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DFB-Team: Starker Neuanfang mit einigen Fragezeichen

12. September 2023

Mit einem überzeugenden Auftritt gegen Frankreich gelingt der kriselnden Nationalmannschaft die Wende. Trotz des Sieges gegen den Vizeweltmeister und vielen positiven Eindrücken, bleiben aber einige Fragen.

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Jubel deutsche Spieler nach Tor gegen Frankreich
Endlich wieder freudige Gesichter bei der Nationalmannschaft: Deutschland schlägt Frankreich 2:1Bild: David Inderlied/dpa/picture alliance

Spätestens in der 35. Spielminute hatten sie sich versöhnt: Fans und deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Während und nach dem blamablen 1:4 gegen die Japaner am Samstag in Wolfsburg, das letztlich zur Entlassung von Bundestrainer Hansi Flick führte, hatte es noch gellende Pfiffe gegeben. Eine angemessene Reaktion für eine desolate Leistung - und genauso angemessen waren nun der Jubel für jede gelungene Aktion und die La Ola, die beim 2:1-Sieg des DFB-Teams gegen Vizeweltmeister Frankreich durch das gutgelaunte Dortmunder Stadion schwappte. Von Anfang an gab es keine Diskussion, wer in der Partie das Sagen hatte.

Mit dem Interimstrio auf der Bank aus DFB-Sportdirektor Rudi Völler, Hannes Wolf, dem Sportdirektor für Nachwuchs, Training und Entwicklung des DFB, der außerdem U20-Nationaltrainer ist und Ex-Nationalspieler Sandro Wagner, derzeit Co-Trainer der deutschen U20, gelang der erhoffte Befreiungsschlag. Es war das nötige Lebenszeichen der deutschen Mannschaft, das erste gute Spiel seit Monaten, aber dennoch bleiben Fragen offen.

War es nur der "Rudi-Effekt"?

Oder anders gefragt, wie nachhaltig ist die gegen Frankreich gezeigte Leistungssteigerung? Nach der Trainerentlassung wussten alle, dass man gegen den Vizeweltmeister liefern muss. Und die Wünsche von Interims-Teamchef Rudi Völler wurden zumeist erfüllt: stabilere Verteidigung, besserer Fußball, Torchancen erspielen. Was vor allem stimmte, waren Einstellung und Körpersprache. Jeder arbeitete für den anderen. Unterlief dem einen Spieler ein Fehler, sprintete der nächste los, um ihn auszubügeln. Die Kommunikation war immer konstruktiv und positiv: kein Beschweren, wenn ein Zuspiel mal nicht ganz passte, stattdessen Daumen hoch oder Abklatschen.

"Für uns war klar, dass wir sehr viel Laufarbeit verrichten mussten. Wir mussten über die Arbeitsmoral kommen, viel leiden", sagte Thomas Müller, dem das frühe 1:0 gelang. "Es war für uns auch nicht einfach, diese Negativserie zu ertragen, die wir selber auch verantworten. Wir haben uns belohnt, so macht es Spaß. Wir haben noch einen langen Weg, aber es war ein emotionaler Befreiungsschlag." Was aber passiert, wenn es demnächst nicht von Anfang an so planmäßig läuft? Wenn kein frühes Tor fällt und sich die Deutschen wieder einmal an einem defensiven Gegner die Zähne ausbeißen?

Ist das personell die stärkste Mischung?

Interessant war in der ersten Halbzeit auch eine Szene am Rande: Während die Fans die deutsche Mannschaft nach jedem gewonnen Zweikampf hochleben ließen, saß der muskulär angeschlagene Joshua Kimmich mit nachdenklicher Miene auf der Ersatzbank und beobachtete, wie die Teamkollegen in seiner Abwesenheit befreit aufspielten. Ob dem ehrgeizigen Bayern-Spieler gefiel, was er sah, war schwer zu lesen. Völler hatte mit Leipzigs Benjamin Henrichs und Bayer Leverkusens Jonathan Tah zwei neue Außenverteidiger gebracht. Ebenso stark wie Henrichs auf links, war Tah auf der rechten Defensivseite, wo - nach den Plänen Flicks - künftig Kimmich seinen Stammplatz haben sollte.

Spielszene Jonathan Tah gegen Frankreich
Starke Leistung nach mehreren Monaten Länderspielpause: Jonathan Tah von Bayer Leverkusen (l.)Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Auch im defensiven Mittelfeld, wo Kimmich am liebsten spielt, zeigten Emre Can und der neue Kapitän Ilkay Gündogan bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung eine starke Leistung. Ist also vielleicht kein Platz mehr für Kimmich, der bislang gesetzt war? Und abgesehen von Kimmich: Sollen noch andere Spieler (Robert Andrich, Kevin Behrens) nominiert und getestet werden, oder ist die Zeit neun Monate vor dem Start der Heim-EM so knapp, dass es besser ist, sich mit dieser Mannschaft nun bestmöglich einzuspielen? Letztlich läuft bei der Komposition des Kaders wohl alles auf die folgende Frage hinaus:

Was möchte der neue Bundestrainer?

Tatsächlich ist es nun am wichtigsten, zu klären, wer Flicks Nachfolger wird. Namen kursieren einige, wirklich konkret ist noch nichts. Und je nachdem ob es nun Julian Nagelsmann oder Louis Van Gaal oder doch jemand anders wird, wird der Kader anschließend unterschiedlich aussehen. Sind die von Hansi Flick letzthin ausgemusterten Leon Goretzka, Timo Werner und Co. wieder drin, oder bleiben sie draußen? Was ist mit Torhüter Manuel Neuer, wenn er wieder fit ist? Gleiches gilt für Taktik und Spielsystem. Völler beließ es bei seinem Einmal-Aushilfseinsatz als Bundestrainer dabei, das System Flicks zu spielen.

Rudi Völler beobachtet
Rudi Völler schafft als Interimscoach die Wende und muss nun mithelfen, einen neuen Bundestrainer zu finden Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Was, wenn der neue Trainer in der kurzen Zeit, die ihm bis zum Turnier bleibt, neue Ideen einbringen möchte? Oder wäre es besser einen Coach auszusuchen, der ein ähnliches System wie Flick spielen lässt, damit keine Unruhe aufkommt? Und darüber hinaus: Wen kann der DFB überhaupt für die Aufgabe gewinnen?

Dementsprechend hat das gute Spiel des DFB-Teams gegen Frankreich zwar schon einige Antworten gegeben, trotzdem müssen in der näheren Zukunft weitere folgen.

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Deutschland - Frankreich 2:1 (1:0)

Tore: 1:0 Müller (4.), 2:0 Sané (87.), 2:1 Griezmann (89./Foulelfmeter)

Zuschauer: 60.486