Nationale Bologna-Konferenz
18. Mai 2010Hannah Eberle und Jakob Lohmann haben sich den letzten Teil der nationalen Bildungs-Konferenz als Live-Stream auf der Großbildleinwand angesehen, im Audi-Max der Berliner Humboldt-Universität, wo ein Gegengipfel stattfand. Rund 90 Studierende waren gekommen, um ihren Unmut an der Bildungspolitik zu äußern. Hannah Eberle und Jakob Lohmann hätten eigentlich mit Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), Kultusministern und Vertretern der Hochschulen diskutieren sollen. Immerhin gehörten die beiden Bildungsstreik-Aktivisten zu der überschaubaren Zahl von Studierenden, die an der Nationalen Bologna-Konferenz teilnehmen durften. Annette Schavan hatte zu diesem Austausch geladen, nachdem es im letzten Wintersemester landesweit zu Protesten gegen die Umsetzung des Bachelor-Studiums gekommen war. Aber Hannah Eberle und Jakob Lohmann haben die Veranstaltung vorzeitig verlassen.
Enttäuschung und Unmut
Eine "klare Schavan-Show" sei die Veranstaltung gewesen, sagt Hannah Eberle. Sie ärgert sich darüber, dass nur 22 der 70 Konferenzteilnehmer Studierende waren und dass ein Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom dort ein Referat gehalten hat. Das sei überhaupt nicht die Veranstaltung gewesen, die er sich erhofft habe, sagt auch Jakob Lohmann. "Es kam keine Diskussion zustande." Und die Themen seien falsch gesetzt worden. Insbesondere die sozialen Fragen hätten keine Rolle gespielt.
Thema soziale Ungerechtigkeit
Dabei brannte den Bildungsstreik-Aktivisten gerade dieses Thema unter den Nägeln. Denn schon bei ihren Protesten im vergangenen Herbst hatten sie lautstark kritisiert, dass die verdichteten Stundenpläne eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium kaum zuließen. Und dass es damit für junge Menschen, die nicht von den Eltern unterstützt werden können, besonders schwer sei, erfolgreich zu studieren. Zumal für Bachelor-Studenten nach sechs Semestern die BAföG-Förderung endet.
Geburtsfehler
Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Umsetzung der vor elf Jahren gestarteten "Jahrhundertreform" alles andere als optimal verlaufen ist. Vereinbart wurde seinerzeit, bis zum Jahr 2010 einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen und den Studierenden größere Mobilität zu ermöglichen. Europa soll so zu einem international wettbewerbsfähigen und attraktiven Hochschulraum werden. Dass die Umsetzung dieser 'Bologna-Reform' in Deutschland alles andere als optimal verlaufen ist, räumt auch Margret Wintermantel ein. Allerdings gibt sich die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz nun, nach der Nationalen Bologna-Konferenz, vorsichtig optimistisch. Immerhin spreche man jetzt miteinander, teilweise jedenfalls. Und die Bundesregierung denke ja auch über zusätzliche finanzielle Spritzen für die Bildung nach.
Mehr Geld
Tatsächlich stellt Bundesbildungsministerin Annette Schavan bis zum Jahr 2020 zwei Milliarden Euro zusätzliche Mittel für die Bildung in Aussicht. Das Geld soll in kreative Lehrkonzepte investiert werden. Was das für welche sein könnten, wird eine Stiftung entscheiden, die noch gegründet werden muss und dann von den Hochschulen getragen werden soll. Bei der nächsten Kultusministerkonferenz will Annette Schavan die Länder für diese Idee gewinnen.
Nur Absichtserklärungen
Das seien nur Absichtserklärungen, sagt Erkan Ertan, Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen, die den Sozialdemokraten nahesteht. Ertan ist einer der studentischen Vertreter, der bis zum Ende an der Nationalen Bologna-Konferenz teilgenommen hat. Darüber hinaus vermisst er einen Fahrplan, wie es in Zukunft weiter gehen soll. Denn fest stehe bisher nur, dass man sich im Mai 2011 zu einer weiteren Nationalen Bologna-Konferenz treffen werde. Was in der Zwischenzeit geschehen solle, sei unklar. Der Dialog, mahnt Anja Graf-Gadow, Vorstandsmitglied des Freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften, dürfe aber nicht ruhen.
Neue Aktionen
Jakob Lohmann und Hannah Eberle, Mit-Organisatoren des Bildungsstreiks im vergangenen Herbst, werden an der nächsten Nationalen Bologna-Konferenz nicht mehr teilnehmen. Wer vorzeitig die Konferenz verlassen hat, soll auch nicht mehr mitreden dürfen, sagte Bildungministerin Schavan. Untätig wollen sie aber keineswegs sein. Bereits für den 9. Juni planen sie bundesweite Aktionen und wollen gemeinsam mit Studierenden, Schülern und Auszubildenden für ein gerecht finanziertes Bildungssystem demonstrieren, zu dem jeder freien Zugang hat.
Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Gaby Reucher