Begraben bei den Berggorillas
27. Dezember 2015Bis heute weiß niemand, wer Dian Fossey in der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember 1985 umgebracht hat. Der Täter muss jedenfalls wütend gewesen sein: Mit einer Machete schlug er auf Kopf und Gesicht der Gorillaforscherin ein. Man fand sie am nächsten Morgen tot in ihrer Hütte in den Virunga-Bergen Ruandas. Ein persönlicher Racheakt scheint offensichtlich.
Dian Fossey hatte sich in den Jahren zuvor wenig Freunde bei der lokalen Bevölkerung gemacht. Unerbittlich kämpfte sie gegen Wilderer, die dem Bestand der Berggorillas zusetzen. In den 1970er Jahren gab es nur noch etwa 250 Berggorillas in den Virunga-Bergen im Grenzgebiet zwischen Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo (damals Zaire). Wilderer hatten es selten auf die Berggorillas selber abgesehen, zum Teil verfingen sich die friedlichen Menschenaffen in den Schlingen, die für Antilopen und Büffel bestimmt waren.
Fossey glaubte, dass die Tierart bis zum 21. Jahrhundert aussterben werde, wenn sich niemand für die Tiere einsetze. Nur drastische Methoden könnten die Art retten; Langzeitziele seien sinnlos, denn am Ende sei nichts mehr übrig, das man schützen könne. Resolut schritt sie zur Tat.
Diplomatie war nicht Fosseys Stärke
Die von ihr gegründete Stiftung Dian Fossey Gorilla Fund International spricht auf ihrer Webseite von "unorthodoxen Methoden", die Fossey einsetzte. Sie selbst nannte es "aktiven Artenschutz". Sie verschreckte Wilderer mit Gesichtsmasken, verbrannte Fallen und besprühte Rinder mit Farbe, um die Einheimischen davon abzuhalten, sie im Nationalpark weiden zu lassen.
"Diese Taktiken waren nicht beliebt bei den Einheimischen, die darum kämpften, selbst über die Runden zu kommen", schreibt der Dian Fossey Gorilla Fund International. Viele Naturschutzorganisationen betonen heutzutage, dass Artenschutz nur möglich ist, wenn man die lokale Bevölkerung für sich gewinnt. Nur, wenn die Einheimischen den Naturschutz vor Ort unterstützen und selbst auch Vorteile davon haben, habe ein Schutzvorhaben Zukunft.
Fossey sah das anders. Ihr Ziel war es vor allem, die Gorillas vor den Anwohnern zu schützen - mit welchen Methoden auch immer. Besonders gewalttätig wurde die Situation als im Jahr 1977 Fosseys Lieblingsgorilla, der fünf Jahre alte Silberrücken Digit, getötet wurde. Er hatte den Rest seiner Gruppe beschützt und war dabei von Wilderen niedergestochen worden. Fossey fand seine Leiche, von der Wilderer Kopf und Hände abgeschlagen hatten, um sie als Trophäen zu verkaufen.
Die Gorillaliebhaberin erklärte den Wilderern den Krieg. Sie legte sich mit ihnen direkt an und schreckte auch vor Selbstjustiz und Racheakten nicht zurück. Alles, was jemand "ihren" Gorillas antat, nahm sie persönlich. Ihr Ruf eilte ihr voraus: Viele beschrieben sie als erbitterte Frau, die auch Wissenschaftskollegen brüskierte und Afrikanern mit Herablassung und Ablehnung begegnete.
Ein Leben für die Gorillas
Andere hingegen preisen Dian Fossey als die selbstlose Retterin einer vom Aussterben bedrohten Art. Francois Bigirimana, ein Guide im Volcanoes Nationalpark in Ruanda, der einst an Fosseys Seite für die Gorillas kämpfte, sagte, er habe ihren persönlichen Einsatz bewundert: "Sie war so mutig und tat Dinge, die Ranger und lokale Behörden nicht taten."
Dian Fossey wurde im Jahr 1932 in San Francisco geboren. 1963 reiste sie nach Afrika und traf bei einem Gorilla-Trecking in Uganda das erste Mal einen Berggorilla. In ihrer 1983 veröffentlichten Biographie "Gorillas im Nebel" schrieb sie: "Es war ihre Individualität, kombiniert mit ihrer Schüchternheit, die mich bei dieser ersten Begegnung mit dem größten aller Menschenaffen am meisten faszinierte."
Im Jahr 1966 kehrte sie für immer nach Afrika zurück und widmete sich dem Schutz und der Erforschung dieser beeindruckenden Tiere. 1967 gründete sie in Ruanda das Karisoke-Forschungszentrum zwischen den Vulkanen Karisimbi und Visoke. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod.
Ein Leben mit den Gorillas
Die Einheimischen im ruandischen Teil der Virunga-Berge nannten Dian Fossey "Nyiramacibili" - die Frau, die alleine in den Wäldern lebt. Um die Menschenaffen zu erforschen, musste sie ganz nah an die Tiere herankommen, und das ging nur, wenn sie deren Vertrauen gewann. Sie imitierte deren Verhalten, während sie bei ihnen im Wald saß, kratzte sich wie sie, kaute auf Selleriestangen herum, machte ihre Geräusche nach und bewegte sich auf ihren Handknöcheln über den Waldboden.
Das brachte ihr den gewünschten Erfolg. Sie kam näher an die Primaten heran als jemals jemand zuvor, erforschte die Sozialstruktur innerhalb der Gorillagruppe, die Fortpflanzungsstrategien der Tiere und nicht zuletzt deren Persönlichkeiten. Aber in ihrer Biographie stellte Fossey klar, dass Menschen in der Welt der Gorillas nichts zu suchen haben: "Jeder Beobachter ist ein Eindringling in die Wirkstätte eines wilden Tieres und muss sich klar sein, dass die Rechte des Tieres wichtiger sind als menschliche Interessen."
Mission erfüllt
Die Berggorillas wurden wie Familienmitglieder für sie, sie waren "ihr Zuhause", wie Fossey selbst sagte. Nach ihrem gewaltsamen Tod 1985 wurde sie auf dem Gorillafriedhof hinter ihrer Hütte am Karisoke-Forschungszentrum begraben - gleich neben ihrem geliebten Digit.
Drei Jahre später wurde Fosseys Biographie mit Sigourney Weaver in der Hauptrolle verfilmt und machte weltweit auf die Situation der Berggorillas aufmerksam. Fosseys größter Verdienst ist laut Erika Archibald vom Dian Fossey Gorilla Fund International, "dass sie die Berggorillas in das Bewusstsein der Menschen weltweit brachte und sie für die Not dieser Tiere sensibilisierte. Sie hat unmissverständlich klar gemacht, dass sie geschützt werden müssen." Das habe bis heute angehalten.
Unorthodox, aktiv oder einfach nur mit dem Kopf durch die Wand - wie auch immer man Dian Fosseys Vorgehen bezeichnen will, es hatte offensichtlich Erfolg. Inzwischen gibt es in den Virunga-Bergen wieder 480 Berggorillas, 880 sind es insgesamt weltweit. Damit sind Berggorillas die einzige Menschenaffenart, deren Bestand derzeit ansteigt - auch wenn die Weltnaturschutzunion die Art noch immer als "vom Aussterben bedroht" einordnet.