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"Es ist genug für alle da"

Das Interview führte Jens von Larcher1. Februar 2016

Die Singer-Songwriterin Elif wurde als Kind türkischer Eltern in Berlin geboren. Im DW-Interview spricht sie über die unbegründete Angst vor Flüchtlingen und die Herausforderung, "Ich liebe Dich" auf Deutsch zu singen.

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Berliner Sängerin Elif Porträt
Bild: Universal Music/Hannes Caspar

Grenzenlos Pop: Elif aus Berlin

Deutsche Welle: Deine Eltern sind als Einwanderer aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Wie viel weißt du über die Zeit damals?

Elif: In meinem Song "Baba" erzähle ich, wie es meinem Vater hier in Deutschland ergangen ist. Als ich hier in Berlin geboren wurde, waren meine Eltern schon seit sechs, sieben Jahren hier. Für mich gab es zwei Welten: Zu Hause hat man türkisch geredet, draußen deutsch. So konnte ich beide Sprachen lernen. Irgendwann habe ich mit meinen Geschwistern aber viel mehr deutsch als türkisch gesprochen.

Mein Papa hatte es hier ziemlich schwer, das habe ich als Kind gar nicht so mitbekommen. Er war der Einzige, der gearbeitet hat und damit lag die Verantwortung für die Familie bei ihm. Er ist Schweißer und wenn ich heute seine Hände ansehe, dann sehe ich richtige Arbeiterhände. Er ist dankbar für alles, aber es war auch sehr anstrengend.

Wie hat deine Mutter die Anfangsjahre erlebt?

Popxport Elif
Bild: DW / H. Caspar

Ich habe schon als Kind viel mit meiner Mutter über unseren Alltag geredet. Aber erst seitdem ich etwas älter bin, kann ich sie grundsätzliche Dinge fragen. Zum Beispiel, wie es war, mit 25 Jahren schon drei Kinder zu haben. Jetzt erzählt sie mir, dass das damals alles ziemlich schnell ging. Natürlich ist sie froh darüber, uns zu haben, aber sie musste mit drei Kindern natürlich auch einige Dinge aufgeben. Heute kann ich mir ein paar Tipps von ihr holen und vertsehe sie besser. Ich wünschte manchmal, ich hätte das als Kind schon besser gekonnt - aber ich musste ja auch Kind sein.

Wie würdest du die Atmosphäre bei euch in der Familie beschreiben?

Es war manchmal ganz chaotisch. Es war manchmal ganz laut. Es war manchmal sehr leise, manchmal sehr glücklich und auch wieder ganz traurig. Ich glaube, das gehört zu der türkischen Kultur dazu. Ich merke, wenn ich jetzt etwas erlebe, dass ich es riesengroß aufblasen kann. Das hat etwas mit Temperament zu tun. Wobei ich noch viel weniger Temperament habe als meine Eltern.

Bist Du mit Musik aufgewachsen?

Es gibt bei uns ein paar Verwandte, die sehr gut zeichnen können und ich habe jetzt erfahren, dass einige auch sehr gut singen können. Als ich das letzte Mal in der Türkei war, saßen wir in einer Runde und meine Tanten haben gesungen, als gäbe es kein Morgen mehr - auf Türkisch natürlich, das war ganz toll. Aber dass jemand von uns sein Geld als Künstler verdient, das ist ganz neu. Meine Eltern haben zuerst gar nicht verstanden, wie das funktioniert. Ich selbst übrigens auch nicht. Ich musste mich erst einmal darüber informieren, welche Möglichkeiten man hat. Aber heute verstehen meine Eltern das alles. Als mein Musikvideo zum ersten Mal im Fernsehen lief haben sie verstanden: "Okay, es funktioniert."

Berliner Sängerin Elif Porträt
Elif bei den Dreharbeiten zur Reihe "Grenzenlos Pop" des DW-Musikmagazins PopXportBild: Jens von Larcher

Wie entstehen Deine Songs?

Ich arbeite gerade an meinem zweiten Album und meine Songs entstehen auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Manchmal sitze ich abends zu Hause und lese einen Gedichtband von Joachim Ringelnatz . Und auf einmal fällt mir eine bestimmte Zeile ein und dazu habe ich zufälligerweise eine Melodie, die ich schon immer toll fand. Manchmal treffe ich mich aber auch mit Songwritern wie Fayzen oder Jasmin Shaqiri. Mit denen fange ich dann einfach bei Null an und bei diesen Sessions entsteht ein neuer Song. Eigentlich mag ich die zweite Variante auch viel lieber. Ich arbeite gerne mit Leuten zusammen, weil sie wie ein Spiegel für einen sind. Wenn man alleine ist, dann zweifelt man eher mal an seinen Ideen.

Hast du jemals darüber nachgedacht, auf Türkisch zu singen?

Ich wurde oft gefragt, ob ich nicht auf Englisch oder auf Türkisch singen möchte, also vor allem in einer anderen Sprache. Ich muss sagen, in beiden Sprachen bin ich einfach nicht so gut - sowohl was die Grammatik als auch das Formulieren angeht. Das liegt auch daran, dass ich wahrscheinlich hier geboren und auf eine deutsche Schule gegangen bin. Ich mag an deutschen Texten, dass ich sofort verstehe, was ein Künstler mir sagt.

Trotzdem hat die deutsche Sprache auch etwas Schwieriges, finde ich. Es ist so schwer, etwas Glückliches auf Deutsch zu sagen, vor allem zu singen. Wenn man singt: "Ich liebe dich", dann ist das gar nicht so stark. Man muss das umformulieren, wenn man einen deutschen Liebessong schreibt. Das ist eine richtige Herausforderung.

Mit 16 Jahren bist Du bei der deutschen TV-Castingshow "Popstars" Zweite geworden. Wie blickst Du heute darauf zurück?

Sieben Jahre ist das jetzt her. Ich habe mir tatsächlich neulich Bilder von damals angesehen und ich muss sagen, dass ich da wirklich eine andere Person sehe. Irgendwie war es eine gute Erfahrung, denn ich habe herausgefunden, was ich nicht will. Außerdem habe ich durch die Sendung gelernt, viel lauter zu singen. Und allein deshalb hat sich das schon für mich gelohnt.

Berliner Sängerin Elif
Erste Kontakte zur Musikindustrie knüpfte Elif bei einer Castingshow.Bild: Universal Music/Hannes Caspar

Dass meine Karriere nun so verlaufen ist, habe ich auch der Tatsache zu verdanken, dass ich eine Künstlerin sein wollte, die etwas erschaffen möchte. Und das ist noch mal ein Riesenunterschied. Es gibt es ja so viele Castingshow-Teilnehmer, die rausgehen und dann ihre Songs von anderen geschrieben bekommen.

Inwieweit prägt Dich Deine Herkunft? Ist das ein großes Thema für Dich?

Dass meine Eltern aus der Türkei kommen und ich hier geboren bin, beschäftigt meistens andere Leute. Mich beschäftigt das gar nicht so, weil ich einfach ich bin. Und es ist egal, ob ich irgendwann in Frankreich oder in Los Angeles wohne. Ich werde immer ich sein. Und ich werde immer meine Wurzeln haben. Und das ist ja etwas, was ich nicht beeinflussen konnte. Es ist so, wie es ist und ich kann immer nur darauf achten, ein guter Mensch zu sein, meinen Beitrag zu leisten und ein Teil von Deutschland zu werden.

Deinen Beitrag leisten, was meinst du damit?

Meinen Beitrag leisten in dem Sinne, dass ich mit meinen Liedern ein paar Leute berühre - so wie mich Lieder berührt haben und immer noch berühren. Musik bleibt in einem und erinnert einen an bestimmte Zeiten. Und vielleicht schaffe ich das mit meiner Musik auch.

Gab es ein gesellschaftspolitisches Ereignis in Deutschland, das Dich in letzter Zeit bewegt hat?

Was mich auf jeden Fall schockiert, ist, dass die Rechtsbewegung immer größer wird, also zumindestens demzufolge, was man in den Medien mitbekommt. Und es passiert sowieso gerade so viel. Letztes Jahr sind sehr viele Flüchtlinge hergekommen, weil sie Schutz brauchen. Ich kann gar nicht so viel dazu sagen. Was ich machen kann, ist zu helfen: Dass man seine Kleidung spendet, dass man Leuten die Angst haben, diese Angst nimmt. Dass man ihnen sagt, dass alles in Ordnung ist und dass keiner ihnen etwas wegnehmen will. Es ist genug für alle da, vor allem in Deutschland.

Berliner Sängerin Elif
Gerade arbeitet Elif an ihrem zweiten Studioalbum.Bild: Universal Music/Hannes Caspar