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Die ETA ist nicht am Ende

Das Gespräch führte Steffen Leidel 9. März 2006

Die baskische Untergrundorganisation ETA macht wieder mit Anschlägen auf sich aufmerksam. Wie stark ist die Terrororganisation noch? Ein Interview mit Spanien-Experte Walther L. Bernecker.

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Zerstörtes Auto in VitoriaBild: AP

DW-WORLD: Die ETA hat am Donnerstag wieder eine Serie von Anschlägen verübt. Dabei wurde zwar niemand verletzt, es entstand auch nur geringer Sachschaden. Dennoch, immer wieder gibt es in jüngster Zeit solche Aktionen. Was ist der Grund dafür?

Walther L. Bernecker: Es gab in jüngster Zeit Gerüchte, dass zwischen der Zentralregierung und der ETA Verhandlungen stattfinden. Dadurch ist in Teilen der Öffentlichkeit die Erwartung entstanden, die Eta sei nun bereit für einen dauerhaften Waffenstillstand und für einen Verzicht auf Gewalt. Die jüngsten Anschläge sind so etwas wie symbolische Politik. Die ETA will deutlich machen: 'Wir sind noch da, wir sind noch in der Lage, Attentate durchzuführen, und wenn wir überhaupt auf Gewalt verzichten, dann nur unter ganz gewissen Bedingungen. Wir sind vielleicht bereit, Verhandlungen zu führen, aber das darf bitte sehr von Seiten der Zentralregierung nicht als eine Kapitulation interpretiert werden.' Die ETA will also klar machen, dass man auf gleicher Augenhöhe mit der Zentralregierung verhandeln möchte.

Dabei müsste sich die ETA doch eigentlich freuen über die Politik von Ministerpräsident Zapatero. Im Gegensatz zu seinem konservativen Vorgänger Aznar hat er Verhandlungen bislang nicht ausgeschlossen.

Aznar hat zweifellos mit der ETA verhandelt, auch wenn er das leugnet wie vor ein paar Tagen. Er stellt es immer so dar, als ob die Gespräche nur das Ziel hatten, festzustellen, ob die ETA bereit ist zur Kapitulation. Aber Tatsache ist - wenn wir genau die Berichte der Aznar-Jahre lesen - dass Aznar mit der ETA verhandelt hat, wie übrigens auch der Sozialist Felipe González schon vor ihm. Das hat jede spanische Regierung bisher getan, und im Übrigen muss man sagen, jede Regierung erfolglos.

Und was für ein Problem hat dann die jetzt die konservative Opposition mit der Gesprächsbereitschaft Zapateros?

Zweifellos würde man sich freuen, wenn die Gewalt ein Ende hat. Aber die Opposition glaubt, die jetzige Regierung sei zu politischen Konzessionen bereit. Wie auch immer die aussehen mögen. Die ETA möchte auf gleicher Augenhöhe mit der Regierung verhandeln, möchte Bedingungen stellen. Und die Opposition fürchtet, dass die Regierung von Zapatero darauf eingeht. Und das lehnt sie kategorisch ab.

Sie sagt, die ETA muss die Waffen niederlegen, muss sich ergeben. Momentan findet in Spanien eine Debatte statt, ob es bei diesem Ende der Gewalt Sieger und Besiegte geben darf. Und natürlich, sagt die Opposition, wird es Besiegte geben, die ETA wird der besiegte Teil sein. Und andere wiederum sagen, die Gewalt kann nur ein Ende haben, wenn es keine Sieger und Besiegte gibt, sondern wenn man irgendeine Kompromisslösung aushandelt. Und dazu, zum Beispiel, sind gewisse Opferorganisationen nicht bereit, und dazu ist die Opposition nicht bereit.

Wie konkret ist das Verhandlungsangebot Zapateros?

Es ist völlig unklar, ob die Regierung tatsächlich derzeit mit ETA verhandelt. Das leugnet sie nämlich. Sie sagt vielmehr: Es wird nur Verhandlungen mit der ETA geben, wenn sie vorher definitiv den Waffen abgeschworen hat. Und das ist bekanntlich nicht geschehen, und deswegen gibt es auch keine Verhandlungen mit ihr - so der Standpunkt der Regierung. Aber hier gehen die Meinungen außerordentlich weit auseinander, und das ist Zündstoff für innenpolitische Polemik.

Wie viel Unterstützung hat die ETA eigentlich noch in der baskischen Bevölkerung?

Die Unterstützung für die ETA dürfte inzwischen drastisch zurückgegangen sein. Aber eine Partei wie Batasuna, die sich ja als der politische Arm von ETA versteht, diese Partei hat durchaus noch massive Unterstützung. Auch die Ersatzpartei "EH" (Batasuna ist verboten, d. Red.) hat ja ungefähr wieder diesen Prozentsatz bei den letzten Wahlen bekommen, obwohl sie quasi aus dem Nichts gestartet ist. Das heißt, es gibt ein relativ starkes Potential im Baskenland, das man dem radikalen Nationalismus zurechnen kann. Das sind aber keine Befürworter der Gewalt. Sie sind aber sehr wohl für ein Selbstbestimmungsrecht des Baskenlandes und sind eben für eine Politik, wie sie im Wesentlichen die Partei Batasuna verfolgt.

Das klingt sehr nach einer verfahrenen Situation. Wie könnte eine Lösung aussehen?

Die Lage ist verfahren, zweifellos. Und die Zentralregierung hat sich auch in eine gewisse Abhängigkeit von der ETA begeben, indem diese Hoffnung auf Verhandlungen geweckt worden ist. Die einzige tatsächliche Lösung besteht darin, dass ETA einen dauerhaften Waffenstillstand, erklärt. Und genau das ist ja das Verfahrene an der Situation. Nämlich, dass die Politik sich abhängig macht vom Verhalten einer Terrororganisation. Und niemand weiß so genau, wie diese Organisation sich verhalten wird. Sie ist zwar geschwächt, da gibt es gar keinen Zweifel, aber sie ist eben nicht am Ende. Das macht sie ja gerade durch die Attentate immer wieder deutlich. Die Politik kann nicht sehr viel mehr machen, als was sie im Augenblick macht. Sie ist sozusagen der reaktive Teil. Und das finde ich in der Tat das äußerst Bedenkliche an dieser Situation.

Prof. Dr. Walther L. Bernecker lehrt an der Universität Erlangen-Nürnberg.