Deutschlands heimliches Golfparadies
27. Juni 2012Den Golfsport von seinem versnobten Image zu befreien - das war Uwe Riepers Ziel, als er die bundesweite Turnierreihe "Deutschland spielt Golf" ins Leben rief. Rieper kommt aus Norddeutschland, aber wenn er über die Hauptstadt redet, ist von nordischem Understatement keine Spur: "Die Mischung bei der Berliner Golfwoche aus Urlaubs-, Turnier- und typischen Clubgolfern ist einmalig in Deutschland. Es gibt da einen Klüngel - im positiven Sinne."
Mehr als 20 Golfclubs sind in und um Berlin beheimatet. Einige der Anlagen gehören zu den besten des ganzen Landes. Doch egal wie gepflegt die Wiesen sind, ab und an weht eine freakige Berliner Luft.
Tiefseetaucher, Disco-Queens und Scheichs
Ein Paradebeispiel ist das alljährliche Royal Benzinger-Turnier. Benannt nach dem schlechtesten aller möglichen Golfschläge, in dem der Spieler versehentlich seinen Ball mit Erde umhüllt, ist dieses Event die bewusste Negation eines üblichen Golfwettbewerbs. Teilnehmer verkleiden sich als Tiefseetaucher, Disco-Queens und arabische Scheichs in der Hoffnung, den "best dressed award" zu ergattern. Prämiert werden außerdem nicht nur gute, sondern auch grottige Leistungen, unter anderem natürlich der schlimmste "Benzinger".
Die Mehrheit der Berliner Golfanlagen wurde in den 90er Jahren gebaut, als die Erwartungen für die Hauptstadt des wiedervereinten Deutschlands noch deutlich über "arm, aber sexy" hinausgingen. Mancher Golfclub hat inzwischen an der wirtschaftlichen Trägheit der Region zu knabbern, wovon vor allem jüngere Golfspieler profitieren.
Breiter, jünger, mittelschichtiger
Die Kosten einer Mitgliedschaft im Golfclub, sagt Jana Hanke, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der ehrenamtlichen Studenteninitiative Uni-Golfteam Berlin, seien mit denen eines guten Fitness-Studios vergleichbar. Um neue Mitglieder zu werben, bieten viele Golfclubs eine Jahresmitgliedschaft ab 900 Euro an. "Die Golfer-Klientel wird breiter, jünger, mittelschichtiger", sagt Hanke.
Die vom Uni-Golfteam Berlin organisierten Turniere sind Teil der deutschlandweiten Unigolftour mit mittlerweile zehn Events. Die beiden Veranstaltungen in Berlin sind besonders beliebt, nicht zuletzt wegen des Berliner Nachtlebens. "Es reisen immer mehr Studenten aus ganz Deutschland an, um an unseren Turnieren teilnehmen zu können und dabei auch das besondere Flair der Hauptstadt zu genießen," sagt Hanke. Sekt oder billiges Sternburg-Bier? In der Berliner Golfszene stellt sich die Frage selten, denn es gibt eine Anlage für fast jeden Stil.
Gediegen, sadistisch oder schottisch
Vom 30. Juli bis zum 3. August 2012 bietet Uwe Riepers Turnierreihe "Berliner Golfwoche" Sportsfreunden die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten auf fünf verschiedenen Plätzen zu beweisen. Ein Highlight ist der Golfclub Gatow. Die Anlage wurde 1969 von englischen Armeeangehörigen gebaut und wirkt heute immer noch "very British": gewitzt, elegant und gediegen.
Man kann die Plätze aber natürlich auch auf eigene Faust entdecken. Jana Hanke empfiehlt ihren Heimatclub Stolper Heide und insbesondere den von Bernhard Langer konzipierten Westplatz. Dessen lange, enge und zum Schluss nasse "Bahn 10" läßt keinen Zweifel daran, daß der zweimalige US-Masters-Sieger einen kleinen Hang zum Sadismus hat.
Große Namen tragen auch der Sandy-Lyle-Platz beim Golfpark Schloss Wilkendorf, der von Robert Trent Jones entworfene Südplatz beim GC Seddiner See und die Nick-Faldo- und Arnold-Palmer-Plätze beim Sporting Club Berlin Scharmützelsee.
Der Faldo-Platz wurde vom Magazin "Golf Journal" zum besten Platz Deutschlands gekürt und ist berühmt-berüchtigt für seine mannshohen Topfbunker nach schottischen Vorbild, die wegen ihrer Tiefe und steilen Wände eine echte Herausforderung für Golfspieler sind. Manche Berliner empfinden dagegen den Palmer-Platz als die vielfältigere und größere Herausforderung.
Eine selbst zusammengestellte Tour kostet auch nicht die Welt. Wenn man unter der Woche spielt und diverse Sonderangebote wahrnimmt, kommt man als Gast auf eine durchschnittliche Greenfee von unter 50 Euro. Egal wo oder für wieviel man spielt, die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass man jemand Interessantes kennenlernt. Und sollte man eine Disco-Queen oder einen Scheich sichten, einfach cool bleiben. Die Benzingers sind viel harmloser, als sie aussehen.