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Deutschlehrer united

Aya Bach5. August 2005

Nicht nur die neue Rechtschreibung ist für viele Deutschlehrer ein Dauerthema. Für alle Lehrenden im Ausland gibt es noch weitere Probleme. Deshalb findet in Graz ein internationales Treffen statt.

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Viele fragende BlickeBild: dpa

150 Veranstaltungen, 900 Referenten: Die Internationale Deutschlehrer-Tagung in Graz beansprucht für sich, die größte Tagung zu sein, die jemals in deutscher Sprache abgehalten wurde. Das mag schon stimmen: Während im deutschsprachigen Raum noch vor rund 80 Jahren Deutsch die Wissenschaftssprache Nummer eins war, erscheinen inzwischen gerade noch knappe zwei Prozent aller naturwissenschaftlichen Publikationen auf Deutsch.

In den Geisteswissenschaften sieht das zurzeit noch anders aus, aber der allgemeine Trend ist für Deutschlehrer in aller Welt problematisch. Sie machen täglich Werbung für die deutsche Sprache, müssen Schüler und Studenten motivieren - und das ist leichter, wenn deutlich ist, dass die beworbene Sprache "wichtig" ist und die Anstrengung sich lohnt.

Nötige Standortbestimmung in Graz

100 Millionen Menschen in Europa sind deutsche Muttersprachler, verteilt auf sieben Länder - darunter auch Liechtenstein, Luxemburg, Belgien und Italien, wo eine Minderheit in Südtirol Deutsch spricht. Damit ist Deutsch die stärkste europäische Sprach-Fraktion.

Trotzdem ist das Deutsche in der Öffentlichkeit ein ungeliebtes Kind. Politiker wie Wissenschaftler heben das Deutsche ungern aufs Podest und suchen oft nach englischen Ausdrücken. Ein Grund: Die Nazi-Vergangenheit, die alles, was irgendwie deutsch ist, diskreditiert hat.

Doch die Verleugnung der eigenen Sprache - so der Tenor in Graz - löst keine Probleme. Das meint auch der Schweizer Tagungspräsident Paul Portmann-Tselikas: "Ich denke, man soll zu seiner Identität stehen, und diese zweifelhafte Position, die die Deutschsprachigen sich selbst gegenüber haben, und die ihnen auch von außen entgegengebracht wird, die wird nicht geflickt dadurch, dass man einfach ausweicht, im Gegenteil!"

Deutsch-Englisch-Deutsch

Oft erscheint das bemühte Englisch auch als missglückter Versuch, die eigene Weltläufigkeit zu beweisen, erzählt Tagungspräsident Hans-Jürgen Krumm: "Diese mangelnde Sprachloyalität wird uns auch sehr angekreidet. Das geht im Übersetzungsdienst der EU zum Beispiel so weit, das gesagt wird, wir müssen das schlechte Englisch der Deutschen erst wieder ins Deutsche oder ins Französische übersetzen."

Dabei will in Graz niemand Front gegen Englisch als Verständigungssprache machen, betont Krumm: "Dass der Mensch Englisch kann, gehört wie der Führerschein und die PC-Benutzung dazu. Interessant wird der Mensch erst mit den Sprachen, die er darüber hinaus kann."

Darum plädieren die Deutschlehrer dafür, die Mehrsprachigkeit zu fördern - Deutsch etwa als zweite Fremdsprache neben dem Englischen. Und sie fordern eine Sprachenpolitik, die den Deutschunterricht im Ausland fördert statt ihn wegzusparen - etwa im Bereich der Goethe-Institute.

Ein zweiter Appell geht an die Wirtschaft. Die Präsidentin des Internationalen Deutschlehrerverbandes, Helena Hanuljaková, lebt in der Slowakei. In Osteuropa gab es nach der politischen Öffnung zunächst einen Deutsch-Boom - doch der ist längst abgeflaut. "Das liegt eigentlich daran, dass die deutschsprachigen international tätigen Konzerne, die in unsere Länder kommen, Englisch als Arbeitssprache verlangen. Und das bedeutet, dass die Leute nicht mehr motiviert sind, Deutsch zu lernen."

Sprache ist nicht einfach nur Sprache

Aber Sprache ist eben mehr als ein Verständigungsmittel, mit dem man Flugtickets bestellt oder einen Geschäftstermin ausmacht. Jede Sprache erschließt ein spezifisches Denken, eine besondere Auffassung von Dingen. Da muss man nicht einmal das hochtrabende Wort vom kulturellen Eigenwert bemühen. "Ich denke, dass wir in Sprache auch unsere unterschiedlichen Wahrnehmungen von Welt ausdrücken, und deshalb ist es gerade für die Wissenschaften, die sich der Wahrnehmung von Welt, der Sicht auf Welt widmen, ganz wichtig zu wissen, dass ihre Konzepte, ihre Theorien, vielfach auch etwas mit der Sprache, in der diese beschrieben werden, zu tun hat."

Die Tagung in Graz will nicht nur fachliche Details erörtern, sondern auch ein sprachpolitisches Signal setzen, sagt die Koordinatorin Brigitte Sorger: "Wir hoffen, dass die Lehrer einen Motivationsschub dadurch bekommen, dass sie Rückhalt spüren, dass sie mit ihren Anliegen und ihrem Engagement nicht alleine sind."

Das dürfte schon durch die schiere Größe gelingen - über 2000 Menschen - so viele sind noch nie zusammengekommen, um sich mit der Vermittlung der deutschen Sprache zu beschäftigen.