Die Favoriten sticheln vor der Ironman-WM
11. Oktober 2018Kein Ort der Welt versprüht in diesen Oktobertagen mehr Triathlon-Atmosphäre als Kailua-Kona auf Big Island. Doch der paradiesische Rahmen auf Hawaii kann über den knallharten Konkurrenzkampf nicht hinwegtäuschen. Jeder der Top-Athleten und Athletinnen will das Rennen am Samstag (ab 18:20 Uhr MESZ hier im DW-Liveticker) gewinnen. Titelverteidiger Patrick Lange bekommt das schon vor dem Start zu spüren. Sebastian Kienle, der Sieger von 2014, kritisiert seinen Rivalen wegen seines Verhaltens auf der Radstrecke.
"Lange hat in den vergangenen Jahren immer wieder Zeitstrafen wegen Windschattenfahrens bekommen", sagte Kienle in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Aus seiner Abneigung machte er deshalb auch keinen Hehl: "Ich kann guten Gewissens behaupten, dass ich mit allen Profis gut auskomme. Nur Doper und Leute, die immer versuchen, die Regeln maximal zu dehnen, bilden da eine Ausnahme." Auch Jan Frodeno, der verletzungsbedingt in diesem Jahr nicht starten kann, ist von Langes Taktik "extrem genervt".
Lange gibt sich cool
Der Gescholtene lässt die Kritik an sich abprallen: "Das ist aus der Luft gegriffen und völlig haltlos", entgegnete Lange, den an den Anfeindungen deshalb einzig und allein störte, "in einem Atemzug mit Dopern genannt zu werden". Er wird auch in diesem Jahr seiner Taktik treu bleiben. Nach dem 3,86 Kilometern Schwimmen, bei dem der Hesse mit der Spitzengruppe mithalten kann, zählt es für ihn auf den 180,2 Kilometern auf dem Rad mit den Kräften zu haushalten und beim abschließenden Marathon zu attackieren. Bisher hatte der amtierende Weltmeister ein eher durchwachsenes Jahr und konnte keines seiner großen Rennen gewinnen. Das Wichtigste steht allerdings erst unmittelbar bevor.
Sanders, Gomez, Currie - die weiteren Favoriten
Auf einen Sieg lauert auch Lionel Sanders. 2017 schnupperte der Kanadier schon am Erfolg. Auf den letzten Kilometern der Laufstrecke verließen ihn jedoch die Kräfte. Stöhnend und zähnefletschend musste er Lange an sich vorbeiziehen lassen. Für ihn noch ein Grund mehr sich im Training wie ein Besessener zu schinden und ein neues Ernährungskonzept auszutüfteln. Seine radikalen Methoden können zum Sieg führen, sich aber genauso gut als Irrweg erweisen - Sanders bleibt eine Wundertüte.
Sehr viel strukturierter geht Javier Gomez (35) das Projekt an. Jahrelang dominierte der Spanier die Kurzdistanz und holte fünf WM-Titel. Jetzt feiert er sein Debüt auf Hawaii. Wie Patrick Lange gehört er zu den sehr starken Läufern im Feld. Kommt er mit den äußeren Bedingungen zurecht, ist er ein Siegkandidat. Das gilt auch für Braden Currie (32). Der Neuseeländer zählt zu den besten Schwimmern und Läufern im Feld und hat in diesem Jahr in Cairns sogar schon Gomez die Rücklichter gezeigt.
Spannendes Rennen zu erwarten
Ob Kienle, Lange oder Sanders - egal wen man fragt, eines bedauern sie alle: die Absage von Jan Frodeno. Der Zweifach-Champion war der herausragende Triathlet der Saison und galt auch für Hawaii als derjenige, den es zu schlagen gilt. "Richtig ist natürlich auch, dass es für uns alle anderen die Chancen erhöht, als Weltmeister nach Hause zu gehen", sagte Kienle über das Malheur seines Kumpels. Taktisch ist ein hochinteressantes Rennen zu erwarten. Die starken Schwimmer werden von Beginn an viel Tempo anschlagen, um Kienle und Sanders zu distanzieren. Auf dem Rad werden beide alles daran setzen den Spieß umzudrehen und so schnell zu fahren, dass auch die starken Läufer um Lange und Gomez Probleme bekommen. Mit der endgültigen Entscheidung ist erst auf den letzten Kilometern des Marathons zu rechnen.
Nächster Triumph für Ryf?
Bei den Frauen ist die Ausgangslage anders. Daniela Ryf peilt ihren vierten Titel an. Ähnlich wie Frodeno bei den Männern ist die Schweizerin die klare Topfavoritin. Umso mehr, weil sie sich vor Auftakt der Saison drei Monate Pause gönnte. Sie kehrte frischer und fokussierter zurück und gewann sämtliche Wettkämpfe. Auf Hawaii will sie selbst ein "spektakuläres Rennen" abliefern. Die Britin Lucy Charles könnte ihr noch am ehesten gefährlich werden. Anne Haug, Deutschlands beste Olympia-Triathletin, tritt zum ersten Mal auf Hawaii an.