DFB-Elf: Heimkehr mit Fragezeichen im Gepäck
28. Juni 2018Nichts wie weg. Auf eine letzte Nacht in der Sportschule in Watutinki hätten die gestürzten deutschen Fußball-Weltmeister am liebsten verzichtet. Nach dem historischen WM-Vorrunden-Aus mit dem blamablen 0:2 (0:0) gegen Südkorea ging es für den gesamten DFB-Tross aus Kasan noch einmal für wenige unruhige Nachtstunden zurück in das Stammquartier vor den Toren von Moskau. Mats Hummels schickte via Twitter noch ein "Sorry" in die Welt.
DFB-Verantwortliche wollen sich erst in Frankfurt äußern
Die eigentlich für den Vormittag angekündigte Pressekonferenz in Watutinki wurde abgesagt. Gegen 14.25 Uhr MESZ wird die Sondermaschine mit den WM-Verlierern am Flughafen Frankfurt am Main erwartet. Dort wollen die Verantwortlichen noch einmal Rede und Antwort stehen. Die Debatten um die Zukunft des deutschen Fußballs, etlicher Spieler und natürlich auch des nach eigenen Worten "geschockten" Bundestrainers Joachim Löw sind allerdings schon vor der Rückreise entbrannt.
Löw hatte sich direkt nach dem K.o. in Kasan Bedenkzeit erbeten: "Wie es jetzt weitergeht - da muss man mal in Ruhe darüber reden. Für mich ist das jetzt noch ein bisschen zu früh."
Konsequenzen ja, aber welche?
Verbandschef Reinhard Grindel nahm sich zunächst einmal aus der unmittelbaren Verantwortung. Er erwartet vielmehr Antworten von Teammanager Oliver Bierhoff und Löw. "Es ist nicht Aufgabe des Präsidenten, das Aus zu analysieren. Da würde ich mich überheben", sagte Grindel: "Dafür haben wir die sportliche Leitung. Die werden uns das erklären müssen, und dann werden wir Konsequenzen ziehen." Grindel hatte den Vertrag mit dem 58 Jahre alten Löw erst vor dem Turnier in Russland bis zur nächsten WM 2022 verlängert, weil die DFB-Führung in ihm den "geeignetsten Kandidaten" für den Umbruch von der goldenen Weltmeister-Generation zur "tollen jungen Truppe" des erfolgreichen Confed Cups 2017 gesehen habe.
Geht Löw?
Nach der Blamage von Kasan sollen laut DFB die Uhren auf Null zurückgestellt werden. "Es wird alles hinterfragt", versprach Bierhoff. Ein Vorrunden-Aus bei einer WM gab es in der DFB-Geschichte noch nicht - aber dreimal bei Europameisterschaften, was die damaligen Bundestrainer Jupp Derwall (1984), Erich Ribbeck (2000) und Rudi Völler (2004) den Job kostete. Kaum zu erwarten ist, dass der DFB Löw, den Weltmeister-Trainer von 2014, entlässt. Wahrscheinlicher ist, dass der Bundestrainer selbst die Reißleine zieht. "Ich habe die Verantwortung und stehe auch dazu", sagte Löw nach der Pleite gegen Südkorea. einen schnellen Rücktritt wird es aber wohl nicht geben. "Ich habe gestern Abend mit Jogi Löw gesprochen. Wir sind so verblieben, dass wir in den nächsten Tagen besprechen, wie es weitergeht", sagte DFB-Chef Grindel dem Magazin "Sport Bild".
Neuer: "Wären so oder so ausgeschieden"
Das Spiel gegen Südkorea mit den Gegentoren in der Nachspielzeit war der desaströse Schlussstrich unter ein Turnier, bei dem die DFB-Elf von Anfang an - seit dem Start gegen Mexiko (0:1) - nie den eigenen Titelansprüchen gerecht wurde. "Fakt ist, das wir bei der WM kein richtig überzeugendes Spiel hatten", sagte Joshua Kimmich. Das Last-Minute-2:1 gegen Schweden übertünchte nur für kurze Zeit, dass diese Mannschaft keine war. Für Kapitän Manuel Neuer wäre bei einem Achtelfinaleinzug das Ausscheiden nur um eine oder maximal zwei Runden aufgeschoben gewesen: "Selbst wenn wir weitergekommen wären, hätte, glaube ich, jeder gerne gegen uns gespielt."
Neuer will beim anstehenden Neuanfang, der mit dem ersten Spiel in der neuen Nations League am 6. September in München gegen Frankreich beginnt, dabei sein. "Ich habe jetzt nicht vor, aufzuhören", sagte Neuer. Im Falle Löws könnte es anders sein. Weltmeister Mats Hummels bemerkte nach der "sportlich größten Enttäuschung meines Lebens" zur aktuell wichtigsten Personalie: "Es war das allererste Mal, dass unter seiner Trainerschaft etwas nicht so funktioniert hat."
sn/asz (dpa)