Die Beziehungen zwischen Islam und Christentum
19. Juli 2006"La Ilaha illa Allahu", kein Gott außer Gott, das ist das muslimische Glaubensbekenntnis und zugleich Quintessenz des Islam: Neben Gott kann es kein weiteres göttliches Geschöpf geben. Und jede Religion, die andere Götter zulässt, folgt nach der koranischen Lehre einem Irrweg. Als monotheistische Religion versteht sich auch das Christentum - aber die Muslime sehen das zum Teil anders.
Die Araber in der Dschahiliya?
Zwischen Islam und Christentum besteht eine Verbindung. Der Prophet Muhammed kam mit Christen in Kontakt, als er als junger Mann durch die Länder des Nahen Ostens reiste. Außerdem war der Orient vor der Ausbreitung des Islam keineswegs ein glaubensleerer Raum, wie so häufig behauptet: Nach muslimischer Überzeugung lebten die Menschen auf der arabischen Halbinsel vor der Ankunft des Propheten Muhammed in der so genannten Dschahiliya, der Unwissenheit, dem Heidentum. Dabei existierte in den Ländern des Nahen Ostens eine untergegangene Weltreligion, eine Melange aus christlichem und jüdischem Glauben: das Judenchristentum.
Untergegangene Weltreligion
"Die judenchristlichen Gemeinschaften teilten einige theologische Auffälligkeiten mit den Muslimen", sagt Michael Marx vom Seminar für Arabistik der Freien Universität Berlin. Diese äußerten sich vor allem in ähnlichen Riten und Gebräuchen. Daraus lasse sich die Hypothese erstellen, dass die alttestamentlichen Geschichten der Judenchristen bei der Entstehung des Koran einen großen Einfluss gehabt haben. "Der Koran ist ein theologischer Text, der sich an vielen Stellen mit dem Verhältnis zum Christentum auseinandersetzt."
Viele Gemeinsamkeiten
Die Menschen kannten die biblischen Geschichten und religiösen Riten. Muhammed, so wird heute angenommen, erlangte sehr früh umfassende Kenntnisse des christlichen und jüdischen Glaubens und übernahm wesentliche Elemente. Zahlreiche biblische Gleichnisse finden sich ohne wesentliche Abweichungen ebenso im Koran: die Erschaffung des Menschen, Paradies und Sündenfall. Die Sintflut und das Gleichnis von Kain und Abel werden ebenso im Koran behandelt.
Zu Beginn seines Wirkens hatte Muhammed denn auch ein sehr positives Bild von den Christen. In den frühen Suren des Koran steht: "Du wirst finden, dass diejenigen, die den Moslems am nächsten stehen, die Christen sind." (Sure 5:82) Muhammed sah sie zunächst als glaubensverwandt an und hoffte darauf, dass auch sie die Ähnlichkeit der Lehren erkennen und zum Islam übertreten werden - was nicht geschah. In der Folge wandelte sich das koranische Bild der Christen. Der Vorwurf im Koran: die Christen würden mehrere Götter anbeten.
Problem: Vater, Sohn und heiliger Geist
Denn was Muhammed nicht verstehen konnte, war die Grundlage der christlichen Dogmen: die Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und heiliger Geist. Die Dogmen gehen davon aus, dass sich die göttliche Natur in drei Gestalten aufteilt - eine etwas komplizierte Vorstellung, um den monotheistischen Charakter des Christentums zu begründen.
Für Muhammed war das nicht überzeugend: einen heiligen Geist kann es nicht geben und Jesus war nicht Gottes Sohn, sondern ein Prophet, wie Muhammed selbst.
"In der islamischen Welt ist der Diskurs um das Verhältnis Islam und Christentum äußerst lebendig", sagt Michael Marx. "In diesen Ländern ist es Teil einer Populärkultur, sei es in Form von Büchern oder im Fernsehen. Da gibt es zum Beispiel Bücher mit dem Titel 'die einhundert Fehler in der Bibel'. Die Vorwürfe beziehen sich dabei auf den so genannten 'tahrif', das heißt Verfälschung. Die Muslime glauben, dass der Koran die echte Offenbarung ist, und die früheren Schriften, also auch die Bibel, mit der Zeit verdorben seien, durch Zusätze oder falsche Manuskripte."
Streitpunkt Jesus
Eine ganz eigene Version hat der Koran von der Kreuzigung Jesu. Da heißt es, dass Jesus gar nicht am Kreuz gestorben ist, sondern ein anderer, der ihm nur sehr ähnlich sah. Im Koran steht 'Schubbiha lahom', was soviel bedeutet wie: Er erschien ihm gleich. Der echte Jesus habe, so behaupten die einen, noch lange Zeit gelebt und sei auf seinen Reisen bis nach Indien gekommen. Die anderen gehen davon aus, dass Jesus noch vor dem Kreuzestod von Gott in den Himmel geholt wurde.