Die Deutschen und ihre guten Vorsätze
31. Dezember 2019Man könnte jeden beliebigen Tag des Jahres auswählen, um an ein paar Stellschrauben im eigenen Leben zu drehen und Dinge zu verändern. Traditionell fokussiert sich dieses Vorhaben aber auf den Jahreswechsel, der ein augenscheinlich idealer Zeitpunkt für einen punktuellen Neustart ist.
Mehr Zeit mit der Familie verbringen, gesünder essen, mehr Sport treiben, Geld sparen: Die häufigsten Neujahrsvorsätze der Deutschen finden sich wahrscheinlich genau so auf den Listen aller anderen Länder der westlichen Hemisphäre. Und genau wie in anderen Winkeln der Welt, sind die Vorsätze der Deutschen der Astrologie nicht unähnlich: Es geht mehr um eine Deutung, und jeder kann mitreden, denn ganz sicher hat jeder eine Meinung zum Thema.
Zur Tradition gehört, die Vorsätze zu brechen
Die Wortmeldungen sind gerne mal von Sarkasmus durchsetzt. Natürlich nimmt manch einer die eigene Liste sehr ernst, der Rest weiß hingegen: Vorsätze sind Folklore, zu deren Tradition es gehört, sie binnen weniger Wochen oder gar Tage über Bord zu werfen. Selten reichen sie über den Januar hinaus.
Die Ziele werden aber auch sehr hoch gesteckt, die Messlatte liegt auf unüberwindbarer Höhe. Schließlich schmiedet man die Vorsätze nach Tagen der Völlerei: überfuttert von all den Weihnachtsessen, zu viel getrunken, und von dem süßen Kram ganz zu schweigen. Genügend Argumente also, um endgültig zu entscheiden, mit Joggen den Bierbauch zu bekämpfen und auf fette Wurst für eine Weile zu verzichten.
Zum Start eines neuen Jahres auch das eigene Leben in gewissen Teilen neu zu starten, ist historisch begründet. Die Babylonier machten den Anfang, wie ihre vor 4000 Jahren dokumentierten Neujahrsfeierlichkeiten belegen. Während ihres zwölftägigen Festes versprachen sie den Göttern, alle Leihgaben zurückzugeben und ihre Schulden zu begleichen. Der Beginn eines neuen Jahres lag damals noch Mitte März. In einigen Kalendern, wie zum Beispiel dem persischen, ist dies immer noch der Fall.
Unsere Vorfahren standen mehr unter Druck
Historiker sehen diese Schwüre als Vorläufer unserer heutigen Vorsätze, wenngleich die Babylonier unter deutlich größerem Druck standen, ihr Wort zu halten: Wenn sie es nicht hielten, drohte sich die Gunst der Götter von ihnen abzuwenden.
Die Römer legten später den 1. Januar als Beginn des neuen Jahres fest, benannt nach dem römischen Gott Janus, einer Gottheit mit zwei Gesichtern: eines blickt symbolisch zurück in die Vergangenheit, das andere voraus in die Zukunft. Als Neujahrsritual erhielt Janus traditionell Opfergaben - und die Menschen legten ihre Eide ab.
Letztere veränderten sich im Lauf der Jahrhunderte, im Mittelalter legten Ritter das "Pfauengelübde" ab, um ihren Ritterschwur zu erneuern - und das Tier anschließend zu verputzen. 1813 tauchte in einer Bostoner Zeitung zum ersten Mal der Ausdruck "Neujahrsvorsätze" auf. Seitdem erhalten wir jedes Jahr mehr oder weniger hilfreiche Tipps, wie wir unsere Vorsätze am besten einhalten können.
Wenn es eine spezifische deutsche Facette der Vorsätze gibt, dann ist es wahrscheinlich das Wort selbst: "Vor-sätze", was wörtlich bedeutet: "vor den Sätzen". Schlummert hier etwa der finale Hinweis, wie man mit den Vorhaben richtig umgeht? Nicht zu viel über die Vorsätze plappern, sondern einfach darüber nachdenken, machen und sehen, was passiert? Sofern das funktioniert, bedanken Sie sich bei der deutschen Etymologie.
Falls nicht, müssen Sie wenigstens niemandem erklären, weshalb Sie wieder rauchen, nachdem Sie doch so viel Zeit damit verbracht haben, allen zu erzählen, 2020 damit aufzuhören. Nun aber wirklich. Ganz bestimmt. Endgültig.
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