Die Anden-Front
2. Mai 2003Gute Beziehungen zu den USA gehören traditionell zum Einmaleins der kolumbianischen Außenpolitik. Das gilt umso mehr seit dem 11. September 2001. Über Nacht waren aus den seit 40 Jahren von der Regierung in Bogota bekämpften 17.000 kommunistischen Rebellen der FARC (Revolutionäre Streikräfte Kolumbiens) Terroristen geworden.
Mit dieser Neu-Interpretation flossen auch die Dollars aus Washington immer reichlicher – schließlich war aus dem Kampf gegen die FARC ein weiterer Kriegsschauplatz im weltweiten "War on terror" des George W. Bush geworden. Allein in den Jahren 2001 und 2002 sollen zwei Milliarden US-Dollar in das südamerikanische Bürgerkriegsland geflossen sein. In diesem Jahr soll es noch einmal einen Nachschlag von mehr als 500 Millionen Dollar aus Washington geben.
Special Forces gegen Guerilla
US-Militärs gibt es in Kolumbien schon lange. Offziell unterstützen sie die kolumbianischen Behörden bei ihrem Kampf gegen den Koka-Anbau. Das war jedenfalls immer die Lesart im US-Kongress, wenn es darum ging, Gelder für das US-Engagement in Kolumbien locker zu machen. "Spätestens seit 2001 sind diese – im Grunde absurden - Trennlinien zwischen dem Kampf gegen die Drogen und dem Kampf gegen die Guerilla weggefallen", meint Sabine Kurtenbach vom Hamburger Institut für Iberoamerika-Kunde.
Nach und nach schraubten die Amerikaner ihre Truppenstäke nach oben. Rund 400 Soldaten der "Special Forces", so schätzt die "Washington Post", sollen mittlerweile im kolumbianischen Dschungel Jagd auf Angehörige der Drogen-Mafia, Guerillakämpfer und Paramilitärs machen. Der Rundumschlag der Amerikaner in Kolumbien entspricht der neuen Sicherheitsdoktrin der USA. "Welche Bedrohungen rauben mir den Schlaf", fragte sich CIA-Chef George Tenet ganz öffentlich. "Der internationale Terrorismus, darunter der, der mit Drogenhändlern gemeinsame Sache macht, internationale Kriminelle und alle, die den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstreben."
Rohstoffquellen unter Schutz
Besonders entschlossen kämpft Washington gegen die internationalen bösen Buben, wenn amerikanische Rohstoffinteressen im Spiel sind: "Ein ganz gewichtiger Grund für das wachsende Interesse der USA an Kolumbien ist das Öl. Ohne, dass es die Weltöffentlichkeit gemerkt hat, beträgt der Anteil des Rohöls an den kolumbianischen Exporten bereits rund 30 Prozent. Ganz wichtig ist für die Amerikaner die Kontrolle über die in den 1980er Jahren von Mannesmann gebaute Pipeline "Caño Limón", erklärt Kolumbien-Expertin Sabine Kurtenbach. Die Pipeline war in der Vergangenheit immer wieder von der linksgerichteten Guerillagruppe Nationales Befreiungsheer (ELN) in die Luft gesprengt worden.
Knapp 100 Millionen US-Dollar aus dem Hilfspaket für 2003 sind speziell für den Schutz der Erdölpipeline Caño Limón reserviert, hatte US-Botschafterin Anne Patterson Anfang im Februar 2002 freimütig der Zeitung "El Tiempo" erklärt. Die wichtigste Pipeline Kolumbiens transportiert über 770 km hinweg das schwarze Gold von den Ölfeldern in Arauco zum Karibikhafen Coveñas. Allein 2001 soll die Guerilla diese Pipeline 170 Mal sabotiert haben, so dass die Öl-Leitung mehr als 200 Tage lang unterbrochen wurde. Pikantes Detail: Die Pipeline wird von der Occidental Petroleum Company betrieben, zu deren Großaktionären die Familie des früheren Vizepräsidenten Al Gore gehört. Im Haushaltsentwurf für 2004 schraubt die Bush Administration das Engagement noch weiter in die Höhe: 110 Millionen Dollar soll der Kongress für den Schutz von Caño Limón im nächsten Jahr lockermachen.
US-Militärs kontrollieren kolumbianischen Luftraum
Das "World Fact Book" der CIA bringt es in seinem Länderbericht Kolumbien auf den Punkt: "Zwei der wichtigsten Exportgüter Kolumbiens, Öl und Kaffee, steht eine ungewisse Zukunft bevor; die Erschließung neuer Ölfelder wird dringend benötigt, um die sinkende Ölproduktion wieder anzukurbeln, während die Ernten schlecht sind und die Kaffeepreise am Boden liegen." Der Druck aus Bogota und Washington auf die Guerilla wird weiter steigen. Allerdings: "Militärisch gewinnen kann Uribe den Krieg gegen die FARC nicht", davon ist Kolumbien-Expertin Sabine Kurtenbach überzeugt. Aber der "große Bruder" aus Washington wird auch in diesem Fall Abhilfe schaffen.
So vereinbarte Präsident Alvaro Uribe bei seinem Besuch in Washington mit US-Präsident George W. Bush, dass nach einer zweijährigen Pause der kolumbianische Luftraum in Zukunft wieder von US-Streitkräften kontrolliert werden soll. Mit Radarstationen am Boden und Kontrollflügen wollen die USA künftig wieder versuchen, Drogen- und Waffenschmuggler in Kolumbien ausfindig zu machen. Die kolumbianischen Streitkräfte sollen verdächtige Flugzeuge dann zur Landung zwingen.