Nicht nur Polen
20. Juni 2007Polen: Gegen neues Abstimmungsverfahren
Polen drängt darauf, die künftigen Abstimmungsverfahren in der EU zu ändern. Deutschlands östlicher Nachbar will das Prinzip der doppelten Mehrheit verhindern. Für Beschlüsse im Rat der EU-Regierungen sollte im Verfassungsentwurf künftig stets eine Mehrheit von 55 Prozent der Mitgliedstaaten erforderlich sein, die zugleich 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren. Mitgliedsstaaten mit vielen Einwohnern wie Deutschland würden dadurch mehr Einfluss als bislang gewinnen. Den Polen zufolge könnte Deutschland im Verbund mit zwei anderen großen EU-Staaten und einem kleineren wichtige Projekte verhindern.
Sie wollen deshalb, dass das Gewicht der einzelnen Länder im Europäischen Rat mit der Quadratwurzel aus der jeweiligen Bevölkerungszahl berechnet wird, um dadurch selbst mehr Gewicht zu bekommen. Ein EU-Diplomat sagte dazu: "Letztlich geht es um Geld." Warschau fürchte, dass Deutschland Polen als größtem Einzelempfänger von EU-Strukturhilfen im Verbund mit anderen Nettozahlern bei Finanzverhandlungen den Geldhahn abdrehen könnte.
Nach wie vor drohen die Osteuropäer mit ihrem Veto – das die EU-Verfassung platzen lassen würde. Alles nur Verhandlungstaktik? Die Polen hätten kein Interesse daran, ihr Veto einzulegen, meint EU-Experte Janis Emmanouilidis vom Centrum für angewandte Politikforschung (CAP): "Sie nehmen aber eine harte Position ein, damit sie am Ende der Verhandlungen einen Kompromiss erzielen können, der nah an dem ist, was sie sich vorstellen."
Tschechien: Vorbehalte gegenüber der EU
Ganz anders sieht die Motivation der Tschechen aus. Dort gebe es grundsätzlich Vorbehalte gegenüber einer starken Europäischen Union, erklärt Emmanouilidis. Insbesondere Staatspräsident Vaclav Klaus profilierte sich als erheblicher Kritiker des Verfassungsvertrags. Er versuche nun, eine Vertiefung der EU so weit es ginge zu verhindern, sagt der Experte.
Großbritannien: Referendum verhindern
Die Briten wollen den Verfassungsentwurf so weit ausdünnen, dass er nicht mehr nach einer Verfassung aussieht. Herausgestrichen werden sollen darum alle Elemente der Staatlichkeit, wie eine Europa-Hymne oder eine europäische Flagge. Außerdem ist Großbritannien gegen eine eigene Rechtspersönlichkeit der EU, die der Union beispielsweise den Beitritt zu internationalen Organisationen ermöglichen könnte.
Der Grund dafür ist die Angst der Briten, dass andernfalls eine starke Öffentlichkeit eine Volksabstimmung verlangen könnte – auch wenn Großbritannien dazu rechtlich nicht verpflichtet ist, erläutert Andreas Maurer, EU-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Und die Gefahr, dass eine solche Volksbefragung negativ ausginge, sei angesichts der Euro-Skepsis groß.
Franzosen und Niederländer: Verfassung abgelehnt
Wesentlich geringere Probleme erwarten die Experten hingegen durch Frankreich und die Niederlände – die Länder, in denen die Bevölkerung bei einem Referendum die EU-Verfassung ablehnte. Beide Länder drängen wie die Briten darauf, den Entwurf so zu verändern, dass er nicht mehr nach einer Verfassung aussieht. So wollen sie auf den Namen "Verfassung" verzichten. Auch ihr Ziel ist es, dadurch eine erneute Volksabstimmung über den neuen Entwurf zu verhindern. Durch die Einigung der EU-Außenminister in der Nacht zum Montag (18.6.07), einen Änderungsvertrag und keine Verfassung zu entwerfen, scheinen diese Probleme gelöst.