Deutschlands Problem mit den Seltenen Erden
11. März 2024Zu den wichtigen nach Deutschland eingeführten Rohstoffen zählen Kupfer, Lithium und Seltene Erden. Zu diesen, auch als Seltene Erdelemente (SEE) bezeichneten Metallen, gehören Scandium, Cer, Promethium, Terbium und Thulium sowie zwölf weitere Elemente. Sie kommen gar nicht so selten vor (das seltenste, Thulium, gibt es häufiger als etwa Gold), sie sind nur selten in Mengen zu finden, dass sich ihr Abbau wirtschaftlich lohnt.
Eine in der vergangenen Woche erschienene Studie des Beratungsunternehmens IW Consult und des Forschungsinstituts Fraunhofer ISI im Auftrag von KfW Research (eine Tochter der bundeseigenen KfW Bank) beleuchtet den Import und untersucht seine Bedeutung für Wertschöpfung und Beschäftigung. Sie nimmt die mineralischen Rohstoffe Kupfer, Lithium und die SEE-Gruppe unter die Lupe, weil sie entscheidend sind für Schlüssel- und Zukunftstechnologien.
Anbieter mit großer Marktmacht
Laut Studie hängt fast ein Drittel der Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe von der Produktion kupferhaltiger Waren ab. Ein Zehntel der Wertschöpfung entfällt auf die Herstellung lithiumhaltiger Güter und 22 Prozent auf Waren mit Anteilen von SEE. Besonders abhängig: Autobauer und ihre Zulieferer sowie die Hersteller von elektrischen, elektronischen und optischen Waren.
Zur Abhängigkeit von Importen kommt die Tatsache, dass der Rohstoffmarkt von nur wenigen Anbietern beherrscht wird, die eine große Marktmacht haben. Die größten Vorkommen Seltener Erden gibt es in China. Lagerstätten in Grönland, Kanada und Schweden sind noch nicht ausreichend untersucht und daher nicht quantifizierbar.
Fast ein Drittel der lithiumhaltigen Importe Deutschlands und 19 Prozent bei Kupfer und Seltenen Erden gelten als risikobehaftet. Bei Lithium und den Seltenen Erden hätten die größten drei Anbieter einen Marktanteil von über 80 Prozent. Besonders wichtig für den deutschen Markt: Russland bei Kupfermetallen und Chile bei Lithiumkarbonat, das zu 72 Prozent von dort kommt. Bei den Importen Seltener Erden bestehe noch für längere Zeit eine hohe Abhängigkeit von China, das 84 Prozent der SEE-Importe liefert.
Schlimmer als bei russischem Gas
Diese Abhängigkeit beobachtet auch Matthias Wachter, Abteilungsleiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Der DW sagte er: "Die Abhängigkeit bei vielen nichtenergetischen Rohstoffen aus China ist bereits heute größer als sie bei Gas aus Russland war." Der Import etwa von Bergwerks-, Raffinade- und Handelsprodukten sei mit "der höchsten Risikostufe" behaftet. Riskant sei dabei "weniger die physische Verfügbarkeit der Rohstoffe, sondern deren Konzentration bei der Exploration und insbesondere Weiterverarbeitung in China. Das macht anfällig und erpressbar. Mit den Exportkontrollen für einige SEE hat China bereits gezeigt, dass es an den entsprechenden Stellschrauben drehen kann."
Cornelius Bähr, Senoir Consultant beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (dessen Tochter IW Consult gehört zu den Verfassern der Studie), wies gegenüber DW auf jene Rohstoffe hin, die absehbar immer mehr nachgefragt werden: "Etwa Lithium für die Produktion von Batterien." Dabei bestätigt er auch die Befürchtung von Matthias Wachter: "Ein weiterer Risikofaktor ist eine hohe Konzentration auf einzelne Länder, wenn diese gleichzeitig mit strategischen Handelsbeschränkungen drohen - zum Beispiel Gallium, Germanium oder Graphit, die vor allem aus China importiert werden."
Noch, so Wachter, lägen die Ausfälle von Lieferungen "nicht auf einem kritischen Niveau". Doch von zuverlässigen Lieferketten könne "keine Rede sein". Im Moment zeigten die Huthi-Rebellen auf der arabischen Halbinsel "der Welt die Fragilität des globalen Handels auf". Auf politische Risiken verweist auch Cornelius Bähr. Etwa die "Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA, aber auch zwischen China und der EU. Sie führen zu wechselseitigen Beschränkungen von Exporten oder zumindest Androhungen solcher Beschränkungen."
Was zu tun ist
"Rohstoffsicherheit erfordert die Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette vom Abbau bis zum importierten Vorprodukt." Zu diesem Schluss kommt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW - die bundeseigene Bank hatte die Studie in Auftrag gegeben. "Eine resiliente Rohstoffversorgung verursacht jetzt erst einmal Kosten, letztendlich ist sie aber Voraussetzung, um die grüne und digitale Transformation zu gestalten."
"Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Abhängigkeiten zu verringern und mehr Resilienz aufzubauen geht nicht über Nacht", weiß auch Matthias Wachter vom BDI. Entscheidend sei die "Diversifizierung und der Aufbau neuer Kapazitäten. Eine Stärkung der heimischen Förderung ist Teil der Lösung. Deutschland ist entgegen der weit verbreiteten Meinung sehr reich an vielen Rohstoffen."
Cornelius Bahr mahnt, dass Deutschland aktiv werden müsse, durch "Diversifizierung der Lieferländer, Substitution kritischer Rohstoffe, Ausbau eigener Ressourcen und eine Stärkung des Recyclings. Voraussetzung dafür sind passende Standortbedingungen (z.B. Energiekosten) und die Akzeptanz in der Bevölkerung."
Ja, und wenn nicht?
Matthias Wachter mahnt eine breitere Aufstellung der deutschen Wirtschaft an: "Mangelnde Diversifizierung von Lieferketten gefährdet die deutsche Versorgungssicherheit. Auch wenn mögliche wirtschaftliche Folgen eines solchen Worst-Case-Szenarios nicht seriös zu bemessen sind, kann man sagen, dass der Industriestandort Deutschland und damit unser Wohlstand massiv gefährdet wären. Denn: Ohne Rohstoffe können Industrieunternehmen nicht arbeiten und wir werden auch die Klimaziele nicht erreichen."
"Ohne Zugang zu Rohstoffen besteht das Risiko, dass keine entsprechende industrielle Produktion hier stattfinden kann", sagt auch Cornelius Bähr und nennt ein konkretes Beispiel: "Ohne Zugang zu Lithium kann keine Batterieproduktion stattfinden. Dann müssten die Batterien importiert werden. Wenn die nicht importiert werden können, können keine E-Autos gebaut werden. Entsprechend würden industrielle Wertschöpfung und Arbeitsplätze verloren gehen."