Rahmenabkommen geplant
27. Februar 2008Nachdem Libyen im Sommer 2007 nach jahrelangen Verhandlungen gegen indirekt gezahltes Lösegeld bulgarische Krankenschwestern und einen bulgarisch-palästinensischen Arzt aus dem Gefängnis entlassen hat, ist für die EU die letzte Bedingung erfüllt, mit der nordafrikanischen sozialistischen Volksrepublik normale Beziehungen anzustreben.
Die USA und China, Italien und Frankreich machen mit dem öl- und gasreichen Staat bereits wieder gute Geschäfte. 2006 waren die letzten Sanktionen gegen Libyen aufgehoben worden. Zuvor hatte der libysche Machthaber Muammar al Gaddafi dem Staatsterrorismus abgeschworen und Wiedergutmachung für frühere Bluttaten gezahlt.
Ziel der EU: Energiesicherheit
Jetzt will die Europäische Union ein umfassendes Abkommen mit Libyen aushandeln, das zu einer Freihandelszone und einer Vereinbarung über verlässliche Öl- und Gaslieferungen führen soll, sagte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am Mittwoch (27.02.2008) in Brüssel: "Energiesicherheit ist für uns alle wichtig." Libyen sei bereits ein sehr wichtiger Öl-Exporteur, müsse aber zusammen mit der EU eine langfristige Strategie für eine verlässliche Nutzung der Ressourcen entwickeln, so die Kommissarin.
Die USA, Großbritannien und Frankreich bemühen sich um enge wirtschaftliche Kontakte. Auch deutsche Firmen sind nach Libyen zurückgekehrt, nachdem das Land wieder als gesellschaftsfähig gilt. Im Januar war Libyen sogar Vorsitzender des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen.
Menschenrechtsklausel "sehr wichtig"
Über mangelnde Demokratie und Menschenrechtsverletzungen werde man zwar im Zuge der Verhandlungen nicht hinwegsehen, sagte EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, aber es gebe keine Alternative zu verbesserten Beziehungen. Die geopolitische Bedeutung des nordafrikanischen Landes sei einfach zu groß. Libyen spiele heutzutage eine wichtige Rolle sowohl im Mittelmeerraum als auch in Afrika, so Ferrero-Waldner.
Der Bedarf an wirtschaftlichem Engagement aus dem Ausland in Libyen ist groß, denn 90 Prozent seiner Einnahmen erzielt das Land immer noch aus dem Energieexport. Die Wirtschaft soll nach Jahrzehnten der Misswirtschaft endlich entwickelt werden.
Teil des politischen Dialogs: Illegale Einwanderung
Italien und Libyen haben bereits ein Abkommen zur Bekämpfung der Flüchtlingsströme über das Mittelmeer Richtung Norden geschlossen. Die Europäische Union möchte bald folgen. Libyen hat im Januar damit begonnen, die Lager von Migranten aus Ländern südlich der Sahara abzureißen und die Flüchtlinge rigoros abzuschieben. Libysche Behörden schätzen, dass sich bis zu zwei Millionen Flüchtlinge im Land aufhalten, und das bei nur sechs Millionen Einwohnern.
Die EU möchte erreichen, dass Libyen Flüchtlinge zurücknimmt und den Schlepperbanden das Handwerk legt. Einen pragmatischen Ansatz wählte der libysche Machthaber Gaddafi in dieser Frage. Der als schwer berechenbar geltende Diktator verlangte beim letzten EU-Afrika-Gipfel im Dezember eine Milliarde Euro von der EU. Im Gegenzug werde er das Flüchtlingsproblem in seinem Land lösen.
Mitgliedsstaaten müssen noch zustimmen
Die Verhandlungen für ein politisches Abkommen mit Libyen will die EU-Kommission so schnell wie möglich aufnehmen. Die Außenminister der 27 Mitgliedsstaaten müssen noch zustimmen, was aber als Formsache gilt.
Im Sommer 2007 hatte Muammar al Gaddafi für eine so genannte "freiwillige" Spende von 460 Millionen US-Dollar das medizinische Personal aus Bulgarien ausreisen lassen. Die Summe für den "Bengazi-Fonds" wird derzeit von den EU-Mitgliedsstaaten, der EU-Kommission und Unternehmen eingesammelt.