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Keine Hürde zu hoch

Jutta Wasserrab17. Dezember 2013

Seit 2011 ist Sabine Lautenschläger Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. Jetzt soll sie Jörg Asmussen, der als Staatssekretär ins Arbeitsministerium nach Berlin wechselt, im EZB-Direktorium ersetzen.

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Sabine Lautenschläger-Peiter (Foto: Bundesbank)
Bild: Deutsche Bundesbank

Wie oft wird es die Dame vom Bundeskriminalamt (BKA) gefuchst haben, dass sie diese Lautenschläger nicht für ihre Mannschaft gewinnen konnte. Wegen eines Sporttests. Den die junge Frau hätte machen sollen, obwohl sie sich doch um eine Stelle im höheren Dienst beworben hatte - Verbrecher durch Straßen jagen ausgeschlossen. "Jetzt stellen Sie sich vor, ich würde so ein Seil hoch klettern und über Hürden springen", sagt Sabine Lautenschläger, die nicht größer sein dürfte als 1,65 Meter und amüsiert sich köstlich bei dem Gedanken, während sie sich ausgelassen auf den Schenkel klopft.

Mitte der Neunziger ist das. Da bewirbt sich die junge Juristin, die gerade ihr zweites Staatsexamen in der Tasche hat, beim Bundeskriminalamt. Außerdem noch beim Verteidigungsministerium, bei einem juristischen Verlag als Lektorin und beim damaligen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred). Eines wird da schon deutlich: Angst vor Männerdomänen hat Lautenschläger nicht.

Wovon andere Frauen nur träumen

Die Dame vom BKA telefoniert sogar noch hinter Lautenschläger her, als diese bereits eine Stelle in Berlin angetreten hat. Glück hat die Hartnäckige deshalb keines, aber immerhin einen guten Riecher, denn Lautenschläger bringt es in nur sechzehn Jahren von der Referentin bei der Finanzaufsicht zur Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. Eine Frau in dieser Position: Das ist in der Geschichte der Bank einmalig.

Foto von Skyline Chicagos (Foto: dpa)
Lehrjahre in Chicago: "Das war die schönste Zeit in meinem Leben"Bild: DW

"Ich bin gut vernetzt"

Sabine Lautenschläger bewirbt sich viermal, gleich nachdem sie ihr Jura-Studium in Bonn abgeschlossen hat. Danach nie mehr. Sie wird immer gerufen, angesprochen, gefragt - von Männern. 1999 sucht Wolfgang Artopoeus, Chef des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen, einen Pressesprecher. "Ich bin gefragt worden, wahrscheinlich weil manche Leute im BAKred damals schon erkannt haben, dass ich gut vernetzt bin und gerne kommuniziere", sagt Lautenschläger im März des vergangenen Jahres in einem Interview mit der DW.

Gebäude der Deutschen Bundesbank (Foto: Bundesbank)
Lautenschlägers Arbeitsbereich bei der Bundesbank: BankenaufsichtBild: Deutsche Bundesbank

Sie lernt das schon im Elternhaus. Der Vater Konditor, das Haus stets offen, die Eltern pflegen Beziehungen und Kontakte. Mehrere Umzüge führen bei der gebürtigen Stuttgarterin nicht dazu, dass sie abstumpft, sondern dass sie sich neugierig darauf einlässt, anderes kennen zu lernen, wie sie sagt.

Die eindringlichste Lehrzeit aber ist die Zeit, die sie während ihres Referendariats beim Auswärtigen Amt in Chicago verbringt - mit ihrem Mann und ihrer damals knapp zweijährigen Tochter. "Das war sowohl beruflich wie privat die schönste Zeit in meinem Leben", sagt Lautenschläger noch zwei Dekaden danach. Beim Auswärtigen Amt lernt sie, wie wichtig Vernetzung ist. Die Menschen dort erlebt sie als außerordentlich offen und kommunikativ: "Sie können sich mit jedem unterhalten. Das fand ich für mich als Vorbild sehr wichtig."

Stärken nicht verstecken

Lautenschläger denkt über Weihnachten nach und nimmt 1999 den Job als Pressesprecherin des BAKred an. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass sie gefragt wird und zusagt. Sie baut die Öffentlichkeitsarbeit komplett neu auf - "obwohl ich ja wirklich keine Vorbildung hatte", sagt sie und kokettiert ein wenig als sie hinzufügt, "ich hatte eine Zeitung abonniert." Sie findet es keineswegs unlogisch, als Juristin eine solche Stelle anzunehmen. Viel abwegiger findet sie da die Frage, ob diese Arbeit ihrem Gestaltungsdrang genügend Raum geboten habe. Und immer wenn sie eine Frage irritiert, weicht sie mit dem Oberkörper ein wenig nach hinten aus, lächelt dann fein und holt zum Gegenschlag aus, immer aber so, dass ihr Gegenüber das Gesicht wahren kann.

Foto vom Gebäude der EZB
Im EZB-Rat vertritt Lautenschläger den BundesbankpräsidentenBild: picture-alliance/dpa

Es ist in dieser Zeit als Pressesprecherin, als sie ihren Chef Artopoeus bittet, bei der wichtigsten Sitzung, der Abteilungsleitersitzung dabei zu sein. Was sie dort sieht, ist vermutlich ein Kreis ergrauter Herren, was sie dort hört, ist von großem Wert für ihr späteres Berufsleben: Lautenschläger erhält einen tiefen Einblick in die Finanzinstitute und die Entscheidungen des BAKred - und kann ganz nebenbei ihr Netzwerk vergrößern.

Es dauert nicht lange, da spricht sich unter den Journalisten herum, dass Lautenschläger nicht nur gerne, sondern auch mit Sachverstand redet. Sie sagt das so ohne Umschweife. Und sie wirkt dabei nicht wie jemand, der dick aufträgt, sondern wie jemand, für den es ganz natürlich ist, seine Stärken ins Spiel zu bringen.

Raus aus altem Rollenverhalten

Das BAKred ist schon seit Jahren in der Bonner Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aufgegangen, das Haus von 360 auf 1200 Mitarbeiter angewachsen, als Lautenschläger 2008 gefragt wird, ob sie die Stelle der obersten deutschen Bankenprüferin übernehmen will. Sie ist nicht die erste, die gefragt wird, aber sie ist die erste, die zusagt. Im April wird sie zur Exekutivdirektorin im Bereich Bankenaufsicht ernannt, im September die Katastrophe: Die Lehman-Bank bricht zusammen.

Sie arbeitet sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Ihre Eltern hätten ihr das Gefühl mit auf den Lebensweg gegeben, alles erreichen zu können: "Mein Vater kann sich nicht vorstellen, dass seine Tochter irgendetwas nicht kann." Das klingt nach moderner Erziehung, in einer Zeit, da viele noch das Rollenmodell der Hausfrau- und Mutter für Mädchen im Kopf haben.

Lautenschläger denkt nicht in vorgegebenen Mustern. Von Anfang an übernimmt sie die Rolle der Familienernährerin, ihr Mann übernimmt die Rolle des Hausmanns und kümmert sich um die gemeinsame Tochter.