"Die Armen trifft es immer am schlimmsten" – Das Leben mit Zyklonen auf Madagaskar
Nosy Varika liegt an der Südostküste Madagaskars, abgeschnitten vom Rest der Insel. Nur per Funk können die Bewohner Kontakt nach außen aufnehmen. Es gibt kein Telefon, auch kein Mobilnetz. Schon in der Trockensaison kann man diese abgelegene Region nur sehr schwer mit Jeeps erreichen. Es gibt keine geteerten Straßen, auf den Schotter-Pisten reiht sich ein tiefes Schlagloch an das nächste. In der Regenzeit braucht man gar nicht erst daran zu denken, über Land zu fahren. Die meisten Menschen fahren mit Booten oder traditionellen Piroggen über den Pangalanes-Kanal.
Von Grettelle bis Dina
Nosy Varika wird wie der Norden und die gesamte Ostküste Madagaskars fast jedes Jahr von Wirbelstürmen heimgesucht. Sie gehören hier zum Alltag, nur die Namen ändern sich: "Gretelle", "Indlala", "Jaya", "Dina". Im Januar 2007 schlug hier der Zyklon "Clovis" zu – mit verheerenden Folgen für Natur und Mensch. Die materiellen Schäden waren riesig: Straßen, Brücken und Häuser wurden zerstört, Felder verwüstet und die Ernten eines ganzen Jahres vernichtet. Und so haben die Menschen nach einem Zyklon meistens nichts mehr zu essen und sind von akuter Hungersnot bedroht. "Sie essen dann Wurzeln oder was auch immer sie finden, um zu überleben", erzählt Madame Caroline von der Deutschen Welthungerhilfe, die als einzige Hilfsorganisation in der Region tätig ist.
Hilfe zur Selbsthilfe
Gerade in solchen ländlichen Gegenden muss die Bevölkerung allein mit den Wirbelstürmen zurechtkommen. Das gilt sowohl für den Schutz vor einem Zyklon als auch für die Katastrophenhilfe. Katastrophenschutzkomitees, verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten, die Entwicklung einfacher Frühwarnsysteme und der Bau von Lagerhallen sollen dabei in Zukunft helfen. Aber die Liste weiterer möglicher Präventionsmaßnahmen ist lang, so Didier Young, der Koordinator der Katastrophenhilfe auf Madagaskar für Care International. Möglich wäre zum Beispiel die Einführung von neuen Reissorten, die schneller reifen und somit noch ein oder zwei Monate vor der Zyklonen-Saison geerntet werden könnten, argumentiert Young, und der Reis würde nicht regelmäßig in der Regenzeit überschwemmt.
Es mangelt also nicht an neuen Ideen und Lösungsansätzen, sondern an deren Umsetzung. Die ausländischen Hilfsorganisationen müssten die Madagassen erst von ihren Ideen überzeugen. Eine schwere Aufgabe. So hängen viele Menschen in Madagaskar dem traditionellen Ahnenkult an. Und vieles ist "fady", das heißt von den Ahnen verboten. Wie zum Beispiel neue Reissorten, denn diese wurden den Madagassen nicht von ihren Ahnen übermittelt.
Waldrodung mit fatalen Folgen
Außerdem steht die große Armut auf der Insel den Änderungen im Wege. Drei Viertel der rund 18 Millionen Madagassen müssen mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen und haben nicht genug zu essen. Und wer kein Geld hat, denkt auch nicht an die Umwelt. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt in Madagaskar bei rund 250 Dollar. Nach UN-Angaben gehört die Insel zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Illegaler Holzschlag und Brandrodung dienen da dem Überleben, denn mit Holz wird gekocht und geheizt.
Der Verlust von Waldbestand, der überall auf der Insel zu beobachten ist, verstärkt die Schäden der Zyklone und führt zu Überschwemmungen, Versandung von Reisfeldern und Erdrutschen. Und wenn die Bewässerungskanäle verstopfen und die Felder versanden, lässt sich darauf nichts mehr anbauen. Die großen Regenmengen werden auf den abgeholzten Flächen nicht mehr von der Vegetation aufgefangen, sondern stürzen talabwärts.
Autorin: Barbara Gruber
Redaktion: Peter Koppen