Verstößt Deutschland gegen EU-Recht?
9. August 2013Für Asefe Weindlmayr ist es das Wichtigste, möglichst schnell zu ihrem Mann nach München zu ziehen. Doch der deutsche Staat lässt sie zunächst nicht. Trotz Hochzeit muss das junge Paar getrennt leben. Denn Asefe Weindlmayr kann kein Deutsch.
Laut dem deutschen Aufenthaltsgesetz vom August 2007 müssen bei Antrag auf Ehegattennachzug einfache Deutschkenntnisse nachgewiesen werden. Asefe Weindlmayr kennt aber nur ein paar deutsche Wörter. Sie arbeitet in Teheran für ein großes deutsches Unternehmen im Projektmanagement. Neben ihrer Muttersprache Persisch spricht sie Arabisch und Englisch. Ihren deutschen Ehemann hat sie durch die Arbeit kennengelernt.
Die Voraussetzungen für sie, möglichst schnell die geforderten Sprachkenntnisse vorzuweisen, sind also gut. Mit ihren 26 Jahren ist sie noch jung, sehr gut ausgebildet und hat Erfahrung mit dem Erlernen fremder Sprachen. Trotzdem fällt es ihr nicht ganz leicht, den geforderten Sprachnachweis zu erbringen: "Ich war Vollzeit beschäftigt und musste auch öfter beruflich reisen", sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Daher war es mir nicht möglich, noch zusätzlich regelmäßig einen Deutschkurs zu besuchen."
Fernsehen und Onlinekurs
Weindlmayr versucht es auf eigene Faust, lernt nach der Arbeit alleine. Sie guckt deutsches Fernsehen und nutzt die Onlinekurse der Deutschen Welle. Schon nach drei Monaten intensiver Vorbereitung will sie die Prüfung ablegen. "Ich hatte viel Stress und stand unter Druck, weil ich wusste, das ist die einzige Chance, endlich mit meinem Mann leben zu können." Doch die Prüfung läuft gut. Nach weiteren drei Monaten hat sie endlich die notwendigen Papiere und kann zu ihrem Mann nach Deutschland reisen.
Doch nach Ansicht der EU-Kommission verstoßen solche Sprachtests gegen europäisches Recht. Daher wurde im Mai dieses Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Im ersten Schritt hatte nun die Bundesregierung die Möglichkeit, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen.
Im Kern geht es um eine Frage der Auslegung. Laut der EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung haben die Mitgliedsstatten die Möglichkeit, "Integrationsmaßnahmen" von den ausländischen Ehepartnern zu verlangen. Genau darauf beruft sich die Bundesregierung.
Sprachkurse nicht überall möglich
Swenja Gerhard, Juristin vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF) in Frankfurt, kennt die Probleme, die das deutsche Aufenthaltsrecht für viele Ehepaare verursacht. Ihr Verband hält die Sprachtests vor der Einreise für falsch. "In vielen Ländern gibt es überhaupt nicht die Möglichkeit, eine Sprachschule zu besuchen." Auch sei eine funktionierende Strom- und Internetversorgung oftmals nicht vorhanden, um an einem Computer als Autodidakt die Sprache zu erlernen, ganz abgesehen davon, dass nicht jeder die persönlichen Voraussetzungen dafür mitbringt.
Sie plädiert daher für verbindliche Sprachkursangebote in Deutschland. Das sei viel effektiver und deutlich leichter umsetzbar. Solche "Integrationskurse" gibt es auch jetzt schon - jedoch erst als zweite Stufe, nachdem der grundsätzliche Sprachnachweis schon im Heimatland erbracht wurde.
Den Goethe-Instituten weltweit hat die Richtlinie seit 2007 starke Zuwächse in der Nachfrage nach Kursen gebracht. "Wir waren schlagartig mit einer zusätzlichen Aufgabe betraut, die wir vorher so nicht hatten. Sich auf diese neue Zielgruppe einzustellen, war schon eine enorme Herausforderung, auch in methodisch-didaktischer Hinsicht", erklärt Klaus-Thomas Frick, Referent für den Ehegattennachzug beim Geothe-Institut.
Erfolgsquote schwankt
Wie erfolgreich die notwendigen Prüfungen abgelegt werden, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Während 2012 in Ländern wie Bangladesch, dem Kosovo, Pakistan oder Äthiopien mehr als die Hälfte der Teilnehmer durchfiel, haben in Südafrika, Kroatien, der Ukraine oder Russland über 80 Prozent bestanden.
Obwohl auch Frick zugesteht, dass es in vielen Teilen der Welt mit enormen Schwierigkeiten verbunden ist, deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben und entsprechende Nachweise zu erbringen, hält er den Erwerb dieser Kenntnisse vor der Einreise nach Deutschland im Grundsatz für sinnvoll.
Letztendlich wird vermutlich der Europäische Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit der deutschen Sprachtests entscheiden. Für Asefe Weindlmayr hat das Verfahren keine Relevanz mehr. Sie ist bereits einen großen Schritt weiter und hat inzwischen sogar einen Job gefunden.