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Dicke Luft

Joscha Weber (aus Rio de Janeiro)15. August 2016

Olympia hat viele Gerüche. Vor dem Olympischen Dorf ist es ein beißend-fauliges Fäkal-"Aroma". Den Athleten stinkt aber noch weit mehr. Insbesondere die mangelnde Hygiene im Dorf verärgert Sportler und Betreuer.

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Brasilien Olympische Spiele Olympisches Dorf in Rio (Foto: Copyright: picture alliance/Photoshot/Xinhua/Li Ming)
Bild: picture alliance/Photoshot/Xinhua/Li Ming

Wie riecht eigentlich Olympia? Kommt darauf an. An den vielen Verkaufständen in den Arenen riecht es nach warmen Käse, was am kleinen Käsegebäck Pão de queijo liegt. In der Beachvoleyballarena an der Copacabana riecht es nach frischer, salziger Meeresluft, was keiner weiteren Erklärung bedarf. Vor dem Eingang zum Olymischen Dorf, und das bedarf einer Erklärung, stinkt es. Es riecht, mit Verlaub, scheiße - im Wortsinn. Ein kleiner Nebenarm der Lagoa de Jacarepaguá fließt hier Richtung Meer ab. Genauer gesagt steht er und hier liegt das Problem. Es ist ein grau-brauner Tümpel, der riecht wie eine Klärgrube - und die liegt keine 50 Meter vom Olympischen Dorf entfernt.

Der Gestank vor der Haustür ist nicht das einzige Problem der Athleten. Eigentlich fing es an, als sie hier ankamen. Die Australier beschwerten sich über offen liegende Kabel, die Amerikaner staunten über Sturzbäche im Treppenhaus, die Chinesen erschraken angesichts herunterfallender Waschbecken und Spiegel und die Deutschen fanden Bauschutt vor ihrer Bleibe. Manche praktisch veranlagten Sportler reparierten kurzerhand eigenhändig kaputte Duschvorhänge, verstopfte Abwasserleitungen oder beschädigte Schränke. So weit die olympische Pfadfinder-Romantik. Doch nun stinkt es den Sportlern langsam.

Brasilien Olympisches Dorf in Rio (Foto: picture alliance/newscom/K. Dietsch)
Verraucht: Ein Wagen versprüht Anti-Insekten-Mittel im Olympischen Dorf.Bild: picture alliance/newscom/K. Dietsch

"Es ist eine Katastrophe"

"Die Spiele finden für alle unter schwierigen Rahmenbedingungen statt. Wir müssen da jeden Tag auf Dinge wie Sauberkeit und Hygiene in den Zimmer drängen", sagt Dirk Schimmelpfennig, Leistungssportchef des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB. "So etwas kann sich auch auf die Leistung der Athleten auswirken", warnt er. Frauenhockey-Bundestrainer Jamilon Mülders geht noch weiter: "Das, was hier von Brasilien angeboten wird, hat nichts mit Olympia zu tun. Es ist eine Katastrophe", schimpfte der Trainer. "Wenn bei den hygienischen Bedingungen nicht Magen-Darm ausbricht, ist es ein Wunder." Da die Putzteams seit Tagen nicht mehr aufgetaucht seien, putze man die Bäder jetzt eben selbst. "Das ist eine Unverschämtheit. Die Toiletten sind immer wieder verstopft." Letzteres kann natürlich auch daran liegen, dass man in vielen Gegenden Brasiliens kein Toilettenpapier ins Klo werfen darf, weil die Kanalisation nicht darauf ausgelegt ist. Das sind viele Sportler aus ihrer Heimat nicht gewohnt.

Hygiene-Standards sollten hingegen keine regionale Frage sein. Turner Fabian Hambüchen findet die Hygiene-Situation "schwierig", aber das sei nicht das einzige Problem in Rio. "Die Organisation ist schon ein bisschen chaotisch", sagte Hambüchen bei seiner vierten Olympiateilnahme: "Von der Organisation, von den Rahmenbedingungen würde es für mich Platz vier belegen." Dirk Schimmelpfennig fügte hinzu, dass es auch beim Transport Probleme gebe. Die Geschichte eines Busses mit Schwimmern, der statt zum Schwimm- Richtung Leichtathletik-Stadion fuhr und zur Verschiebung eines Halbfinallaufs führte, ist dafür ein Beleg.

Braislien Olympisches Dorf in Rio Schlafzimmer Innenansicht (Foto: picture-alliance/dpa/A. Lacerda)
Zweckmäßig: Die Zimmer im Olympischen Dorf finden die meisten Athleten in Ordnung. Aber die Hygiene wird kritisiert.Bild: picture-alliance/dpa/A. Lacerda

"Ich finde es unglaublich anstrengend dadurch, dass viele Dinge nicht funktionieren“, erregte sich auch Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner und merkte an, dass es überall relativ dreckig sei, im olympischen Dorf und in den Umkleiden der Arenen.

Hohe Feinstaubbelastung

Und dann ist da ja noch die Sache mit der Luft. Laut einer Klima-Studie liegt die Feinstaubbelastung in Rio seit 2008 jedes Jahr zwei bis drei Mal über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation. Schuld daran seien die rund 2,7 Millionen Fahrzeuge, die täglich durch Rio fahren, heißt es von der regionalen Umweltbehörde. "Dies ist definitiv keine Olympia-Luft", sagt Paulo Saldiva von der Universität von Sao Paulo und nannte Rio die "dreckigste Olympiastadt" abgesehen vom Smog-belasteten Peking. Frauenhockey-Bundestrainer Jamilon Mülders nimmt angesichts der erschwerten Umstände alle Athleten in Schutz: "Unter diesen Bedingungen produzieren hier alle Leistung."