen bei 25 Flüchtlingshelfern nach, wie es um die Flüchtlingshilfe aktuell steht. "Das Engagement lässt keineswegs nach, sondern ist in sehr hohem Maß stabil", sagt Bettina Windau, Leiterin des Bereichs "Zukunft der Zivilgesellschaft" bei der Bertelsmann-Stiftung im Gespräch mit der Deutschen Welle. Damit die Hilfe auch langfristig wirkt, sei jedoch eine bessere Verzahnung zwischen bürgerschaftlichem Engagement und den Kommunen nötig.
Insbesondere in administrativen Fragen stoßen Helfer oft an ihre Grenzen. Wenn es etwa darum geht, sich durch den Dschungel des Asylrechts zu navigieren oder Formulare für Menschen auszufüllen, die bereits ein Bleiberecht erhalten haben. "Dann fängt die Arbeit ja eigentlich erst richtig an, mit Hartz-IV beantragen, eventuell für eine Wohnung etwas ausfüllen und und und“, sagt ein Mitglied der "Flüchtlingshilfe Flensburg".
Für die Studie befragten die Forscher Helfer aus ganz Deutschland. Sie führt vom südöstlichsten Zipfel der Republik in Passau, wo zu Spitzenzeiten bis zu 5000 Menschen am Tag nach Deutschland einreisten, bis in den Norden nach Flensburg, wo etliche Flüchtlinge am Bahnhof auf der Weiterreise nach Schweden zwischenzeitlich strandeten. Auch Helfer in kleineren Kommunen wurden befragt und Helfer, die in Orten in Ostdeutschland leben, an denen die Ressentiments gegen Fremde häufig besonders groß sind.
Vom Nothelfer zum Integrations-Lotsen
Der größte Unterschied im Vergleich zum letzten Sommer: Die Flüchtlingshelfer sind inzwischen besser organisiert. "Aus dem spontanen Engagement ist ein strukturiertes Vorgehen geworden", sagt Windau. Vielerorts wurden Vereine gegründet, die Hilfe habe sich professionalisiert. So gibt es inzwischen sogar Vorbereitungskurse für Ehrenamtliche, in denen sie zum Beispiel etwas über interkulturelle Missverständnisse lernen.
Ging es anfangs darum, die Neuangekommenen in umfunktionierten Sporthallen mit dem Nötigsten zu versorgen, geht es jetzt um Integration. Die freiwilligen Helfer übernehmen dabei oft Aufgaben, die normalerweise der Staat leisten müsste: Sie geben Deutschsprachkurse, suchen Wohnungen, übersetzen Anträge und Formulare, organisieren Fußballturniere und Ferienprogramme für Kinder. Für viele Flüchtlinge sind die Freiwilligen eine wichtige Brücke zu Behörden.
Diese Arbeit klappt bisher relativ gut - auch weil sich einige Ehrenamtliche quasi rund um die Uhr kümmern. Das Gefühl von Überforderung oder gar ausgenutzt zu werden - diese Rückmeldung geht nicht aus der Studie hervor.
Engagement für ein tolerantes Land
Die Helfer wurden kurz nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht befragt, als sich in Deutschland eine negative Stimmung gegen Flüchtlinge breitmachte. "Viele wollten dann ganz bewusst ein Zeichen gegen rechtes Gedankengut setzen", sagt Bettina Windau von der Bertelsmann-Stiftung. So seien die Helfer in Dresden und Gera, wo Pegida-Anhänger häufig gegen Fremde protestieren, besonders gut untereinander und mit den Behörden vernetzt.
Gerade nach den Gewalttaten der vergangenen Wochen, an denen offenbar auch Flüchtlinge beteiligt waren, seien die engagierten Freiwilligen eine zentrale Stütze, so Windau weiter. Durch ihre Arbeit werde in den Kommunen eine positive Stimmung gegenüber Geflüchteten erhalten, heißt es in der Untersuchung. Die Studie empfiehlt Städten und Gemeinden, weitere Koordinationsstellen aufzubauen und freiwilliges Engagement öffentlich mehr anzuerkennen.