Die Fed feiert
23. Dezember 2013Macht verströmt er. Der weiße, streng bewachte Geldpalast, unweit von Weißem Haus und Finanzministerium. Die hohen, dunklen Fenster gewähren keinen Einblick. Und außer dem Wachpersonal verirrt sich keine Menschenseele auf die weißen Steintreppen vor dem Eingang.
Wer hier arbeitet, lässt sich direkt mit dem Wagen in die Tiefgarage chauffieren. Wer hier arbeitet, ist Hüter über den Dollar.
Das Gebäude gibt selbst in Washington vielen Menschen ein Rätsel auf. "Ich habe keine Ahnung", erklärt ein Passant, "was das für ein Gebäude ist." Und damit steht er nicht allein. Die wenigsten Passanten scheinen den dünnen Schriftzug wahrzunehmen, der vornehm im Marmor des Gebäudes glänzt. "Das ist die Federal Reserve", erklärt ein Mann. "Da arbeitet doch Bernanke, oder?" Eine Frau stimmt ihm zu. "Das ist die Zentralbank der USA. Ben Bernanke ist ihr derzeitiger Chef." Und ein anderer sagt: "Da wird die Geldpolitik gemacht."
Und das seit nunmehr 100 Jahren. Doch in den Geburtstagstusch mischen sich viele Buhrufe für die mächtigste Notenbank der Welt. Geboren wurde sie in einer Nacht- und Nebelaktion. Nach einer der schlimmsten Finanzkrisen der USA, der "Großen Panik" von 1907, brütete eine Gruppe mächtiger Bänker auf der ruhigen Insel Jekyll Island in Georgia ein Gesetz aus. Am 23. Dezember 1913 wurde es, begleitet von einer Revolte seiner Gegner, unter Präsident Woodrow Wilson umgesetzt: Der Demokrat hatte angeblich einen Pakt mit den Bänkern JP Morgan und John D. Rockefeller gemacht: Sie verhalfen ihm zum Wahlsieg - er verhalf ihnen zur ersten Zentralbank. Später notierte Wilson in seinem Tagebuch: "Ich habe unweise mein Land ruiniert. Eine große Industrienation wird von seinem Kreditsystem kontrolliert... all unsere Aktivitäten liegen in den Händen von ein paar Männern."
Fed zieht die Fäden
Der Federal Reserve Act hatte tatsächlich die Kontrolle über den US-Dollar in die Hände der Privatbankiers gelegt. Sie zogen die Fäden der zentralen Institution in Washington - vertreten von zwölf örtlichen Filialen im Land. Die Fed sollte im schlimmsten Fall als letzte kreditgebende Instanz für das Bankensystem einspringen. Dabei sollte sie unabhängig von der Politik sein.
"Das ursprüngliche Ziel dieses großen Experiments, nämlich der Gründung der Fed, war es, die Stabilität des Dollars zu bewahren", so der scheidende Fed-Chef Bernanke. Der an einer feststehenden Menge Feingold gemessene Dollar wurde zur globalen Reservewährung. Bis heute ist der Greenback weltweite Leitwährung.
Dem großem Experiment der Gründung der Fed folgten im Lauf der Jahrzehnte weitere Herausforderungen mit dem Adjektiv groß, so Bernanke auf einer Geburtstagsveranstaltung in Washington. "Die Große Depression der 1930er-Jahre, die Große Inflation der 1970er-Jahre, die Große Mäßigung, als die Inflation mit hohen Zinsen gedrückt wurde und die Globalisierung das Wachstum weltweit stabilisierte, und die Große Rezession infolge der Finanzkrise 2008", zählte er auf.
Doch Kritiker der Bank werfen ihr vor, dass gerade sie mit falschen Entscheidungen zu diesen Krisen beigetragen hat. Nicht zuletzt, weil sich die Hundertjährige in Sachen eingemischt hat, die sie eigentlich nichts angehen. Beispielsweise in die Politik.
Einmischen in die Politik
Ex-Fedchef Alan Greenspan wird vorgeworfen, dass er die jüngste Immobilienblase nicht nur übersehen, sondern mit seiner Geldpolitik auch noch gefördert hat. Sie führte 2007 zur schwersten Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Greenspans Nachfolger Bernanke, so die Kritik, habe auf die Krise überreagiert.
"Die Panik von 2007 und die darauffolgende Finanzkrise haben durch die Macht der Fed zu einer Politik des billigen Geldes geführt", sagt James Dorn von Washingtoner Think-Tank Cato Institute. Längst habe die Notenbank den ihr eigentlich zugedachten Bewegungsspielraum verlassen. Er war einst durch den Goldstandard festgelegt, sagt Dorn. "Doch der klassische Goldstandard endete nach dem Ersten Weltkrieg. Danach hatten wir einen Zwitter."
Eine Notenbank nämlich mit einem doppelten Mandat. Die Fed soll nicht nur Preisstabilität fördern, sondern auch Vollbeschäftigung. Dazu hat sie sich unter Bernankes Führung klare Zielwerte gesetzt. So strebt die Notenbank mittelfristig eine Inflationsrate von knapp 2 Prozent an.
Ihre derzeitige Niedrigzinspolitik von praktisch null Prozent will sie mindestens so lange fortsetzen, bis die Arbeitslosenquote in den USA drastisch gesunken ist. Besonders steht sie jedoch in der Kritik, weil sie seit der Krise monatlich langfristige Staatsanleihen und Immobilienpapiere kauft. Diese Käufe sollen ab Januar von 85 auf 75 Milliarden Dollar gedrosselt werden. Das ändert nach Meinung von Kritikern nichts daran, dass die Fed sich in fiskalpolitischen Aktionen verzettelt, bei denen sie nichts zu suchen hat.
Mit ihrer Geldflut treibe sie die weltweiten Aktienmärkte an und steuere die Wirtschaft in eine neue Blase, meint auch der Direktor des Cato-Instituts, John Allison: "Ich denke, die Wirtschaftsschwankungen sind hauptsächlich durch die Fed verursacht. Wenn die Fed den Geldvorrat manipuliert und all das tut, was wir gesehen haben, dann macht sie eine wirtschaftliche Kalkulation schwer", so der Ökonom, der fast zwei Jahrzehnte Chef eines der größten US-Finanzinstitute war, der BB&T Corporation. "Jede Blase in meiner Karriere ist durch die Fed noch größer geworden", sagt Allison. Und sein radikaler Lösungsvorschlag: "Ich würde die Federal Reserve abschaffen."
Zahlreiche Politiker - allen voran aus dem rechten Lager - stoßen seit Jahren in dasselbe Horn. Sie wollen die Fed lieber heute als morgen abschaffen. Zumindest aber liften. Manche fordern, die Fed soll ihre Maßnahmen an neuen Zielen messen. Andere finden, sie soll sich ausschließlich auf den Kampf gegen die Inflation konzentrieren und raushalten aus der Arbeitsmarktpolitik. 2014 wollen einige Republikaner die Fed im Kongress auf den Prüfstand heben. Damit wird sich die designierte Chefin Janet Yellen herumschlagen müssen. Die erste Frau an der Spitze der Fed löst Bernanke Ende Januar ab. Der Geburtstagsrausch wird dann verflogen sein, aber an der Politik der Notenbank - schätzen Experten - wird sich auch mit Yellen wenig ändern.